Normen
BAO §124
B-VG Art133 Abs4
EStG 1988 §5
HGB §1 Abs2
HGB §189 Abs1
HGB §4 Abs1
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020130032.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerber sind ehemalige Gesellschafter (bzw. deren Rechtsnachfolgerin) der in den Streitjahren bestehenden X OEG (laut Firmenbuch ab 1. Jänner 2007: X OG, „Rechtsformänderung gemäß Unternehmensgesetzbuch“). Im Jahr 2012 erfolgte eine Vermögensübernahme gemäß § 142 UGB durch den letzten verbliebenen Gesellschafter (den Zweitrevisionswerber).
2 Im Bericht über das Ergebnis einer die X OEG betreffenden Außenprüfung vom 2. März 2010 wurde u.a. festgestellt, per 1. Jänner 2006 sei von der Gewinnermittlungsart gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 auf jene nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 gewechselt worden. Es sei ein Übergangsgewinn von ca. 128.000 € ermittelt und erklärt worden. Darin seien als Abschlag ca. 120.000 € enthalten, die „Verbindlichkeiten aus Leistungen der Gesellschafter“ beträfen. Laut schriftlicher Aufstellung handle es sich um Tätigkeitsleistungen (Umbau Geschäftsgebäude) aus den Jahren 1999 bis 2001. Alle Vergütungen, die die Gesellschaft ihren Gesellschaftern für derartige Dienstleistungen gewähre, stellten steuerlich Vorweggewinn bzw. Gewinnanteil des Gesellschafters dar. Sie müssten daher auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung als Sonderbetriebsausgaben erfasst werden. Solche Gewinne, die frühere Jahre beträfen, könnten beim Übergang der Gewinnermittlung nicht als Verbindlichkeit an die Gesellschafter gewinnmindernd angesetzt werden.
3 Weiters wurde festgestellt, dass die Umsatzgrenze von 400.000 € unter Berücksichtigung der differenzbesteuerten Umsätze bereits ab 2002 überschritten worden sei. Die Buchführungspflicht gemäß § 125 BAO bestehe somit ab Beginn des Jahres 2005. Es sei daher zum 1. Jänner 2005 ein Übergangsgewinn zu ermitteln. Dieser betrage ‑ wie in einer Beilage zum Bericht näher dargelegt ‑ ca. 192.000 €.
4 Das Finanzamt folgte der Außenprüfung und erließ ‑ nach Wiederaufnahme der Verfahren ‑ am 16. März 2010 entsprechende Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2005 und 2006.
5 Die X OG erhob gegen die neuen Sachbescheide Berufung. Sie machte im Wesentlichen geltend, im konkreten Fall werde ein Kfz‑Einzelhandel mit einer angeschlossenen Werkstätte betrieben. Dazu sei eigens ein Betriebsgelände angekauft und entsprechend adaptiert worden. Nach Aufzählung von qualitativen und quantitativen Merkmalen wurde ausgeführt, es werde ein Grundhandelsgewerbe betrieben, das nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere. Es habe daher mit Beginn der Aufnahme der Tätigkeit (im Jahr 1999) die Pflicht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 bestanden.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die von ihm als Beschwerde zu behandelnde Berufung gegenüber den nunmehrigen Revisionswerbern als ehemalige Gesellschafter der X OEG als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, im November 1998 hätten die späteren Gesellschafter der X OEG zu je einem Drittel ein Grundstück angekauft (Gesamtfläche 1.891 m², hievon Baufläche 632 m², Lagerplatz 1.259 m²; Kaufpreis S 1,85 Mio.). Im November 1998 sei betreffend diese Liegenschaft ein Pfandrecht über S 2,5 Mio. eingetragen worden.
8 Die Liegenschaft sei von den Gesellschaftern an die X OEG vermietet worden, die wiederum einen Teil davon an S (zum Betrieb eines gastgewerblichen Lokals) weitervermietet habe. An S seien eine Fläche von ca. 263 m² sowie elf Parkplätze vermietet worden; die X OEG habe eine Fläche von ca. 369 m² sowie ebenfalls elf Parkplätze genutzt.
9 Im Juni 1999 hätten die drei Gesellschafter die X OEG errichtet.
10 Die Liegenschaft sei in einem stark baufälligen Zustand erworben worden. Über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren seien, großteils von den Gesellschaftern persönlich, wesentliche Revitalisierungsmaßnahmen durchgeführt worden.
11 Im Jahr 1999 und in den Folgejahren bis 31. Dezember 2005 habe die X OEG den Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermittelt.
