VwGH Ra 2019/16/0101

VwGHRa 2019/16/010120.8.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und Hofrat Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der RL in W, vertreten durch Dr. Günter Schmid und Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. Mai 2018, VGW-002/022/733/2018, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Normen

VStG §44a Z1
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019160101.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Landespolizeidirektion Wien hatte mit Straferkenntnis vom 16. November 2017 die Revisionswerberin der zweifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt und über sie zwei Geldstrafen in der Höhe von je 2.000 EUR sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, weil sie durch die Vermittlung von zwei näher bezeichneten Geräten dafür gesorgt habe, dass in einem näher bezeichneten Lokal elektronische Glücksspielgeräte aufgestellt worden seien, wobei der Betrieb der Glücksspielgeräte im Zuge der Kontrolle durch Kontrollorgane der Finanzpolizei am 2. Februar 2017 um 13:45 Uhr durch die Durchführung von Probespielen (virtuelle Walzenspiele) festgestellt worden sei. 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien u.a. der dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als es die verhängten Geldstrafen auf jeweils 1.000 EUR und die Ersatzfreiheitsstrafen herabsetzte. Im Übrigen bestätigte es das angefochtene Straferkenntnis mit einer hier nicht wesentlichen Abänderung. Den Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens setzte es mit 200 EUR neu fest. Überdies sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet hat.

Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4 Die Revision erweist sich in Hinblick auf das Vorbringen, der Spruch des Straferkenntnisses enthalte keinen Tatzeitraum, als zulässig und berechtigt.

5 Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das erfordert in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens. Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. VwGH 29.3.2019, Ra 2019/02/0013).

Der Spruch hat daher nicht nur die Sachverhaltselemente, von denen die Zuordnung eines Tatverhaltens zu den Merkmalen des Straftatbestands abhängt, zu bezeichnen, sondern grundsätzlich auch die Anführung des Zeitpunkts der Begehung der Tat, und falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen (vgl. VwGH 20.3.2019, Ro 2018/09/0007).

Bei einem Dauerdelikt sind im Spruch eines Straferkenntnisses der Beginn und das Ende des Tatzeitraums des Dauerdelikts anzugeben, wobei der Beginn anhand der Beweisergebnisse im Zweifel zu Gunsten eines Beschuldigten spätestmöglich angenommen werden kann. Daher kann bei einem Dauerdelikt die Tatzeit allenfalls mit jenem Zeitpunkt festgelegt werden, zu dem die Tat entdeckt wurde (vgl. VwGH 30.10.2018, Ra 2018/16/0155). Der Verwaltungsgerichtshof hat zu einer Übertretung des Glücksspielgesetzes betreffend das Zugänglichmachen von Spielapparaten ausgesprochen, dass die Angabe "gegen xxxx Uhr" eines bestimmten Tages als ausreichend genau anzusehen ist (VwGH 12.3.2010, 2010/17/0017).

Allerdings ist ein Straferkenntnis dann mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, wenn der Spruch eines Straferkenntnisses mangels Anführung des Tatzeitpunktes oder des Tatzeitraumes verschiedene Deutungen hinsichtlich Tatzeitpunkt oder Tatzeitraum zulässt (vgl. VwGH 15.12.1981, 1711/80). 6 Im Revisionsfall lässt die Formulierung, der Betrieb der Glücksspielgeräte sei im Zuge der Kontrolle am 2. Februar 2017 um 13:45 Uhr "festgestellt worden", unterschiedliche Deutungen in Hinblick auf den vorgeworfenen Tatzeitraum offen. Aus dem Spruch des Straferkenntnisses ist nicht (eindeutig) zu erkennen, ob der Revisionswerberin lediglich jener Tatzeitpunkt angelastet werden soll, zu dem die Tat entdeckt wurde, oder ob ihr die Begehung in einem Zeitraum bis hin zu diesem Zeitpunkt vorgeworfen wird, denn das Verwaltungsgericht stellte in tatsächlicher Hinsicht ebenso ausdrücklich fest, die Geräte seien von März 2016 bis 2. Februar 2017, 13:45 Uhr im Lokal aufgestellt und bespielbar gewesen.

7 Da der Spruch des Straferkenntnisses den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG nicht gerecht wird, ist das angefochtene Erkenntnis schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne auf das weitere Vorbringen näher einzugehen.

8 Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

9 Von der beantragen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 20. August 2019

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