VwGH Ra 2019/06/0092

VwGHRa 2019/06/009225.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision 1. des H H und 2. der L H, beide in G und beide vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Domplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 13. März 2019, LVwG 50.21-907/2018-32, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt Graz; mitbeteiligte Partei: C GmbH in G, vertreten durch Scherbaum & Seebacher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 2; weitere Partei:

Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Stmk 1995 §13 Abs3
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060092.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Stadtsenates der Stadt G. (in der Folge: belangte Behörde) vom 20. Juni 2014 wurde der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung zur plan- und beschreibungsgemäßen Errichtung eines Wohnhauses mit 7 Wohneinheiten und 3 PKW-Stellplätzen auf dem Grst. Nr. X der KG J. erteilt. Dieser Bescheid, mit welchem gemäß dem eingereichten Projekt nach § 13 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) der Anbau des neu zu errichtenden Wohnhauses an der südlichen Grundgrenze des Baugrundstückes (und damit an der nördlichen Grundgrenze der Grundstücke mit den Grst. Nrn. Y/1 und Y/2, KG J., der Revisionswerber und gleichzeitig an dem an der dortigen Grundgrenze situierten Wohnhaus) bewilligt wurde, erwuchs in Rechtskraft.

2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 2015 wurde der mitbeteiligten Partei eine für das Revisionsverfahren nicht relevante baubehördliche Änderungsbewilligung in Bezug auf die oben genannte Bewilligung vom 20. Juni 2014 erteilt. 3 Das beantragte Objekt wurde in der Folge errichtet; im Zuge der Bauausführung wurde der Neubau dabei projektgemäß an der südlichen Grundgrenze des Baugrundstückes (und damit gleichzeitig am Wohnhaus der Revisionswerber) in gekuppelter Bauweise angebaut, wobei in einem bestimmten, nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (in der Folge: LVwG) im angefochtenen Erkenntnis 1,44 m2 großen und auf der Höhe der Decke über dem Erdgeschoss situierten, Bereich eine Aussparung der südlichen Brandwand in Form eines Rücksprunges (wiederum nach den Feststellungen des LVwG) von 58 cm Tiefe, 70 cm Höhe und einer Länge von 2,05 m errichtet wurde; dies aus dem Grund, da, wie vom LVwG im angefochtenen Erkenntnis ebenfalls festgestellt, die Dachtraufe des Wohnhauses der Revisionswerber in diesem Bereich in das Baugrundstück reicht.

4 Am 30. Juli 2015 und am 4. September 2015 wurden von der mitbeteiligten Partei bei der Baubehörde Bauansuchen um Änderung des bewilligten Bauvorhabens eingebracht; unter anderem wurde im Zuge dessen die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung des oben genannten Rücksprunges in der südlichen Brandwand des Bauvorhabens beantragt.

5 Mit Bescheid vom 26. Februar 2018 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die beantragte Änderungsbewilligung unter der Vorschreibung näher bezeichneter Auflagen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das LVwG die von den Revisionswerbern dagegen eingebrachte Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe der Bezugnahme auf die dem angefochtenen Erkenntnis zugrundegelegten Planunterlagen, sowie mit der Maßgabe, dass die dort planlich dargestellte Ausgestaltung der Brandwand im Untergeschoss im Sinne des § 82 Abs. 3 Stmk. BauG als zulässig erkannt werde, als unbegründet ab (I.) und sprach gleichzeitig aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (II.).

7 Begründend führte das LVwG hierzu zusammengefasst aus, das Wohngebäude der Revisionswerber sei rechtmäßiger Bestand im Sinne des § 40 Abs. 1 Stmk. BauG. Dabei stelle die nördliche Gebäudefront dieses Gebäudes, entgegen der Auffassung der Revisionswerber, wonach der Dachsaum die Grundgrenze bilde, nach den Ergebnissen des durch das LVwG durchgeführten Ermittlungsverfahrens die nördliche Grundgrenze des Grundes der Revisionswerber dar. Der Dachvorsprung des Objektes der Revisionswerber, welcher ins Baugrundstück rage, verunmögliche den vertikal durchgehenden unmittelbaren Anbau der südlichen Außenmauer des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens und bedinge bzw. erfordere einen "Rücksprung" im Bereich dieser Dachtraufe. Dieser Rücksprung, bzw. diese Aussparung sei (neben anderen Änderungen) der von den Revisionswerbern aus ihrer Sicht als nicht genehmigungsfähig monierte Gegenstand des verfahrensgegenständliche n Änderungsvorhabens. Das beantragte Vorhaben stelle sich als Zu- und Umbau zum rechtskräftig genehmigten Wohnobjekt dar, dessen südliche Außenmauer als unmittelbarer vertikal durchgehender Anbau an das Gebäude der Revisionswerber rechtskräftig genehmigt sei. Da dieser vertikal durchgehende Anbau der südlichen Außenmauer aufgrund der bestehenden Dachtraufe des Wohnhauses der Revisionswerber nicht zur Gänze möglich gewesen sei, sei bei der tatsächlichen Ausführung ein Rücksprung erforderlich gewesen, für welchen mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag nachträglich um Bewilligung angesucht worden sei. Zur Frage des Vorliegens einer gekuppelten Bauweise führte das LVwG mit näherer Begründung zusammengefasst aus, das Maß an Überdeckung sei im gegenständlichen Fall nicht als derart gering zu betrachten, dass ein Aneinanderbauen nicht gegeben sei. Hinsichtlich der brandschutztechnischen Ausführung stellte das LVwG weiters unter Bezugnahme auf die Ausführungen des dem Verfahren beigezogenen bautechnischen Amtssachverständigen fest, dass die unmittelbar an das Wohnhaus der Revisionswerber anbauende südliche Gebäudefront zur Gänze als den baurechtlichen (Verweis auf § 52 Stmk. BauG) und bautechnischen Vorgaben für den vorbeugenden Brandschutz entsprechende Brandwand projektiert sei, sodass die Schutzinteressen der Revisionswerber diesbezüglich gewahrt seien. 8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. In den zur Zulässigkeit der Revision vorgetragenen Gründen bringen die Revisionswerber vor, es gebe keine Rechtsprechung "zu den aufgeworfenen Fragen der Einschreiter", "inwieweit bei der gekuppelten Bauweise ein Rücksprung einer Brandwand zulässig ist und daher durchgehend nicht von einer gekuppelten Bauweise ausgegangen werden kann, wie die Vorfragenbeurteilung gemäß § 38 AVG bei strittigen Grundgrenzen zu erfolgen hat, wie die Bestimmung des § 13 Abs 1 Steiermärkische Bauordnung hinsichtlich des spitzen Winkels zwischen Gebäudefronten exakt auszulegen ist, in welchem Verhältnis der Anbau eines Neubaues zu einem Altbestand zulässig ist (Überdeckung) und schließlich inwieweit bei Nichtvorliegen der Brandschutzklasse A2 durch einen anderwärtigen Aufbau Rechnung getragen werden kann".

