VwGH Ra 2018/11/0106

VwGHRa 2018/11/01064.2.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Finanzamtes Judenburg Liezen, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 23. März 2018, Zl. LVwG 30.13-1735/2017-27, betreffend Übertretung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes-AÜG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murtal; mitbeteiligte Partei: Z M in S, vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof und MMag. Maja Ranc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III), den Beschluss gefasst:

Normen

62013CJ0586 Martin Meat VORAB;
AÜG §17 Abs2;
AÜG §22 Abs1 Z2;
AÜG §4 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110106.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 19. April 2017 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortliches Organ einer näher genannten Gesellschaft mit Sitz in Kroatien (in Folge: Br.) unterlassen, die Arbeitsaufnahme bzw. grenzüberschreitende Überlassung von 217 namentlich genannten Arbeitskräften spätestens eine Woche vor deren Arbeitsaufnahme in Österreich an die Zentrale Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen zu melden. Er habe dadurch jeweils § 22 Abs. 1 Z 2 iVm. § 17 Abs. 2 AÜG verletzt. Über ihn wurden deshalb Geldstrafen verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

2 1.2. Der dagegen gerichteten Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Verwaltungsgericht mit dem nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen ergangenen angefochtenen Erkenntnis gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG statt, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG ein. Unter einem sprach es gemäß § 25a VwGG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001, und vom 28.2.2015, Ra 2015/08/0008).

6 2.2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit (auf das Wesentliche zusammengefasst) vor, das Verwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil dessen Erkenntnis keine klare und vollständige Feststellung aller relevanten Merkmale des für eine rechtliche Beurteilung maßgeblichen Sachverhalts und demzufolge auch keine vollständige Beweiswürdigung enthalte. So sei etwa auf "Vertragsbestandteile, welche die Anweisungen iVm Personaleinsatz, Berichts- und Dokumentationspflichten, Zusammenarbeitsregelungen mit Subunternehmen der A(...) vor Ort bis ins Detail regeln/vorgeben" gar nicht bzw. nicht ausreichend Bezug genommen worden. Auf zwingend erforderliche Merkmale eines echten Werkvertrages werde nur oberflächlich Bezug genommen.

Weiters widerspreche die rechtliche Beurteilung - daraus resultierend, dass der Sachverhalt nicht vollständig festgestellt worden sei - der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Insbesondere habe sich das Verwaltungsgericht "nicht mit der, der Prüfung der Kriterien nach § 4 Abs. 2 AÜG vorausgehenden, jedoch notwendigen Klärung der Frage beschäftigt, ob die Leistungen der Br. (Schweißer- und Schlosserarbeiten an von der Auftraggeberin vorgefertigten Teilen) grundsätzlich werkvertragsfähig" seien. Zudem seien die einzelnen Ziffern des § 4 Abs. 2 AÜG vom Verwaltungsgericht in einer "verkürzten und stark undifferenzierten Art und Weise" abgehandelt worden und sei damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen worden. U.a. sei das Vorliegen des in § 4 Abs. 2 Z 3 AÜG normierten Tatbestandselements (organisatorische Eingliederung sowie Dienst- und Fachaufsicht) falsch beurteilt worden, weil der Br. jeder wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielraum, der im Rahmen einer Werkerbringung üblich sei, im vorliegenden Fall gefehlt habe. Im Ergebnis mangle es "an einer ausreichenden Feststellung aller tatsächlich relevanten, und demzufolge an der daran anschließenden rechtlichen Beurteilung aller Sachverhaltselemente, was zum Einen als Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhalts in wesentlichen Punkten (...), zum Anderen als falsche rechtliche Würdigung des Sachverhalts in seiner Gesamtschau" auszulegen sei.

Mit diesen - allein relevanten - Zulässigkeitsausführungen zeigt die Revision jedoch nicht auf, dass ihre Behandlung von der Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt.

7 2.2.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH (u.a. Urteil vom 18.6.2015, C-586/13 , "Martin Meat") dargelegt, welche Kriterien unter Berücksichtigung des Unionsrechts für die Beurteilung der auch gegenständlich entscheidungsrelevanten Frage, ob ein Vertragsverhältnis als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung oder als Werkvertrag zu beurteilen ist, maßgebend sind.

