VwGH Ra 2017/11/0042

VwGHRa 2017/11/004210.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des J P B in A, vertreten durch Dr. Franz Essl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Mühlbacherhofweg 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. Jänner 2017, Zl. 405-4/887/1/6-2017, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und weitere Maßnahmen nach dem FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25;
FSG 1997 §7;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde - dem Revisionswerber gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 iVm § 25 Abs. 1 dritter Satz und § 26 Abs. 2 Z 1 FSG die Lenkberechtigung für 24 Monate entzogen, ausgesprochen, dass ihm bis 1. Juni 2018 keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf und begleitende Maßnahmen nach dem FSG angeordnet.

2 Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes zu Grunde: Dem Revisionswerber sei bereits mehrfach die Lenkberechtigung entzogen worden, nämlich von 11. Oktober 2005 bis 11. November 2005 (wegen eines Verstoßes nach § 99 Abs. 1b StVO 1960), von 12. November 2005 bis 12. Februar 2006 (wegen eines Verstoßes nach § 37 Abs. 4 FSG) und vom 4. September 2006 bis 4. Februar 2007 (wegen eines Verstoßes nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960).

3 Am 17. Mai 2016 habe der Revisionswerber in einem stark durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (mit 2,4 Promille Blutalkoholgehalt) ein Kraftfahrzeug gelenkt, sei vor einer Polizeikontrolle geflüchtet und habe während der etwa 20-minütigen Fluchtfahrt eine Gefahr für Leben, Gesundheit und körperliche Sicherheit von entgegenkommenden Fahrzeuglenkern herbeigeführt, indem er diese abdrängte bzw. mit weit überhöhter Geschwindigkeit und ohne auf den Verkehr zu achten auf eine bevorrangte Straße einbog. Bei dieser Fahrt habe er auch vorsätzlich zwei Verkehrsunfälle mit Sach- und Personenschäden verursacht, indem er zwei Polizeifahrzeuge gerammt habe, wodurch drei Polizeibeamte zum Teil schwer verletzt worden seien.

4 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes aus: Gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 5 FSG ergebe sich im vorliegenden Fall eine Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten. Dies stehe dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum aber nicht entgegen, wenn Umstände vorlägen, die aufgrund ihrer Verwerflichkeit und Gefährlichkeit die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit über einen darüber hinausreichenden Zeitraum rechtfertigten. Abgesehen von den drei Vorentzügen seien im Revisionsfall weitere bestimmte Tatsachen iSd § 7 Abs. 3 Z 3 FSG zu berücksichtigen: Der Revisionswerber habe bei seiner Fluchtfahrt mehrfach besonders gefährliche Verhältnisse herbeigeführt und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die maßgebenden Vorschriften verstoßen. § 26 Abs. 2a FSG gebe schon im Fall der erstmaligen Verwirklichung einer Übertretung nach § 7 Abs. 3 Z 3 FSG eine Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten vor; die vom Revisionswerber während seiner Alkoholfahrt begangenen Tathandlungen zur Herbeiführung besonders gefährlicher Verhältnisse steigerten die Verwerflichkeit seines Verhaltens beträchtlich. Die von ihm begangene mehrfache schwere Körperverletzung stelle eine weitere im Rahmen der Wertung nach § 7 Abs. 4 FSG zu beurteilende bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 9 FSG dar, wobei besonders verwerflich sei, dass die Taten gerade im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeugs durch vorsätzliches Rammen von zwei Polizeifahrzeugen begangen worden seien. Die Verwerflichkeit des Gesamtverhaltens werde noch durch die Fahrerflucht nach dem vorsätzlich verschuldeten Verkehrsunfall (bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 5 FSG) gesteigert. Schließlich falle der erhebliche, massiv über dem Grenzwert nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 liegende Alkoholisierungsgrad zu Lasten des Revisionswerbers ins Gewicht. Zu seinen Gunsten sei lediglich der etwa neunjährige Wohlverhaltenszeitraum seit der letzten Entziehung zu werten. Insgesamt sei die von der belangten Behörde angenommene Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit in der Dauer von etwa 24 Monaten unbedenklich, die vorgenommene Entziehung daher zu bestätigen gewesen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Ausgehend davon ist die vorliegende Revision nicht zulässig: Ihre Zulässigkeitsbegründung macht geltend, die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sei uneinheitlich. Es gebe nämlich "extreme Abweichungen bei der Entziehungsdauer bei annähernd vergleichbaren Verstößen und Sachverhalten" und es sei "zumindest bei unterschiedlichen Verstößen kein Verhältnis herzustellen". Die Revision verweist dazu auf das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/11/0013, in dem der Entzug der Lenkberechtigung für 14 Monate bei einem Alkoholisierungsgrad von 2,54 Promille als zu lang beurteilt worden sei, obwohl der dort Betroffene zuvor bereits zweimal - beinahe elf Jahre zurück liegende - Alkoholdelikte begangen habe. Demgegenüber sei im Erkenntnis vom 25. Februar 2003, Zl. 2003/11/0017, eine Entziehungsdauer von 60 Monaten in einem Fall gutgeheißen worden, in dem der Betroffene einen Alkoholisierungsgrad von 1,74 Promille aufgewiesen und bereits viermal ein Alkoholdelikt (mehr als vier Jahre zurückliegend) begangen habe. Zudem sei im Erkenntnis vom 27. Februar 2004, Zl. 2002/11/0036, eine Entziehungsdauer von 36 Monaten bei Verweigerung des Alkoholtests und drei (knapp fünf Jahre zurück liegenden) Vordelikten als gerechtfertigt angesehen worden. Daraus ergäben sich, so die Revision weiter, "erhebliche Abweichungen bei der Höhe der Entziehungsdauer".

