VwGH Ra 2019/21/0098

VwGHRa 2019/21/009822.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der T O in W, vertreten durch Dr. Johannes Pepelnik, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Czerninplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes

vom 6. März 2019, I404 2159217-2/2E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6
MRK Art8
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §24 Abs2
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210098.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine nigerianische Staatsangehörige, reiste spätestens im Mai 2008 nach Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit unbekämpft gebliebenem Bescheid vom 15. Jänner 2009 wegen der Zuständigkeit Italiens gemäß § 5 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen; unter einem wurde die Revisionswerberin nach Italien ausgewiesen.

2 Da die Revisionswerberin für die Behörde nicht greifbar war, konnte deren Überstellung nach Italien nicht durchgeführt werden. Am 11. Mai 2015 stellte die Revisionswerberin aber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 19. Juni 2017 - insbesondere in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung und der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung der Revisionswerberin nach Nigeria - vollinhaltlich abgewiesen. 3 In diesem Erkenntnis wurde u.a. Folgendes festgestellt:

"Die (Revisionswerberin) hat eine elfjährige Tochter, die in Nigeria geboren wurde und nach wie vor dort lebt. Auch die Geschwister und die Mutter der (Revisionswerberin) leben in Nigeria. ...

In der Folge (nach Erlassung des unter Rn. 1 genannten

Bescheides) verblieb die (Revisionswerberin) ohne Meldung eines

Wohnsitzes oder Bekanntgabe einer Abgabestelle ... im Bundesgebiet

...

Die (Revisionswerberin) ist in Österreich strafrechtlich

unbescholten. Sie hat in Österreich keine familiären

Anknüpfungspunkte ... und weist keine maßgeblichen

Integrationsbemühungen in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht auf. Sie ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Sie verfügt über keine Kenntnisse der deutschen Sprache."

4 Die weiterhin in Österreich verbliebene Revisionswerberin stellte in der Folge am 18. Jänner 2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Dabei machte sie - unter Vorlage einer mit 21. November 2017 datierten Bestätigung über die Ablegung der "A2-Prüfung" mit gutem Erfolg sowie einer Einstellungszusage - den "Erwerb der deutschen Sprache" und die Intensivierung ihrer sozialen Integration als maßgebliche Änderung gegenüber der Rückkehrentscheidung vom 19. Juni 2017 geltend. 5 Mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag - ohne Erlassung einer Rückkehrentscheidung - gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 6. März 2019 - gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aussprechend, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei - als unbegründet ab. 6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 In dieser Hinsicht macht die Revisionswerberin geltend, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es die Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung unterlassen habe.

9 In diesem Zusammenhang beruft sich die Revisionswerberin auf § 21 Abs. 7 BFA-VG und auf die dazu ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Damit vermag sie aber schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage aufzuzeigen, weil infolge der Zurückweisung ihres Antrags nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 die erwähnte Verfahrensbestimmung gar nicht einschlägig ist; die Frage des zulässigen Unterbleibens einer Beschwerdeverhandlung ist vielmehr auf Basis des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu beurteilen, wonach eine Verhandlung (u.a. dann) entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichtes, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Dieses Ermessen ist jedenfalls im Licht des Art. 6 EMRK - sowie des Art. 47 GRC - zu handhaben (VwGH 18.5.2017, Ra 2017/20/0118, Rn. 12; darauf verweisend aus jüngerer Zeit etwa VwGH 30.11.2018, Ra 2018/20/0526, Rn. 9). 10 Dass sich auch das BVwG im Rahmen seiner Begründung zur Unterlassung der beantragten Beschwerdeverhandlung nicht auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG berufen hat, ändert nichts an der Maßgeblichkeit dieser Bestimmung. Im Übrigen vermag die Revision aber selbst dann, wenn man den Fall am Boden des § 21 Abs. 7 BFA-VG beurteilen wollte - und ebenso unter dem Gesichtspunkt des zuvor angesprochenen Ermessens - keine unvertretbare Vorgangsweise des BVwG aufzuzeigen. Denn dass die Revisionswerberin Deutschkenntnisse besitzt (Ablegung der "A2-Prüfung") und eine Einstellungszusage vorweisen kann, hat schon das BFA in seinem Bescheid vom 30. Oktober 2018 festgestellt und wurde dann auch vom BVwG im angefochtenen Erkenntnis zu Grunde gelegt; insoweit lag entgegen der Revisionsansicht kein ungeklärter Sachverhalt vor. Soweit die Revisionswerberin dann weiter auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verweist, wonach einem zehnjährigem Inlandsaufenthalt bei der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK besondere Bedeutung zukommt, ist ihr aber entgegenzuhalten, dass ihr langjähriger Inlandsaufenthalt fallbezogen nur darauf zurückzuführen ist, dass sie nach Zurückweisung ihres ersten Antrags auf internationalen Schutz für eine Überstellung nach Italien nicht greifbar war und nach Beendigung ihrer "Obdachlosen-Meldung" im Jahr 2009 erst 2015 wieder melderechtlich in Erscheinung getreten ist. Insoweit erweist sich der mehr als zehnjährige Inlandsaufenthalt der Revisionswerberin nicht als wesentliches Kriterium (idS etwa VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0197, Rn. 9). Soweit in der Revision schließlich noch darauf hingewiesen wird, das BVwG hätte sich einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin verschaffen müssen, wird übersehen, dass es im vorliegenden Fall nur um eine Änderung der Verhältnisse gegenüber der Rückkehrentscheidung aus dem Juni 2017 geht. Dass insoweit ein persönlicher Eindruck von der Revisionswerberin Relevantes ergeben hätte, war schon in der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 30. Oktober 2018 nicht vorgebracht worden.

11 Vor diesem Hintergrund ist die erwähnte Rüge der Revisionswerberin in keinem Fall geeignet, einen revisiblen Verfahrensfehler aufzuzeigen. Aber auch die Beurteilung des BVwG, die geltend gemachten "Änderungstatsachen" seien für eine Neubewertung der Abwägung nach § 9 BFA-VG nicht ausreichend, erweist sich als vertretbar (vgl. etwa das schon vom BVwG zitierte Erkenntnis VwGH 10.12.2013, 2013/22/0362).

12 Als Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die Revision keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darzutun vermag. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 22. August 2019

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