8 An diese Entscheidung anknüpfend hat der Verwaltungsgerichtshof jene Revisionsfälle, in denen bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung die nach dieser Judikatur maßgebenden Kriterien im Rahmen einer Gesamtbeurteilung herangezogen wurden bzw. in denen das Verwaltungsgericht einzelnen dieser Kriterien ein höheres, anderen aber ein geringeres Gewicht beigemessen hat, wegen ihrer einzelfallbezogenen Bedeutung als nicht revisibel angesehen (vgl. etwa VwGH 20.9.2017, Ra 2017/11/0024 bis 0029 und Ra 2017/11/0016; 3.1.2018, Ra 2017/11/0207; 8.2.2018, Ra 2017/11/0206; 23.4.2018, Ra 2017/11/0221, 0222; 16.5.2018, Ra 2018/11/0088; 20.7.2018, Ra 2018/11/0053; 20.9.2018, Ra 2018/11/0112; 25.9.2018, Ra 2018/11/0174; 3.12.2018, Ra 2018/11/0115).

9 2.2.2.2. Das Verwaltungsgericht hat dem angefochtenen Erkenntnis, auf das Wesentliche zusammengefasst, folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrundegelegt:

10 Eine Explosion im Werk der Z. AG in Österreich habe am 23. März 2014 große Teile des Laugenkessels zerstört. Die A. AG habe daraufhin als Generalunternehmerin von der Z. AG mit Vertrag vom 11. Juli 2014 den Auftrag zur Sanierung bzw. Reparatur der gesamten Laugenkesselanlage erhalten. Dieser Auftrag habe die Demontage der zerstörten Kesselanlage, die Sanierung des verbleibenden Stahlbaus und die Installation der neuen Kesselanlage beinhaltet. Das Projekt habe sich in vier Phasen gegliedert: Engineering, Fertigung, Montage und Inbetriebnahme.

11 Die A. AG habe selbst über kein Personal im Bereich der Montage verfügt. Sie habe einen kaufmännischen Projektleiter, einen technischen Projektleiter und für die Kontrolle von Baufortschritt, Qualität und Sicherheit sowie für die Inbetriebnahme einen eigenen Bauleiter eingesetzt. Für die Demontage und die mechanische Montage sei hingegen das kroatische Unternehmen Bi. beauftragt worden.

12 Das Führungsteam der Bi. habe im Wesentlichen aus dem Gesamtbauleiter, seinem Stellvertreter, zehn für die Kontrolle zuständigen Ingenieuren und zehn Vorarbeitern bestanden. Der Supervisor der A. AG habe täglich ein Koordinationsgespräch mit sämtlichen Subfirmen, mithin auch der Bi., geführt und Rundgänge gemacht, bei denen er visuelle Kontrollen vorgenommen und auf den Baufortschritt etc. geachtet habe. Mit den Verantwortlichen der Subfirmen habe er täglich Besprechungen und Begehungen durchgeführt.

13 Im Sommer 2015 sei die Bi. mit den Arbeiten in Verzug geraten, was die A. AG in eine unangenehme Lage gebracht habe, weil diese gegenüber der Z. AG zu sehr hohen Pönaleleistungen bei Nichteinhaltung des Inbetriebnahmetermins verpflichtet gewesen sei. Von der Bi. sei vorgeschlagen worden, dass ein anderes Unternehmen, nämlich die Br. (deren Geschäftsführer der Mitbeteiligte ist) die verbleibenden Leistungen aus dem Auftrag erbringen und somit die mechanische Montage feststellen sollte. Die Bi. habe zugesagt, dass die Br. das Führungsteam der Bi. übernehmen würde, weshalb eine gewisse Kontinuität gewährleistet wäre.