12 Die Gesellschaft sei im Jahr 1999 ohne Einlagen der Gesellschafter gegründet worden. Der Handel mit Gebrauchtfahrzeugen mit angeschlossener Kleinwerkstätte sei von 1999 bis März 2002 ohne Dienstnehmer von den drei Gesellschaftern betrieben worden, wobei alle drei Gesellschafter ihre Arbeitskraft im Rahmen von Vollbeschäftigungs‑Dienstverhältnissen dritten Arbeitgebern zur Verfügung gestellt hätten. Die Gesellschafter seien demnach in ihrer Freizeit für die Gesellschaft tätig geworden. Erst ab Mitte März 2002 habe einer der drei Gesellschafter seine volle Arbeitszeit der OEG widmen können. Es habe mit einem Büro in einem ca. 25 m² großen Raum, in dem laut Beschwerde drei Arbeitsplätze eingerichtet gewesen seien, das Auslangen gefunden werden können.
13 Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem einer der Gesellschafter seine gesamte Arbeitskraft der X OEG habe widmen können, seien durchschnittlich wöchentlich zwei (gebrauchte) Fahrzeuge eingekauft und verkauft worden; weiters sei ein Erlös für Ersatzteile/Reparatur von ca. 500 € erzielt worden. Im Jahr 2000 hätten die Erlöse ca. 266.000 €, im Jahr 2001 ca. 223.000 € betragen.
14 Selbst ab dem Zeitpunkt, ab welchem einer der Gesellschafter seine gesamte Arbeitskraft der X OEG habe widmen können und sich die Umsätze sprunghaft gesteigert hätten (2002: ca. 630.000 €), seien lediglich durchschnittlich zwei gebrauchte Fahrzeuge pro Woche eingekauft und verkauft worden.
15 Aufgrund dieser Umstände und unter Bedachtnahme auf die in der Beschwerde ins Treffen geführten und teilweise weder konkretisierten noch unter Beweis gestellten Umstände (organisatorischer Ablauf der Geschäfte, Vorhandensein kaufmännischer Werbung, Vielfalt der Geschäftsbeziehung) könne nicht davon gesprochen werden, dass der in Rede stehende Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert hätte. Daran vermöge das in den Raum gestellte Vorbringen, es „erfordere schon eine ganz schöne Aufbereitung, um solche Anzahlen bewältigen zu können“ und dies könnte „von einem Ein‑Mann‑Kfz‑Handelsbetrieb nicht bewerkstelligt werden“, nichts ändern.
16 Die drei Personen hätten eine Offene Erwerbsgesellschaft errichtet und hätten diese Gesellschaftsform in den folgenden Jahren beibehalten. Bei Aufnahme der Tätigkeit im Laufe des Jahres 1999 und in den Folgejahren habe somit keine Buchführungspflicht bestanden. Erst das Überschreiten der Umsatzgrenze habe per 1. Jänner 2005 die Ermittlung eines Übergangsgewinnes erfordert.
17 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
18 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
21 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, der Verwaltungsgerichtshof habe bereits ausgesprochen, für die Beurteilung, ob ein Gewerbebetrieb einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere, sei auf die tatsächlichen Umstände im Einzelfall auf Grund einer Gesamtbetrachtung abzustellen. Die Abgrenzung richte sich nach quantitativen und qualitativen Merkmalen (Hinweis auf VwGH 23.3.1999, 97/14/0172). Hievon sei das Bundesfinanzgericht abgewichen; es habe sich im Wesentlichen nur auf die Anzahl der Dienstnehmer, den erzielten Umsatz, die Büroräumlichkeiten und die Anzahl der eingekauften und verkauften Fahrzeuge bezogen. Auf weitere qualitative und quantitative Merkmale sei das Bundesfinanzgericht nicht eingegangen. Darüber hinaus messe das Bundesfinanzgericht dem Umstand, dass im Unternehmen zunächst im Wesentlichen nur die Gesellschafter in deren Freizeit tätig gewesen seien, entscheidende Bedeutung zu. Es komme aber nicht darauf an, ob die Tätigkeit von Dritten oder den Gesellschaftern selbst erbracht werde. Einziger relevanter Anknüpfungspunkt könne in diesem Zusammenhang lediglich der mit dem Betrieb des Unternehmens verbundene Arbeitsumfang sein. Im Hinblick auf die vom Bundesfinanzgericht vorgenommene Differenzierung bedürfe es jedenfalls eines klarstellenden Ausspruchs des Verwaltungsgerichtshofes.
22 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
23 Zunächst ist - auch im Hinblick auf das dazu erstattete Vorbringen in der Revision - darauf zu verweisen, dass mit der Übernahme des Gesellschaftsvermögens gemäß § 142 UGB die Gesellschaft ohne Liquidation erlischt. Die Vermögensübernahme bewirkt sohin die Vollbeendigung der Personengesellschaft (vgl. z.B. VwGH 28.6.2012, 2008/15/0332, mwN). Das Bundesfinanzgericht hatte daher zutreffend das Erkenntnis an die ehemaligen Gesellschafter dieser Gesellschaft zu richten (§ 191 Abs. 2 BAO).
