VwGH Ra 2019/22/0096

VwGHRa 2019/22/009617.6.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache 1. der E J, 2. des P J, und

3. des A V, alle vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 24. Jänner 2019, 1. VGW- 151/064/9366/2018-25, 2. VGW-151/064/9367/2018-25 und 3. VGW- 151/064/9368/2018-25, jeweils betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

NAG 2005 §11 Abs1 Z4
NAG 2005 §11 Abs2 Z1
NAG 2005 §46 Abs1 Z2 lita

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220096.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- und Drittrevisionswerber; alle sind serbische Staatsangehörige.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde der Erstrevisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juni 2018, mit dem - unter amtswegiger Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren - der Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) sowie die Verlängerungsanträge vom 19. Mai 2015 und vom 6. Mai 2016 nach § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG abgewiesen worden waren, den Erstantrag der Erstrevisionswerberin wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe gemäß den §§ 11 Abs. 1 Z 4, 30 Abs. 1 NAG, sowie die Verlängerungsanträge der Erstrevisionswerberin mit der Maßgabe ab, dass die Antragsabweisung - nach deren Scheidung - auf § 11 Abs. 2 Z 1 NAG gestützt werde; die Beschwerden der Zweit- und Drittrevisionswerber wurden - nach amtswegiger Wiederaufnahme der Verfahren - mangels Vorliegen der Familienangehörigeneigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abgewiesen.

6 In der Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision vor, das VwG habe das (ein befristetes Aufenthaltsverbot nach dem Fremdengesetz betreffende) hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1997, 97/18/0097, nicht berücksichtigt, das im Sinn der Einheit des Rechtes und der einheitlichen Rechtsprechung auch im Bereich des NAG anzuwenden wäre. Darüber hinaus ergäbe sich aus der hg. Judikatur (Hinweis auf VwGH 19.6.2008, 2007/18/0149; 24.1.(richtig: 11.)2009, 2007/21/0011), dass eine Aufenthaltsehe nicht zwingend eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstelle. Den minderjährigen Zweit- und Drittrevisionswerbern dürfe die Aufenthaltsehe eines Elternteiles nicht angelastet werden.

7 Zunächst wird festgehalten, dass sich die Zulässigkeitsbegründung weder gegen die Wiederaufnahme der Verfahren noch gegen die Feststellung des Vorliegens einer Aufenthaltsehe richtet.

8 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung die vom VwG vorgenommene Gefährdungsprognose gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG gerügt wird, ist zu entgegnen, dass eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nach ständiger hg. Rechtsprechung nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2016/22/0099, mwN).

9 Ein Abweichen von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zeigt die Revision nicht auf und ist ein solches auch nicht zu erkennen. Das Vorliegen einer Aufenthaltsehe erfüllt den (absoluten) Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG; überdies kann aufgrund der von dem rechtsmissbräuchlichen Eingehen einer Ehe bewirkten Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens der Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG erfüllt sein (vgl. VwGH 2007/18/0149, das auch von den revisionswerbenden Parteien zitiert wurde). Dass - wie in dem dem hg. Erkenntnis 2007/18/0149 zugrunde liegenden Sachverhalt - der Behörde im vorliegend zu beurteilenden Fall die rechtsmissbräuchliche Eheschließung bereits vor Erteilung des Aufenthaltstitels bekannt gewesen wäre, wird von den revisionswerbenden Parteien nicht vorgebracht. Die Erstrevisionswerberin berief sich noch am 6. Mai 2016 in ihrem zweiten Verlängerungsantrag auf die als Aufenthaltsehe beurteilte Ehe. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt auch wesentlich von jenem, der dem hg. Erkenntnis 97/18/0097 (Eingehen der Aufenthaltsehe siebeneinhalb Jahren vor der Entscheidung) zugrunde lag. Auch aus dem hg. Erkenntnis 2007/21/0011 (Abweisung einer Beschwerde betreffend eine auf § 86 Abs. 2 iVm § 54 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 gestützte Ausweisung) ist für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen.

10 Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht lastete das VwG den Zweit- und Drittrevisionswerbern nicht das Eingehen einer Aufenthaltsehe durch die Erstrevisionswerberin an, sondern wies deren Anträge - nach amtswegiger Wiederaufnahme der Verfahren - mangels Vorliegen der Familienangehörigeneigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ab. Dies trifft im Übrigen auch auf die Erstrevisionswerberin zu. Da das VwG sein Erkenntnis in der Begründung auch auf dieses Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung stützte, kann die Revision schon deswegen nicht zum Erfolg führen.

11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Juni 2019

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