14 Anfang September 2015 habe die Br. der A. AG ihr Angebot für die näher genannten Montagearbeiten übermittelt. Noch vor der schriftlichen Auftragserteilung der A. AG an die Br. hätten Vertreter der A. AG und der Bi. einen "Sideletter" unterzeichnet. In dieser Zusatzvereinbarung zum ursprünglichen Vertrag aus 2014 sei vereinbart worden, dass die Br. die verbleibenden Arbeiten aus dem Auftrag durchführen werde. Die Bi. habe sich verpflichtet, vollumfänglich dafür zu haften, dass die Br. alle Anforderungen des Auftrags (zwischen der A. AG und der Bi.) einhalte. Nach Unterzeichnung dieses "Sideletters" habe die A. AG den Auftrag an die Br. erteilt. Zu diesem Zeitpunkt seien ca 15 % des ursprünglichen Auftrags an die Bi. noch unerledigt gewesen. Da eine Präzisierung wegen gewisser "technischer Komplexitäten" nicht in Kürze in schriftlicher Form möglich gewesen sei, sei diese einem späteren Zeitpunkt vorbehalten worden. Die Br. habe den Auftrag lediglich mit der Auftragsbeschreibung "Errichtungsarbeiten: Einrichtung eines Entlüftungsdampfsiebrohrs; Einrichtung und Beseitigung von vorübergehender Verrohrung für chemische Reinigung; zusätzliches Leistungssystem; Änderungen auf Weisung des Baustellenmanagers" erhalten. Die Br. habe allerdings aufgrund der Vorgespräche gewusst, welche Systeme noch zu montieren gewesen seien, auch wenn Details bei Vertragsabschluss noch nicht festgestanden seien. Ein Plan betreffend den Gesamtumfang habe vorgelegen, überdies habe es die von den Technikern der Bi., die in den Personalstand der Br. übernommen worden seien, erstellten Detailpläne gegeben. Die "Projektspezifischen Kaufmännischen Bedingungen" und die "Allgemeinen Kaufmännischen Bedingungen", beides integrierende Bestandteile des Auftrags, seien ident mit denjenigen, die auch im Vertrag zwischen der A. AG und der Bi. enthalten gewesen seien. Es habe sich um standardisierte Inhalte gehandelt. Die Haftung sei allerdings von der Bi. für die Br. übernommen worden.

15 Die Br. habe von der Bi. kurzfristig das gesamte bisherige Baustellenführungsteam, dazu zahlreiche weitere Arbeiter (Schlosser und Schweißer), insgesamt ca 130 Personen, in ihren Personalstand übernommen. Darüber hinaus habe die Br. aufgrund von zusätzlichem Bedarf an qualifizierten Schweißern und Schlossern Verträge mit weiteren (näher genannten) Subunternehmen geschlossen. Insgesamt seien im Zeitraum von September bis Oktober 2015 217 Arbeitskräfte (Dienstnehmer der Br. und ihr überlassene Arbeitnehmer) für den gegenständlichen Auftrag eingesetzt worden.

16 Das Material sei von der A. AG gefertigt und geliefert worden. Das gesamte Werkzeug, die Ausrüstung und Maschinen (große Schweißmaschinen inklusive Schweißdrähte und Schweißgas, Kräne, Stapler, Transportfahrzeuge udgl.), das Containerdorf, die Unterbringung etc. habe die Br. organisiert und bereitgestellt. Für die Gerüstung, die Malerarbeiten, die Abfallentsorgung und für die Überprüfung der Schweißnähte (Röntgen- und Ultraschallkontrollen) habe die Br. Subunternehmen beauftragt. Vom Auftrag an die Br. seien auch die Qualitätsprüfung und die Dokumentation (Qualitätsdokumentation, Schweißdokumentation, Röntgenfilme, "as-built-Dokumentation") erfasst gewesen. Eine Montageversicherung habe die Br. abgeschlossen.

17 Der Einsatz von entsprechend qualifiziertem Personal (20 Facharbeiter) und die Einhaltung einer gewissen Personenanzahl auf der Baustelle (180 Personen) sei der A. AG so wichtig gewesen, dass dies vorerst mündlich und in der Vergleichsvereinbarung mit der Bi. vom 21. September 2015 auch schriftlich gefordert worden sei. In der Folge sei auch im Änderungsvertrag vom 14. Oktober 2015 mit der Br. konkret eine ständige Personalanzahl von 180 Personen auf der Baustelle eingefordert worden.

