Normen
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180125.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 3. Juli 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, er habe sich vor dem Direktor seiner ehemaligen Schule kritisch zum Islam geäußert, weshalb ihm eine Gerichtsverhandlung drohe. Er habe die Schule verlassen und zwei weitere Jahre in Teheran studiert, bevor er das Land dann verlassen habe.
2 Mit Bescheid vom 1. Oktober 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren relevant - aus, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft. Der Revisionswerber sei in Österreich auch nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert. Er habe selbst angegeben, sich im Iran weder privat noch öffentlich zum christlichen Glauben zu bekennen, weshalb ihm auch keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat drohe. Zur Rückkehrentscheidung hielt es fest, der Revisionswerber befinde sich seit Juli 2018 in Österreich, seine Familienangehörigen würden sich im Iran aufhalten. Er übe in Österreich keine Beschäftigung aus und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Er sei zwar ehrenamtlich tätig gewesen, könne einfache und mittelschwere Fragen auf Deutsch beantworten und sei Mitglied einer Theatergruppe, insgesamt sei jedoch nur ein geringer Grad an Integration erreicht worden, weshalb die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden. Ein Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Privatleben sei daher als verhältnismäßig anzusehen.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 309/2020-8, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Die vorliegende außerordentliche Revision macht zusammengefasst geltend, das BVwG habe nicht die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers im Zeitpunkt der Entscheidung berücksichtigt, sei im Rahmen der Beweiswürdigung von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen und habe verkannt, dass der Revisionswerber eine Facebook‑Seite betreibe, auf der er Gedanken und Gebete zu seinem christlichen Glauben teile und gegenüber der zuständigen österreichischen Behörde seinen Austritt aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs erklärt habe. Betreffend die Rückkehrentscheidung wird vorgebracht, es fehle einheitliche Rechtsprechung des „BVwG“ zur Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden könne. Zudem lebe der Revisionswerber in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsangehörigen, mit der er ein gemeinsames Kind erwarte.
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung der eine Konversion behauptenden Person an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Wesentlich ist dabei, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0436, mwN).
12 Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens‑ bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0239, mwN).
13 Im vorliegenden Fall setzte sich das BVwG mit dem Vorbringen des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung eingehend auseinander und kam in einer vertretbaren Beweiswürdigung, in der es auch die Aussagen des einvernommenen Zeugen würdigte, zu dem Ergebnis, dass sich der Revisionswerber nicht aus innerer Überzeugung dem Christentum zugewandt habe und die dargestellten Glaubensinhalte nicht zu einer innerlich ernsthaften Identitätsprägung geführt hätten. Dabei stütze sich das BVwG primär darauf, dass der Revisionswerber befragt nach seiner Motivation und der Bedeutung der neuen Religion, lediglich allgemeine und oberflächliche Antworten gegeben habe, seine Beweggründe nicht habe nennen können und auch seine Verwandten nicht über den Glaubenswechsel informiert habe. Die mangelnde Glaubwürdigkeit des ursprünglichen Ausreisegrundes bezog das BVwG hingegen nicht in die Beweiswürdigung betreffend die aktuelle Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers mit ein, weshalb das diesbezügliche Vorbringen in der Revision ins Leere geht.
14 Sofern die Revision vermeint, das BVwG habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Revisionswerbers berücksichtigt, weil die Entscheidung des BVwG erst nahezu vier Monate nach der mündlichen Verhandlung erfolgt sei, so zeigt sie mit diesem Vorbringen nicht auf, was sich innerhalb dieser vier Monate geändert hätte, und inwiefern sich deshalb der behauptete Verfahrensmangel für den Verfahrensausgang als relevant hätte erweisen können (vgl. zur erforderlichen Relevanzdarlegung von Verfahrensmängeln etwa VwGH 18.2.2020, Ra 2020/18/0025, mwN).
15 Dem Vorbringen, das BVwG habe verkannt, dass der Revisionswerber seinen Glauben in mehrfacher Hinsicht öffentlich gemacht habe, ist entgegenzuhalten, dass sich das BVwG mit seinem diesbezüglichen Vorbringen auseinandergesetzt hat und dazu ausführte, dass die Facebook‑Seite mit dem Namen ‚Jesus Crist‘ keinen Rückschluss auf die Identität des Revisionswerbers zuließe. Da aufgrund seiner eigenen Angaben im Verfahren nicht davon auszugehen sei, dass der Revisionswerber seinen christlichen Glauben in seinem Herkunftsstaat praktizieren, nach außen tragen oder gar missionarisch tätig sein werde, habe er auch nicht mit einer asylrelevanten Gefährdung im Herkunftsstaat zu rechnen. Dieser Beurteilung, die auch im Einklang mit den unbestritten gebliebenen Länderfeststellungen steht, vermag die Revision nichts Stichhaltiges entgegen zu setzen.
16 Wenn die Revision vorbringt, es bestehe keine einheitliche Rechtsprechung des „BVwG“ zu den Voraussetzungen, unter denen eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären ist, wird damit schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil es diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ankommt.
17 Nach dieser ist bei der Beurteilung, ob im Fall einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat‑ und Familienleben des Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schul- und Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. etwa VwGH 3.3.2020, Ra 2020/18/0072, mwN). Dass das BVwG bei der Interessenabwägung von diesen Leitlinien abgewichen wäre, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht substantiiert behauptet.
18 Soweit die Revision schließlich erstmals im Verfahren vorbringt, dass der Revisionswerber in einer Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin sei und sie ein gemeinsames Kind erwarten würden, ist dem entgegenzuhalten, dass der Berücksichtigung dieses Vorbringens im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das aus § 41 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot entgegen steht und dieses schon aus diesem Grund keine Beachtung finden kann (vgl. VwGH 14.10.2019, Ra 2019/18/0396).
19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 7. Mai 2020
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