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

12 Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 23.6.2015, Ra 2015/05/0041, mwN).

13 Dabei wird dem in § 28 Abs. 3 VwGG normierten Erfordernis, dass die Revision gesondert die Gründe zu enthalten hat, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan. Vielmehr ist in den gesonderten Gründen konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Außerdem muss die Revision, damit sie zulässig ist, gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängen. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. für viele etwa VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0075, mwN).

14 Wie der Verwaltungsgerichtshof weiters bereits vielfach ausgesprochen hat, ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. für viele z.B. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0007, mwN). Die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG setzt in diesem Zusammenhang voraus, dass die in dieser Bestimmung genannte Rechtsfrage eine solche ist, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zumindest möglich ist (vgl. dazu etwa VwGH 5.11.2019, Ra 2019/06/0238, mwN).

15 Mit der gegenständlichen, bloß pauschalen Aneinanderreihung von Rechtsfragen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision, ohne Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt und ohne Darlegung, aus welchem Grund das rechtliche Schicksal der Revision von einer oder mehrerer der aufgeworfenen Fragen abhängen sollte, wird im Hinblick auf das oben Gesagte bereits den Anforderungen an die gesetzmäßige Ausführung einer außerordentlichen Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG nicht entsprochen.

16 Zur Klarstellung ist jedoch auf Folgendes hinzuweisen:

17 Das LVwG hat im vorliegenden Verfahren umfangreiche

Ermittlungen zur Feststellung des Grenzverlaufes zwischen den Grundstücken der Revisionswerber mit den Grst. Nrn. Y/1 und Y/2, und dem Baugrundstück, Grst. Nr. X, alle KG J., angestellt, und im angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in freier Beweiswürdigung festgestellt, dass die nördliche Gebäudefront des Wohnhauses des Revisionswerber als Grundgrenze zwischen den genannten Grundstücken anzusehen ist (zur Frage des Grenzverlaufes als Vorfrage gemäß § 38 AVG im Baubewilligungsverfahren vgl. etwa VwGH 15.12.2016, Ro 2014/06/0032, 15.5.2012, 2010/05/0095, oder auch 27.1.2004, 2002/05/0769, jeweils mwN). Dazu kommt, dass, wie das LVwG im angefochtenen Erkenntnis ebenfalls festgestellt hat, der unmittelbare Anbau des verfahrensgegenständlichen Objektes am bestehenden Wohnhaus der Revisionswerber und damit gemäß § 13 Abs. 3 Stmk. BauG an der Grundgrenze zwischen dem Baugrundstück und den Grundstücken der Revisionswerber bereits mit Bescheid vom 20. Juni 2014 rechtskräftig bewilligt wurde und diese Frage daher nicht mehr Genehmigungsgegenstand des vorliegenden Änderungsverfahrens ist. Auch dazu enthält die Revision kein Zulässigkeitsvorbringen.

18 Hinsichtlich der Möglichkeit des unmittelbaren Aneinanderbauens an der Grundgrenze im Sinne des § 13 Abs. 3 Stmk. BauG in einer Sachverhaltskonstellation wie der vorliegenden (in welcher ein Teil des Daches des Nachbarhauses über die Grundgrenze in das Baugrundstück ragt) ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Stmk. BauG hinzuweisen, wonach auch das Bestehen von Fenstern in einem Teil einer an einer Grundstücksgrenze befindlichen Mauer das Anbauen eines anderen Gebäudes an diese Mauer nicht zur Gänze ausschließt. Vielmehr ist in einem solchen Fall ein Anbau außerhalb des Bereiches des betreffenden Fensters zulässig, da selbst in einem Fall der Ausnahmebestimmung des § 13 Abs. 3 letzter Satz Stmk. BauG nicht anzunehmen ist, dass die Existenz von Fenstern in einem Bereich der Mauer das Anbauen überhaupt verhindert (vgl. VwGH 25.11.2015, 2013/06/0123, und 27.5.1999, 98/06/0138). Zur Frage der rechtmäßigen Ausführung einer gekuppelten Bebauungsweise sind die Revisionswerber im Übrigen der Feststellung des LVwG im angefochtenen Erkenntnis, wonach es sich gegenständlich trotz des Rücksprunges nicht bloß um einen geringen Grad der Überdeckung handelt (vgl. hierzu etwa VwGH 27.11.2007, 2006/06/0257) in den Zulässigkeitsgründen der Revision ebenfalls nicht entgegengetreten.

19 In der Revision werden damit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 25. Februar 2020

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