18 Ab Mitte September 2015 seien die von der Bi. begonnenen Arbeiten von den nun als Arbeitnehmer der Br. beschäftigten Technikern, Schweißern und Schlossern und den Arbeitern der Subunternehmen unter der Führung des als Dienstnehmer von der Bi. übernommenen Gesamtbauleiters ohne wesentliche Unterbrechungen weitergeführt worden. Beim Auftrag der Br. sei es um die noch offene Verrohrung des Kessels und des Equipments bzw. um die Montage der Rohrleitungen und Kanäle gegangen. Bei den zur Erfüllung des Auftrags notwendigen Tätigkeiten der Br. habe es sich im Wesentlichen um Schlosser- und Schweißerarbeiten gehandelt, verbunden mit Transport- und Vorbereitungsarbeiten, die von der Br. selbst zu planen und durchzuführen gewesen seien. Die zu verbauenden vorgefertigten Teile seien von den Arbeitern der Br. von den anliefernden LKW abgeladen und auf Lagerplätzen der Z. AG gelagert und von dort zu Vorbereitungsplätzen gebracht worden, wo die Komponenten und Rohrteile für die Montage der jeweiligen Systeme vorbereitet und vormontiert worden seien. Danach sei der Weitertransport zu den Montageplätzen im Kesselgebäude erfolgt, wo die Teile auszurichten und zu verschweißen gewesen seien. Die Br. habe, wie von der A. AG aufgetragen, an sieben Tagen pro Woche gearbeitet. Die Einteilung der für die Br. tätigen Arbeiter und die Stundenaufzeichnungen seien durch den von der Bi. übernommenen Gesamtbauleiter und dessen Stellvertreter erfolgt. Grundlage der Arbeitseinteilung seien Detailpläne gewesen, die die Techniker der Br. auf Basis des von der A. AG erhaltenen Generalplans erstellten hätten. Die konkreten Arbeitsanweisungen hätten der Gesamtbauleiter und sein Stellvertreter an die Vorarbeiter der jeweiligen Montageteams erteilt, welche die Anweisungen an die einzelnen Arbeiter weitergegeben hätten. Die Umsetzung sei von einem der Techniker der Br. penibel überwacht worden.

19 Der oben erwähnte Supervisor der A. AG habe als Ansprechperson für die technische Montage täglich eine Begehung mit dem Gesamtbauleiter der Br. oder dessen Stellvertreter durchgeführt. Dabei seien Baufortschritt, allfällige Mängel, die von der Br. zu beheben gewesen seien, und die weiteren Arbeitsschritte sowie Sicherheitsbelange besprochen worden. Es habe auch wöchentlich stattfindende Besprechungen zwischen dem technischen Projektleiter der A. AG und dem Gesamtbauleiter der Br. gegeben, in denen es um technische Angelegenheiten, die Einhaltung der Termine und die Übernahme der fertigen Arbeiten gegangen sei. Dabei habe ein Abgleich der Prüf- und Inspektionspläne sowie ein Soll-Ist-Vergleich in Verbindung mit den Rahmen- und Detailterminplänen und dem Personaleinsatz stattgefunden.

20 In der erwähnten Vergleichsvereinbarung zwischen der A. AG und der Bi., in der es um die von der Br. durchgeführten bzw. durchzuführenden Fertigstellungsarbeiten der mechanischen Montage gegangen sei, seien in Abänderung des ursprünglichen Auftrags vom April 2014 neue, einer Vertragsstrafe unterliegende "Meilensteine" vereinbart worden. Darin sei die Bi. verpflichtet worden, zur Sicherstellung der rechtzeitigen Fertigstellung mindestens 20 Facharbeiter auf der Baustelle zu stellen und die Personalstärke bei 180 zu halten und diese nur in Abstimmung mit der A. AG zu reduzieren. Die Gespräche zwischen der A. AG und der Bi. hätten ohne Anwesenheit eines Vertreters der Br. stattgefunden, der Gesamtbauleiter der Br. habe den Inhalt der Vergleichsvereinbarung jedoch gekannt.

21 Am 14. Oktober 2015, bereits nach einer Kontrolle durch Organe der Finanzpolizei, sei eine Abänderung zum Vertrag vom 11. September 2015 zwischen A. AG und der Br. unterschrieben worden, in der der konkrete Umfang des Auftrags, die Zwischentermine und der Fertigstellungstermin und andere Bedingungen (im Wesentlichen gleich wie in der Vergleichsvereinbarung zwischen der A. AG und der Bi.) festgelegt worden seien. In den Vertrag sei auch aufgenommen worden, dass die Br. die Anzahl des Personals auf der Baustelle bei 180 zu halten hätte und nur mit Zustimmung der A. AG reduzieren dürfte.

