VwGH Ra 2017/20/0118

VwGHRa 2017/20/011818.5.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Hainz-Sator und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Christl, in der Rechtssache der Revision des T K in G, vertreten durch Kocher & Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2017, Zl. L519 1438501- 4/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AVG §68 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
MRK Art6;
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §24 Abs2;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §24;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017200118.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Am 26. April 2013 stellte der aus der Türkei stammende Revisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. Oktober 2013 sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005) als des subsidiär Schutzberechtigten (gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005) ab. Unter einem wies die Behörde den Revisionswerber (gestützt auf § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung) aus dem Bundesgebiet in die Türkei aus. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. Dezember 2013 als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss vom 11. Juni 2014 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab.

2 Am 2. März 2016 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Er brachte zusammengefasst vor, bereits bei seiner ersten Vernehmung (anlässlich seiner ersten Antragstellung) angegeben zu haben, dass gegen ihn in der Türkei ein Haftbefehl bestehe. Er habe aber damals keine Beweise vorgelegen können. Nunmehr verfüge er über Übersetzungen "der Dokumente". Daraus ergebe sich, dass ihm vorgeworfen werde, Propagandatätigkeiten für eine illegale Terrororganisation vorgenommen und staatliches Eigentum beschädigt zu haben. Dies sei wohl darauf zurückzuführen, dass sich der Revisionswerber während seiner früheren Tätigkeit als Lehrer für die Rechte der Kurden und die kurdische Politik "interessiert" habe. Wegen dieser "Vorgeschichte" fürchte er sich auch vor der Ableistung des - von ihm bislang nicht absolvierten - Militärdienstes in der Türkei.

3 Aus den vorgelegten Verfahrensakten ergibt sich, dass das Asylverfahren des Revisionswerbers vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durch Aushändigung einer "Aufenthaltsberechtigungskarte weiß (§ 51 AsylG)" gemäß § 28 Abs. 1 AsylG 2005 zugelassen wurde.

4 Mit Bescheid vom 1. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Es sprach ferner aus, dass kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 erteilt werde. Weiters erließ die Verwaltungsbehörde gegen den Revisionswerber gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht eingeräumt.

5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, ohne die vom Revisionswerber beantragte Verhandlung durchzuführen, als unbegründet ab. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es habe "trotz substantiierter Bekämpfung der Feststellungen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl den zugrundeliegenden Sachverhalt im Fall des RW als geklärt iSd §§ 21 Abs. 7 BFA-VG iVm 24 VwGVG angenommen und - trotz eines entsprechenden Antrags in der Beschwerde - von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen". Erkennbar bezieht sich der Revisionswerber in seinen weiteren Ausführungen zum einen - in Bezug auf die Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz, soweit ihm der Status des Asylberechtigten (weiterhin) versagt geblieben ist - auf die von ihm vorgelegte Kopie eines Haftbefehles, zum anderen auf die vom Bundesverwaltungsgericht - im Rahmen der Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig ist - durchgeführte Interessenabwägung.

10 § 24 VwGVG (samt Überschrift) lautet:

"Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

  1. 2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
  2. 3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

§ 21 Abs. 7 BFA-VG (samt Überschrift) hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 21. (1) (...)

(7) Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG."

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem - auch vom Revisionswerber ins Treffen geführten - Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018, unter Pkt. 3.2. der dortigen Entscheidungsgründe in Bezug auf § 21 Abs. 7 letzter Satz BFA-VG festgehalten:

"Für den Anwendungsbereich der vom BFA-VG erfassten Verfahren enthält nun § 21 Abs. 7 BFA-VG eigene Regelungen, wann - auch:

trotz Vorliegens eines Antrages - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann. Lediglich ‚im Übrigen' sollen die Regelungen des § 24 VwGVG anwendbar bleiben. Somit ist bei der Beurteilung, ob in vom BFA-VG erfassten Verfahren von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden kann, neben § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG in seinem Anwendungsbereich allein die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG, nicht aber die bloß als subsidiär anwendbar ausgestaltete Norm des § 24 Abs. 4 VwGVG (vgl. Lukan, Die Abweichung von einheitlichen Verfahrensvorschriften im verwaltungsbehördlichen Verfahren und im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz, ZfV 2014/2, 23), als maßgeblich heranzuziehen."

12 Vor diesem Hintergrund ist zunächst festzuhalten, dass auch in nach dem BFA-VG zu führenden Verfahren die Abs. 1 bis 3 und der Abs. 5 des § 24 VwGVG anzuwenden sind. Soweit es die Zurückweisung des vom Revisionswerber gestellten Antrages auf internationalen Schutz betrifft, ist hier auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu verweisen, wonach die Verhandlung (ua. dann) entfallen kann, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist (vgl. in diesem Sinn schon den hg. Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0116). In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. November 2014, Ra 2014/07/0052, und vom 18. Oktober 2016, Ro 2015/03/0029, sowie den hg. Beschluss vom 3. August 2016, Ra 2016/07/0058). Dieses Ermessen ist jedenfalls im Lichte des Art. 6 EMRK zu handhaben (vgl. den hg. Beschluss vom 29. September 2015, Ra 2015/05/0050). Dies gilt sinngemäß auch für Art. 47 GRC (vgl. in diesem Sinn nochmals den genannten Beschluss Ra 2015/05/0050, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der dortige Fall nicht in den Anwendungsbereich der GRC falle).

Dass insoweit das Verfahren fehlerhaft geblieben ist, zeigt die Revision mit ihrem nicht näher konkretisierten Vorbringen nicht auf.

Zudem ist den Revisionsausführungen zu entgegnen, dass die Verwaltungsbehörde tragend davon ausgegangen ist, dass selbst nach den Behauptungen des Revisionswerbers der in Rede stehende Haftbefehl bereits vor Rechtskraft der Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz entstanden sei. Das dem Revisionswerber (behauptetermaßen) nach dieser Entscheidung zugekommene Beweismittel führe nicht zu einem seit dieser Entscheidung neu entstandenen geänderten Sachverhalt. Dem ist der Revisionswerber in seiner Beschwerde - entgegen den Ausführungen in der Revision - nicht substantiiert entgegen getreten.

13 Was die Erlassung der Rückkehrentscheidung anlangt, gelingt es dem Revisionswerber nicht darzulegen, dass nach § 21 Abs. 7 BFA-VG von der beantragten Verhandlung nicht hätte Abstand genommen werden dürfen. Zum einen enthält nämlich das angefochtene Erkenntnis zum Teil die vom Revisionswerber vermissten Feststellungen; wenn auch disloziert bei den Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung. Zum anderen erweist sich das Vorbringen teilweise als für die hier anzustellende Interessenabwägung nicht weiter entscheidungsrelevant, sodass es dazu keiner weiteren oder anderen Feststellungen bedurfte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Februar 2017, Ra 2017/21/0028, mwN).

14 Die Revision war sohin gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

Wien, am 18. Mai 2017

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