VwGH Ra 2020/14/0322

VwGHRa 2020/14/032212.8.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch die Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2020, L506 2163685‑1/17E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140322.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 29. Juli 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 9. Juni 2017 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei. Begründend führte es unter anderem aus, dass der christliche Glaube kein wesentlicher Bestandteil der Identität des Revisionswerbers geworden sei und sich die behauptete Hinwendung zum Christentum als Scheinkonversion erweise. Im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung führte es zur Interessenabwägung ‑ unter Berücksichtigung aller Aspekte des Privat‑ und Familienlebens ‑ aus, dass die öffentlichen Interessen überwögen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit ins Treffen geführt, das angefochtene Erkenntnis enthalte Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat, die keinen Bezug zum konkreten Fall aufwiesen. Die Wissenslücken beruhten auf einer teilweise überzogenen Erwartungshaltung des Gerichtes an das diesbezügliche theologische Wissen des Revisionswerbers. Das Bundesverwaltungsgericht habe die für die Konvertierung maßgeblichen Indizien verkannt und demnach auch nicht berücksichtigt. Der Revisionswerber wendet sich schließlich auch gegen die im Zusammenhang mit der Rückkehrentscheidung durchgeführte Interessenabwägung nach § 9 BFA‑Verfahrensgesetz und verweist auf eine Aufenthaltsdauer von acht Jahren.

8 Mit dem Vorbringen, die Bezugnahme auf „standardisierte Länderfeststellungen“ sei nicht ausreichend, zeigt der Revisionswerber weder auf, welche weiteren konkreten Ermittlungen er für notwendig erachte, noch legt er die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dar (vgl. zur Notwendigkeit der Darstellung der Relevanz für den Verfahrensausgang VwGH 29.5.2020, Ra 2020/14/0191..., mwN).

9 Nach der Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. etwa VwGH 7.5.2020, Ra 2020/18/0125; 9.4.2020, Ra 2020/14/0138, jeweils mwN).

10 Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens‑ bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation und des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 12.6.2020, Ra 2019/18/0440; 9.4.2020, Ra 2020/14/0138, mwN).

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 15.5.2020, Ra 2020/14/0169, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einer Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft, ihn sowie einen von ihm namhaft gemachten Zeugen zu seinen religiösen Aktivitäten befragt und ist mit ausführlicher Begründung zur Auffassung gelangt, dass ein aus innerer Überzeugung vollzogener Religionswechsel nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

13 Soweit sich die Revision gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, nach der eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen ‑ wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde ‑ nicht revisibel ist (vgl. VwGH 29.5.2020, Ra 2020/14/0191, mwN). Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA‑VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 3.6.2020, Ra 2020/20/0161, mwN).

14 Das Bundesverwaltungsgericht hat entgegen dem Vorbringen in der Revision im vorliegenden Fall sämtliche bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden ‑ im Besonderen auch die vom Revisionswerber angesprochenen ‑ Umstände einbezogen und auch die Dauer seines Aufenthalts in Österreich in seine Abwägung einbezogen. Der Revision gelingt es nicht, aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seinen im Rahmen der Interessenabwägung vorgenommenen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien nicht beachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. August 2020

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