22 Am 20. Mai 2016 hätten die A. AG und die Bi. eine weitere Vergleichsvereinbarung abgeschlossen, mit der die finanziellen Angelegenheiten sowohl zwischen der A. AG und der Bi. als auch zwischen der A. AG und der Br, die nicht Vertragspartner gewesen sei, "erledigt" werden sollten. Die Br. sollte danach eine weitere Zahlung von der A. AG erhalten, unter der Voraussetzung, dass die Br. noch eine Schlussrechnung über einen näher genannten Betrag austellen würde. Nach dieser Vergleichsvereinbarung habe die Bi. auch für die Arbeiten der Br. gehaftet, wie bereits im "Sideletter" vom 11. September 2015 vereinbart. Ebenfalls am 20. Mai 2016 habe die Br. die Schlussrechnung entsprechend der Zusatzvereinbarung der A. AG mit der Bi. gelegt.

23 2.2.2.3. Das Verwaltungsgericht verneint in seiner rechtlichen Beurteilung des von ihm festgestellten Sachverhalts das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung, weil die "gebotene Gesamtbeurteilung und Abwägung sämtlicher für und wider eine Arbeitskräfteüberlassung sprechender Punkte" zeige, dass die Anhaltspunkte gegen das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung und somit für einen echten Werkvertrag und eine Entsendung überwiegen würden.

24 Der Auffassung des nunmehrigen Revisionswerbers, wonach schon von vornherein kein Werkvertrag, sondern eine Arbeitskräfteüberlassung vorliege, hält das Verwaltungsgericht die eher untypische Fallkonstellation entgegen.

Die A. AG habe ursprünglich mit der Bi. einen Werkvertrag über die Demontage und die mechanische Montage eines Laugenkessels abgeschlossen, der nur zu ca. 85 % erfüllt worden sei. So habe der Auftrag der Beschäftigerin (der A. AG) an die Br. die Fertigstellung der mechanischen Montage eines Laugenkessels (welche durch ein anderes Unternehmen, die Bi. begonnen, jedoch aufgrund von "Unstimmigkeiten" dieser mit der A. AG nicht fertiggestellt worden sei) betroffen, sei also auf ein konkretes Endprodukt ausgerichtet gewesen, das zu einem bestimmten Termin fertiggestellt werden sollte und für welches ein konkreter Gesamtauftragswert vereinbart worden sei. Vertragswille beider Seiten sei die fristgerechte und ordnungsgemäße Fertigstellung der mechanischen Montage des Laugenkessels und nicht die bloße Zurverfügungstellung von entsprechend qualifiziertem Personal gewesen, was sich auch darin zeige, dass die A. AG für die Umsetzung des Auftrags nicht in erster Linie selbst gehaftet habe. Da es sich bloß um die Fertigstellung eines - unzweifelhaft als Werkvertrag einzustufenden - Vertrags, nämlich des Vertrags zwischen der A. AG und der Bi., gehandelt habe und angesichts des Umstands, dass die Br. dazu den Großteil des für die Bi. auf der Baustelle eingesetzten Personals in den eigenen Personalstand übernommen habe, sei keineswegs darauf zu schließen, dass von vornherein lediglich eine Arbeitskräfteüberlassung gewollt gewesen sei.

Was das Kriterium des unterscheidbaren Werks anlange, so sei davon auszugehen, dass die mechanische Montage (auch wenn es nur um eine Fertigstellung derselben gehe) einen wesentlichen, selbständig zu beurteilenden Bereich des von der A. AG übernommenen Auftrags gegenüber der Z. AG umfasst habe und als abgrenzbares und unterscheidbares Werk angesehen werden könne. Dass es sich vorliegendenfalls nur um einfache Schlosser- und Schweißarbeiten gehandelt habe, treffe nicht zu.

Was das Kriterium der Beschaffung und Bereitstellung von Material und Werkzeug anlange, so sei nach den getroffenen Feststellungen die Ansicht des Revisionswerbers, dass die Br. lediglich einfaches Handwerkszeug sowie Schweißgeräte und -zubehör zur Verfügung gestellt habe, unrichtig.

