Normen
FSG 1997 §24 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019110032.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 977,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde, im Wesentlichen den Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juni 2016 bestätigend, die Revisionswerberin gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, der belangten Behörde einen psychiatrischen Facharztbefund binnen einem Monat ab Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses vorzulegen.
Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
3 Die Revision ist sowohl zulässig als auch begründet, weil sie zutreffend ausführt, dass das angefochtene Erkenntnis von näher zitierter hg. Rechtsprechung betreffend die erforderliche nachvollziehbare Darlegung von begründeten Bedenken iSd § 24 Abs. 4 FSG abweicht:
4 Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist bei bestehenden Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 FSG einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 23.9.2014, Ra 2014/11/0023, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur) ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG nur dann zulässig, wenn bei der Behörde im Zeitpunkt seiner Erlassung (bzw. im Fall einer Rechtsmittelentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung derselben; vgl. VwGH 22.6.2010, 2010/11/0067) nach wie vor begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige - aktuelle - Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen. 5 Im angefochtenen Erkenntnis werden solche aktuellen Bedenken jedenfalls nicht nachvollziehbar aufgezeigt, wird doch in dessen Begründung nach der Wiedergabe des Verfahrensgeschehens (wonach übrigens schon in der Beschwerde das Fehlen konkreter Bedenken iSd § 24 Abs. 4 FSG ins Treffen geführt worden sei) fallbezogen im Wesentlichen nur Folgendes festgehalten (Kursiv im Original):
"Als Gesamteindruck dieser amtsärztlichen Untersuchung wurde im Gutachten u.a. festgehalten, dass eine ängstlich unsichere Persönlichkeit vorliegt und wurde mit dem Zuweisungsgrund ‚Zn Befahren eines Feldweges, Zn auffällig langsamer Fahrweise mit 50 km/h auf Freilandstraße, Straßenschild ‚Gefährliche Strecke', Zn Überfahren einer gelben Ampel, Og kann sich nicht erklären, warum sie wegen Ängsten und Phantasien angeschuldigt wurde, Gewohnheitsbrille, ängstlich unsicheres Verhalten, Logorrhoe, Zn Panikattacken vor über 10 Jahren, Med: TASS nur zur Prophylaxe, Allergiemedikation Hylocomod, Ceitirzin bei Bed, Nahrungsergänzungsmittel Soja, Cal D Vita' um Befund und Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie ersucht."
6 Es ist offensichtlich, dass aus einer derartigen Aneinanderreihung von Schlagworten (die im Übrigen keine Feststellungen des Verwaltungsgerichts darstellen, sondern eine bloße Wiedergabe des "Gesamteindruckes" des Amtsarztes) begründete Bedenken im Sinne der zitierten Judikatur, welche die Notwendigkeit der gegenständlichen Befundvorlage belegen, nicht nachvollziehbar abgeleitet werden können.
7 So hat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis Ra 2014/11/0023 auch festgehalten, dass nicht jedes "fragwürdige" bzw. auffällige Verhalten Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen rechtfertigt. Entsprechendes gilt nach diesem Erkenntnis auch für mehrere Jahre zurückliegende psychische Erkrankungen (vgl. dazu im vorliegenden Fall den Hinweis auf Panikattacken "vor über 10 Jahren"), weil nach dem Gesagten nur - aktuelle - Bedenken maßgebend sind. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das im angefochtenen Erkenntnis erwähnte Gutachten nach der Aktenlage offenbar vom 22. April 2016 stammt (und somit im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts bereits mehr als 1,5 Jahre alt war).
8 Verfehlt ist damit auch die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichts, es habe sich aufgrund der bereits geklärten Rechtssache eine Verhandlung erübrigt.
9 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. 10 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (im Rahmen des gestellten Begehrens) auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. Mai 2019
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