24 Strittig ist im Revisionsverfahren, ob die X OEG bereits im Zeitraum vor dem Jahr 2005 zu einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 (oder § 5 EStG 1988) verpflichtet gewesen wäre. Dass die X OEG hingegen ab dem Jahr 2005 schon im Hinblick auf die Überschreitung der Umsatzgrenze von 400.000 € in zwei aufeinanderfolgenden Kalenderjahren (2002 und 2003) mit dem Beginn des darauf zweitfolgenden Kalenderjahres (also 2005) buchführungspflichtig gemäß § 125 BAO war, ist nicht mehr strittig.
25 Die Buchführungspflicht nach Handelsrecht (§ 124 BAO in der hier noch anwendbaren Stammfassung BGBl. 194/1961) war in der hier anwendbaren Fassung das Handelsgesetzbuches (HGB idF vor BGBl. I Nr. 120/2005, nunmehr UGB) an die Kaufmannseigenschaft gebunden (§ 189 Abs. 1 HGB). Resultierte die Kaufmannseigenschaftwie hier ‑ aus dem Betrieb eines Grundhandelsgewerbes (§ 1 Abs. 2 HGB; hier insbesondere § 1 Abs. 2 Z 1 HGB: Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen), so war aber weiters zu beachten, dass nach § 4 Abs. 1 HGB die Vorschriften insbesondere über die Rechnungslegung nicht auf Personen anzuwenden waren, deren Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert („Minderkaufmann“).
26 Ob ein Unternehmen als vollkaufmännisches Handelsgewerbe zu beurteilen ist, hängt somit nicht bloß vom Umfang des Betriebes ‑ gemessen an Umsatz, Beschäftigtenanzahl und Art der Ausstattung ‑ ab, sondern insbesondere auch davon, ob das Unternehmen nach Art seines Betriebes kaufmännische Einrichtungen tatsächlich erfordert (vgl. OGH 14.4.1988, 6 Ob 7/88). Bei der Beurteilung, ob ein Gewerbebetrieb einen nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist auf die tatsächlichen Umstände im Einzelfall auf Grund einer Gesamtbetrachtung abzustellen. Die Abgrenzung von Voll- und Minderkaufleuten iSd § 4 HGB richtet sich nach quantitativen und qualitativen Merkmalen (vgl. VwGH 23.3.1999, 97/14/0172, VwSlg. 7373/F).
27 Eine derartige einzelfallbezogene Beurteilung auf Grund einer Gesamtbetrachtung ist im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 10.5.2017, Ra 2017/11/0042; vgl. auch OGH 12.2.2003, 9 ObA 9/03v).
28 Im Hinblick auf die Zahl der Geschäftsfälle (auch ab dem sprunghaften Ansteigen der Umsätze ab 2002 lediglich durchschnittlich zwei An- und Verkäufe pro Woche; der Betrachtungszeitraum ist entgegen dem Revisionsvorbringen insoweit ohne Bedeutung), die Tätigkeit an lediglich einem Standort, die Erbringung der Leistungen ‑ auch der Leistungen zur Nutzbarmachung der Liegenschaft ‑ durch die Gesellschafter (vgl. OGH 28.2.1962, 6 Ob 77/62: Beschränkung des Inhabers auf die kaufmännische und technische Betriebsleitung als wesentliches Merkmal des Vollkaufmannes) und den Umstand, dass keine Dienstnehmer beschäftigt waren, ist dem Bundesfinanzgericht auch unter Berücksichtigung der nicht unbeträchtlichen Höhe der ab 2002 erzielten Umsätze im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht entgegenzutreten, wenn es zum Ergebnis gelangte, dass dieser Gewerbebetrieb nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erforderte. So waren auch etwa eine kaufmännische Buchführung, eine kaufmännische Firma (in Form einer OHG anstelle der eingetragenen OEG) oder eine kaufmännische Vertretung (Prokura oder Handlungsvollmacht, wobei letztere auch im Rahmen eines minderkaufmännischen Gewerbebetriebes möglich wäre) ‑ als Elemente einer kaufmännischen Einrichtung ‑ im Gewerbebetrieb nicht vorhanden und offenkundig nicht erforderlich. Wenn die Revision darauf verweist, es wären auch weitere qualitative und quantitative Merkmale zu berücksichtigen gewesen, so werden diese aber im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens nicht konkretisiert. Es wird auch nicht aufgezeigt, dass die Darlegungen des Bundesfinanzgerichtes, das Vorbringen hiezu sei unkonkretisiert und unbewiesen geblieben, mit Verfahrensmängeln belastet seien. Entgegen der Revision kann aus dem Unternehmensgegenstand (Gebrauchtwagenhandel) und dem Umstand, dass es sich hiebei um ein Grundhandelsgewerbe handelt, nicht abgeleitet werden, dass das Erfordernis eines kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetriebes gegeben sei, ist doch nur bei Grundhandelsgewerben zu prüfen, ob Minderkaufmannseigenschaft vorliegt. Eine die Zulässigkeit der Revision begründende krasse, den Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verlassende Fehlbeurteilung kann die Revision jedenfalls nicht aufzeigen.
29 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. Juni 2020
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