Zum Kriterium der organisatorischen Eingliederung in den Betrieb sowie Dienst- und Fachaufsicht gibt das Verwaltungsgericht zu erwägen, dass es sich nicht bloß um ein durchschnittliches Bauvorhaben, sondern um ein Anlagenprojekt von hoher Komplexität und sehr großem Wert gehandelt habe, bei dem äußerste Präzision erforderlich gewesen sei. Die täglichen Besprechungen zwischen dem Supervisor der A. AG und dem Gesamtbauleiter der Br. sowie die regelmäßigen Kontrollen des Baufortschritts durch die A. AG und die verpflichtende Dokumentation durch die Br. hätten der Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung des Dienstleistungsauftrags gedient. Es sei auch durchaus üblich und zulässig, dass ein Auftraggeber noch im Zuge der Bauausführung ergänzende Wünsche äußere. Die genauen und individuellen Anweisungen hätten die Dienstnehmer der Br. ausschließlich vom Baustellenführungsteam der Br. erhalten. Einzuräumen sei freilich, dass die A. AG mit ihrer Ingerenz hinsichtlich der Zahl der von der Br. eingesetzten Arbeiter die Gestaltungsfreiheit der Br. stark eingeschränkt habe.

Was das Kriterium der Haftung anlange, so sei die Haftung für die ordnungsgemäße und termingerechte Ausführung der mechanischen Montage des Laugenkessels teils bei der Br. und teils bei der Bi., nicht jedoch bei der A. AG gelegen. Einerseits habe die Br. ein Unternehmerrisiko gehabt, als entsprechend der Änderungsvereinbarung vom 14. Oktober 2015 die zweite Teilzahlung von einer ordnungsgemäßen und fristgerechten Auftragserfüllung abhängig gewesen sei. Die jeweiligen "Systemdeadlines" seien jedoch im Gegensatz zur Vergleichsvereinbarung der A. AG mit der Bi. nicht pönalisiert gewesen. Die Br. habe die Folgen einer unsachgemäßen Leistungserbringung nur insoweit zu tragen gehabt, als allfällige Mängel bis zur abschließenden Vergleichsvereinbarung zwischen der A. AG und der Bi. und der darauf gelegten Schlussrechnung von der Br. an die A. AG vom selben Tag zu Tage getreten wären.

Hinsichtlich der vom Revisionswerber als Indiz für eine Arbeitskräfteüberlassung genannten Art der Abrechnung der Leistungen der Br. führte das Verwaltungsgericht aus, es sei einerseits nicht hervorgekommen, dass die Bezahlung tatsächlich nach Arbeitsstunden erfolgt sei, andererseits habe der technische Projektleiter der A. AG angegeben, dass die Nennung eines Basisstundensatzes in Montageverträgen der A. AG üblich und auch als Grundlage allfälligen Mehrforderungen für die Abrechnung von Zusatzarbeiten relevant sei. In der Änderungsvereinbarung vom 14. Oktober 2015 sei im Übrigen neben der Präzisierung des Auftrags auch eine Änderung hinsichtlich der Zahlungsbedingungen und Zahlungsdaten erfolgt.

Was schließlich den Umstand anlange, dass der detaillierte Vertrag erst nach Beginn der Erhebungen durch die Finanzpolizei in schriftlicher Form abgeschlossen worden sei, so halte es das Verwaltungsgericht für nachvollziehbar, dass es aufgrund der außergewöhnlichen Situation nicht sofort bei Vertragsabschluss am 11. September 2015 bzw. vor Beginn der Arbeiten am 14. September 2015 möglich gewesen sei, die offenen Details präzise festzulegen. Den Vertragsparteien sei ohnehin bekannt gewesen, worum es gegangen sei. Der Br. sei in der Person des von der Bi. übernommenen Gesamtbauleiters konkret bekannt gewesen, welche Systeme noch zu montieren seien. Von einer bereits von Beginn an bestehenden teils mündlichen, teils konkludenten Vereinbarung könne somit ausgegangen werden.

