Normen
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200590.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Dem Revisionswerber wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25. Oktober 2011 der Status des subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich seines Herkunftsstaates Afghanistan zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24. Oktober 2012 erteilt.
2 Infolge von Anträgen auf Verlängerung gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) wurden dem Revisionswerber befristete Aufenthaltsberechtigungen mit Bescheiden vom 15. Oktober 2012, 18. Oktober 2013, 14. Oktober 2015 und letztmalig mit Bescheid vom 9. November 2016 bis zum 24. Oktober 2018 erteilt.
3 Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. März 2019 wurde der Revisionswerber zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG, des Vergehens des Suchgifthandels nach § 27 Abs. 1 vierter, fünfter und sechster Fall SMG sowie wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG verurteilt.
4 Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab, entzog ihm die mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25. Oktober 2011 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise. Unter einem wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag vom 22. August 2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab und erließ ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG. 5 Die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass gegen den Revisionswerber ein unbefristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG erlassen werde. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
6 Mit Beschluss vom 9. Oktober 2019, E 3625/2019-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat dieselbe dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
7 Gegen das angeführte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichte s richtet sich nunmehr die vorliegende außerordentliche Revision. 8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus (§ 8 Abs. 1 leg. cit.) nicht oder nicht mehr vorliegen.
12 Die Heranziehung des zweiten Tatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN).
13 Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich dabei auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381, mwN).
14 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat, dürfen bei Hinzutreten neuer Umstände (nach der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung) im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben. Bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sind daher nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0496, mwN).
15 Ausgehend davon vermag der Revisionswerber mit seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision, die Behörde habe es unterlassen, ihren Entscheidungen über die Anträge auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eine bereits im Akt befindliche Länderinformation zugrunde zu legen, kein Abweichen von der oben dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen. So ist bei der nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 vorzunehmenden umfassenden Betrachtung die Berücksichtigung von Tatsachen, die sich vor Erlassung der Zuerkennungsentscheidung ereignet haben, nicht von vornherein ausgeschlossen. Die vom Bundesverwaltungsgericht getroffene Annahme, dass sich persönliche Umstände des Revisionswerbers in relevanter Weise geändert hätten, wird vom Revisionswerber nicht bekämpft.
16 Weiters ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 10.1.2010, Ra 2019/20/0582). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276, mwN).
17 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer solchen Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0060, mwN). Inwiefern die Rechtsprechung diesbezüglich uneinheitlich sei, vermag die Revision (Hinweise auf VwGH 16.10.2014, Ra 2014/21/0039; 22.1.2015, Ra 2014/21/0052; 19.5.2015, Ra 2014/21/0057) nicht aufzuzeigen.
18 Das unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Revisionswerbers (insbesondere auch des in der Revision vorgebrachten Gesinnungswandels) vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung erzielte Ergebnis kann angesichts der dem Revisionswerber zur Last liegenden mehrfach qualifizierten Straftaten (ua. grenzüberschreitender Drogenhandel, Weitergabe von Suchtgift an Minderjährige) nach dem SMG, die letztlich eine rechtskräftige Verurteilung zu vier Jahren Freiheitsstrafe nach sich zogen, jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden. 19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. März 2020
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