VwGH Ra 2019/17/0045

VwGHRa 2019/17/004517.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der G L in N, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 19. Februar 2019, LVwG-S-2202/001-2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf):

1. zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §14 Abs3
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGG §42 Abs2 Z1
12010E056 AEUV Art56
12010E267 AEUV Art267
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
62015CJ0685 Online Games VORAB
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019170045.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 4. September 2018 wurde die Revisionswerberin der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall Glücksspielgesetz (GSp G) schuldig erkannt. Es wurden über sie gemäß "§ 52 Abs. 1 Z 1" GSpG zwei Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 2.500,-- (sowie zwei Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Weiters wurde ihr ein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens vorgeschrieben. Begründend führte die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf zur Strafbemessung aus, es sei eine Vormerkung als erschwerend gewertet worden.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Es verpflichtete die Revisionswerberin zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das LVwG zur Strafbemessung u.a. aus, dass die belangte Behörde eine "einschlägige Vorstrafe" als erschwerend gewertet habe, das LVwG werte zusätzlich die lange Dauer der Aufstellung sowie die einschlägige Vormerkung als erschwerend. Die im Straferkenntnis verhängten Strafen seien neben spezialpräventiven Gründen insbesondere aus generalpräventiven Gründen notwendig; eine noch niedrigere Strafe wäre keine geeignete Abschreckung.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 26.7.2018, Ra 2017/17/0804, mwN).

9 Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision hinsichtlich des Schuldspruchs ist zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes zunächst darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff.). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 . 10 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C- 685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff).

11 Entgegen dem Revisionsvorbringen steht auch das in § 14 Abs. 3 GSpG enthaltene Erfordernis eines inländischen Sitzes für den Erhalt einer Konzession nicht mit Unionsrecht im Widerspruch. Da § 14 Abs. 3 dritter Satz GSpG von diesem Erfordernis bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch eine Ausnahme enthält, werden mit dieser Bestimmung keine der unionsrechtlichen Vorgaben verletzt: Zwar stellt auch die Notwendigkeit der Erfüllung der Voraussetzungen für eine Nachsicht von der Sitzverpflichtung - nämlich eine vergleichbare Lotterienkonzession und eine vergleichbare staatliche Glücksspielaufsicht in dem Mitgliedstaat (der EU bzw. des EWR), in dem der Konzessionswerber seinen Sitz hat - eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Diese Beschränkung in § 14 Abs. 3 GSpG ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und genügt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben (vgl. dazu näher VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 34 ff). In diesem Zusammenhang wurde somit auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, sodass die Revision diesbezüglich zurückzuweisen ist. 12 Demgegenüber erweist sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zur Anführung der korrekten Strafsanktionsnorm im Spruch im Umfang der Überprüfung des Strafausspruches als zulässig und begründet:

13 Die hg. Rechtsprechung räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige Verwaltungsvorschrift aufscheint, die bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (§ 44a Z 3 VStG). Im vorliegenden Fall kommt bei Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG die Strafsanktionsnorm des § 52 Abs. 2 GSpG in Betracht. Im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses und - aufgrund der Abweisung der Beschwerde - somit auch des angefochtenen Erkenntnisses wurde als Strafsanktionsnorm § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG angeführt. Im Rahmen der Begründung ging das LVwG weiters davon aus, dass der Strafrahmen von EUR 1.000,-- bis zu EUR 10.000,-- anzuwenden sei, führte jedoch weiters ohne nähere Begründung aus, dass eine "einschlägige Vorstrafe" als erschwerend zu werten sei. 14 Das Verwaltungsgericht hat insoweit, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides fehlerhaft ist, weil z.B. die angewendeten Gesetzesstellen unrichtig oder unvollständig zitiert wurden, dies in seinem Abspruch zu ergänzen bzw. richtigzustellen (vgl. zu § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG und § 52 Abs. 2 GSpG z. B. VwGH 21.2.2019, Ra 2019/17/0002).

15 Das LVwG hat die Strafsanktionsnorm trotz des fehlerhaften

Abspruchs im Straferkenntnis nicht korrigiert.

16 Das angefochtene Erkenntnis ist daher in Bezug auf die fehlende Strafsanktionsnorm im Umfang des Ausspruches über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des verwaltungsbeh��rdlichen Strafverfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. VwGH 21.9.2018, Ra 2017/17/0735).

17 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. Juli 2019

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