VwGH Ra 2019/20/0188

VwGHRa 2019/20/01888.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des D A in S, vertreten durch Dr. Johannes Rudolf Neumann, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 21a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 2019, Zl. G312 2177004-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200188.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 18. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er zusammengefasst aus, er habe als Soldat gegen den Islamischen Staat (IS) gekämpft und fürchte, vom IS ermordet zu werden. Nachdem seine Eltern und seine Gattin bei einer Explosion ums Leben gekommen seien, sei er geflüchtet, um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden.

2 Mit Bescheid vom 20. September 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte - somit jener Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet - der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet (vgl. VwGH 13.8.2018, Ra 2018/14/0012, mwN), weswegen sich der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtshofes fallgegenständlich auf die Entscheidung des BVwG betreffend die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten beschränkt.

8 Die Revision bringt in diesem Zusammenhang zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dem Revisionswerber seien Widersprüche zwischen der polizeilichen Erstbefragung und der mündlichen Einvernahme vorgeworfen worden, ohne ihm Gelegenheit gegeben zu haben, hierzu Stellung zu beziehen. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Recht auf Parteiengehör iSd § 45 Abs. 3 AVG nur auf den von der Behörde gemäß § 37 AVG festzustellenden maßgebenden Sachverhalt bezieht. Mit seinem Vorbringen rügt der Revisionswerber jedoch nicht, dass ihm die bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, also jener rechtserheblichen Tatsachen, die das zuständige Organ als erwiesen erachtet, nicht vorgehalten worden seien, sondern er wendet sich vielmehr dagegen, dass ihm zur Beweiswürdigung kein Parteiengehör eingeräumt worden sei. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG zählt jedoch nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens, zu denen im Rahmen des Parteiengehörs zwingend eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen gewesen wäre (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089, mwN), sodass die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vorliegt.

9 In derselben Entscheidung hat der VwGH zudem festgehalten, dass für die Behörde keine Verpflichtung besteht, dem Asylwerber im Wege eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. wiederum VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089, mwN)

10 Sofern der Revisionswerber weiters die anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme erfolgte Heranziehung eines syrischen Dolmetschers, dessen Dialekt er nicht verstanden habe, was er auch sogleich mitgeteilt habe, sowie fehlende Ermittlungen des BVwG zur Verifizierung dieses entschuldigenden Arguments beanstandet, werden Verfahrensmängel geltend gemacht. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 4.3.2019, Ra 2018/20/0540, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Zulassungsbegründung der Revision nicht. 11 Im Übrigen kann dem Protokoll zur niederschriftlichen Einvernahme vom 27. April 2017 nicht entnommen werden, dass der Revisionswerber den beigezogenen Dolmetscher abgelehnt hätte. Aus dem Einvernahmeprotokoll geht vielmehr hervor, dass der Revisionswerber auf Nachfrage bestätigte, den Dolmetscher einwandfrei verstanden zu haben.

12 Mit dem Vorbringen, das BVwG hätte sich zur ganzheitlichen Würdigung seines Vorbringens mit den Länderberichten auseinandersetzen müssen, rügt der Revisionswerber ebenfalls Verfahrensmängel und ist insofern auf die zuletzt angeführte Judikatur zu verweisen. Dem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung lässt sich jedoch keine Relevanzdarstellung im Sinn der zitierten hg. Rechtsprechung entnehmen.

13 Lediglich ergänzend wird noch - soweit sich die Revision gegen die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative wendet - darauf hingewiesen, dass es sich hierbei lediglich um eine Alternativbegründung des BVwG handelt, zumal dieses im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung betreffend die Prüfung subsidiären Schutzes bereits die Möglichkeit der Rückkehr des Revisionswerbers in seine Herkunftsprovinz Kirkuk bejahte. Da die Revision somit von den auf die innerstaatliche Fluchtalternative Bezug nehmenden Ausführungen nicht abhängt, erweist sich die Revision auch in diesem Punkt als unzulässig (vgl. VwGH 20.03.2019, Ra 2019/20/0056).

14 Wenn der Revisionswerber in diesem Zusammenhang moniert, das BVwG habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass er im Rückkehrfall für seine kleine Tochter verantwortlich wäre, wodurch sich die Anforderungen an eine interne Fluchtalternative erhöhen würden, übersieht der Revisionswerber überdies, dass der Berücksichtigung dieses Vorbringens im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot entgegensteht. Dass der Revisionswerber im Fall seiner Rückkehr in den Irak die Verantwortung für seine Tochter, um die sich - seinem eigenem Vorbringen nach - seit seiner Ausreise seine Schwiegereltern im Irak kümmern würden, übernehmen wolle, wird erstmals im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht.

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. August 2019

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