10 Mit diesem Vorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die vorliegende Revision von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt, weil die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet worden sei.

11 Zunächst ist der Revision zu erwidern, dass die den angesprochenen Erkenntnissen zu Grunde liegenden Fälle schon wegen der jeweils unterschiedlichen Sachverhaltskonstellation (hinsichtlich Alkoholisierungsgrad, Anzahl und Schwere von Vordelikten, Zeitraum des Wohlverhaltens) nicht miteinander vergleichbar sind. So hat sich der Betroffene im Fall des Erkenntnisses Zl. 2004/11/0013, dem insgesamt zwei Alkoholvordelikte zur Last lagen, über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren nach der letzten Vorentziehung wohlverhalten, während der im Fall Zl. 2003/11/0017 Betroffene vier Vordelikte aufwies und weniger als drei Jahre nach der letzten (24 Monate dauernden) Vorentziehung wiederum ein schweres Alkoholdelikt beging.

12 Zudem ist zu betonen, dass die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung nach dem Gesetz eine begründete Prognose über die Dauer des Mangels der Verkehrsunzuverlässigkeit des von der Maßnahme Betroffenen widerzuspiegeln hat, weil die Entziehung der Lenkberechtigung nur für einen solchen Zeitraum zulässig und geboten ist, für den schlüssig begründet werden kann, dass auf Grund bestimmter Tatsachen im Sinne des § 7 FSG der Betreffende nicht verkehrszuverlässig ist (vgl. nur etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2011, Zl. 2010/11/0142, mwN).

13 Bei der danach zu treffenden Entscheidung handelt es sich um das Ergebnis einer Gesamtabwägung unterschiedlicher, allenfalls gegenläufiger Faktoren, das damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Oktober 2016, Zl. Ro 2015/03/0035, vom 8. September 2016, Zl. Ro 2015/11/0016, und vom 8. November 2016, Zl. Ra 2016/11/0144, je mwN).

14 Die Revision zeigt nicht auf, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das die Bemessung der Entziehungsdauer insbesondere auf die vom Revisionswerber während der Alkoholfahrt begangenen gerichtlich strafbaren Handlungen (ua Gefährdung der körperlichen Sicherheit, vorsätzliche schwere Körperverletzung von einschreitenden Polizeibeamten durch Rammen deren Fahrzeuge) gestützt hat, außerhalb der danach gezogenen Leitlinien stünde.

15 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Mai 2017

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