VwGH Ra 2019/17/0029

VwGHRa 2019/17/002915.4.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Dr. Koprivnikar und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der T S in D L, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. August 2018, LVwG-S-1826/001-2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Horn),

1. zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §14 Abs3
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VStG §44a Z5
VStG §64
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §52
12010E267 AEUV Art267
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019170029.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 14. Juli 2017 wurde die Revisionswerberin als handelsrechtliche

Geschäftsführerin und damit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft wegen einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz (G SpG) schuldig erkannt und "gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG)" über sie eine Geldstrafe (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Die Revisionswerberin habe zu verantworten, dass diese Gesellschaft in einem näher genannten Lokal Glücksspiele in Form von verbotenen Ausspielungen mit einem in diesem Lokal aufgestellten näher individualisierten Gerät veranstaltet habe.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen, der Revisionswerberin die Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt und gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 1. Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 21.2.2019, Ra 2019/17/0002; 17.7.2019, Ra 2019/17/0045, jeweils mwN).

5 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 2.2. Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision hinsichtlich des Schuldausspruches ist zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C- 390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 . 10 Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch die Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotterienkonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang stellt sich daher vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

11 2.3. Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass sich die Revision in diesem Umfang als unzulässig erweist. Die Revision war daher in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

12 3.1. Demgegenüber erweist sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zur Anführung der korrekten Strafsanktionsnorm im Spruch im Umfang der Überprüfung des Strafausspruches als zulässig und begründet:

13 Die hg. Rechtsprechung räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint. Gleiches gilt für die Anführung der Strafnorm nach § 44a Z 3 VStG. Darunter ist jene Verwaltungsvorschrift zu verstehen, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. wiederum VwGH 21.2.2019, Ra 2019/17/0002; 17.7.2019, Ra 2019/17/0045).

14 Das Verwaltungsgericht hat daher insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil z.B. die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen oder richtigzustellen (vgl. zu § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG und § 52 Abs. 2 GSpG neuerlich VwGH 21.2.2019, Ra 2019/17/0002; 16.7.2019, Ra 2018/17/0156; jeweils mwN).

15 Im vorliegenden Fall kommt bei einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit einem Glückspielgerät nur die Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 2 erster Strafsatz GSpG in Betracht. 16 Das Verwaltungsgericht hat die Strafsanktionsnorm trotz des fehlerhaften Abspruchs im Straferkenntnis nicht korrigiert. 17 3.2. Das angefochtene Erkenntnis ist daher in Bezug auf die fehlende Strafsanktionsnorm im Umfang des Ausspruches über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. dazu etwa VwGH 1.4.2019, Ra 2018/17/0200, mwN). 18 3.3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. April 2020

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