In seiner abschließenden Gesamtbeurteilung führte das Verwaltungsgericht zusammenfassend aus, gegen das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung spreche, dass der Auftrag an die Br. die Fertigstellung der mechanischen Montage des Laugenkessels betroffen habe und auf ein konkretes Endprodukt ausgerichtet gewesen sei, das zu einem bestimmten Termin fertiggestellt werden sollte und für das ein konkreter Gesamtauftragswert vereinbart gewesen sei. Die Br. habe nicht bloß Arbeitskräfte auf die Baustelle entsandt, sondern sei für die Bereitstellung und den Betrieb des Containerdorfs und die Bereitstellung der gesamten Ausrüstung, die Dokumentation und die Qualitätssicherung zuständig gewesen. Zusätzlich seien eigene Subunternehmen beauftragt worden. Lediglich die Materialbeistellung sei nicht bei der Br. gelegen. Bei den Arbeitskräften, die kurzfristig und überwiegend von der Bi (betreffend die Montage des besagten Laugenkessels) übernommen worden seien, habe es sich nicht nur um Schlosser und Schweißer gehandelt, sondern auch um deren gesamtes Führungsteam (bestehend aus dem Gesamtbauleiter und dessen Stellvertreter, zehn Ingenieuren sowie zehn Vorarbeitern). Die Schweißer und Schlosser der Br. hätten ihre Anweisungen ausschließlich von diesem Führungsteam bekommen. Ein (näher genannter) Dienstnehmer der Br., welcher als Gesamtbauleiter fungiert habe, habe anhand der von seinen Technikern erstellten Detailpläne täglich überprüft, wer wo einzusetzen sei. Die Umsetzung sei von einem der Techniker der Br. "penibel" überwacht worden. Die Einteilung der für die Br. tätigen Arbeiter und die Stundenaufzeichnungen seien durch den genannten Gesamtbauleiter bzw. dessen Stellvertreter erfolgt. Die A. AG hätte selbst keine Schweißer und Schlosser auf der Baustelle gehabt und führe generell keine Tätigkeiten im Bereich der mechanischen Montage durch. Bei den Begehungen und den täglichen und wöchentlichen Besprechungen zwischen der A. AG und der Br. sei es um die Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung eines (des) Dienstleistungsvertrages gegangen.

Hingegen spreche der Umstand, dass die A. AG der Br. vorgegeben habe, mit welcher Personalstärke sie ihre Arbeiten auf der Baustelle zu bewerkstelligen habe, für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung. Die hinsichtlich der Haftung bzw. Gewährleistung getroffenen Vereinbarungen (wonach die "langfristige" Haftung für die mechanische Montage bei der Bi. verblieb) sprächen weder eindeutig für noch eindeutig gegen das Vorliegen einer solchen.

Im Ergebnis sei jedoch aufgrund der gebotenen Gesamtbeurteilung der festgestellten - eher untypischen - Konstellation davon auszugehen, dass die vorhandenen Anhaltspunkte gegen das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung an die A. AG und somit für einen echten Werkvertrag und eine Entsendung überwögen.

25 2.2.2.4. Zunächst ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Rechtsansicht, wonach es für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung entscheidend sei, ob der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat den eigentlichen Gegenstand der Dienstleistung darstellte, und welche Kriterien dafür heranzuziehen seien, nicht von der hg. Judikatur abgewichen ist (vgl. erneut VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0068). Es ist auch nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht die für die im Rahmen der Gesamtbeurteilung der einzelnen Kriterien erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hätte.

26 Wenn das Verwaltungsgericht aufgrund der von ihm hervorgehobenen besonderen Konstellation, in der - feststellungsgemäß - die Br. im Rahmen ihres Vertragsverhältnisses mit der A. AG im Ergebnis die Fortsetzung und Beendigung derjenigen Tätigkeiten zugesichert hat, die nach der ursprünglichen Vertragsgestaltung der A. AG mit der Bi. unstrittig im Rahmen eines Werkvertrags geschuldet, von dieser aber nicht fristgerecht durchgeführt wurden, ungeachtet von Umständen, die eher für eine bloße Arbeitskräfteüberlassung sprächen, im Rahmen seiner Gesamtbeurteilung zum Ergebnis gekommen ist, dass insgesamt mehr dafür spreche, dass sich die Br. gegenüber der A. AG zur Erbringung der aus dem ursprünglichen Vertrag der A. AG mit der Bi. ausständigen Montage und damit zu einem Werk verpflichtet habe und die Vertragsbeziehung nicht bloß die Überlassung der Arbeitskräfte an die A. AG - wie vom Revisionswerber behauptet - zum Gegenstand gehabt habe, ist nicht zu erkennen, dass es die vom Verwaltungsgerichtshof gezogenen Leitlinien (vgl. erneut VwGH 22.8.2017, Ra 2017/11/0068) verlassen hätte bzw. die in diesem Sinne gebotene Gesamtbeurteilung nicht (vertretbar) durchgeführt hätte.

27 2.3. Die Revision war aus diesen Erwägungen zurückzuweisen. Wien, am 4. Februar 2019

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