VwGH Ra 2017/11/0068

VwGHRa 2017/11/006822.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des P J in B, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. März 2017, Zl. LVwG- 2016/18/1315-1, betreffend Übertretung des AÜG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), zu Recht erkannt:

Normen

31996L0071 Entsende-RL Art1 Abs3 lita;
31996L0071 Entsende-RL Art1 Abs3 litc;
31996L0071 Entsende-RL Art1 Abs3;
32014L0067 Durchsetzung-RL Entsendung Arbeitnehmern Art4 Abs1;
62008CJ0515 dos Santos Palhota VORAB;
62009CJ0307 Vicoplus VORAB;
62013CJ0586 Martin Meat VORAB;
AÜG §17 Abs2;
AÜG §3;
AÜG §4;
EURallg;
VwGG §13 Abs1 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017110068.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (insoweit durch Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 31. Mai 2016) dem Revisionswerber als gemäß § 9 Abs. 1 vertretungsbefugtem Organ der L. Kft. (einer Gesellschaft mit Sitz in Budapest) zur Last gelegt, dass diese die an das Bundesministerium für Finanzen zu erstattende Meldung betreffend die grenzüberschreitende Überlassung von insgesamt 57 namentlich genannten Arbeitnehmern (jeweils ungarischer Staatsangehörigkeit) an die M. GmbH (mit Sitz in Österreich), die spätestens eine Woche vor der (jeweils konkretisierten, zumeist im Jahre 2015 erfolgten) Arbeitsaufnahme vorgenommen hätte werden müssen, unterlassen habe.

2 Der Revisionswerber habe dadurch § 17 Abs. 2 AÜG (gemeint: in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 44/2016) übertreten, weshalb über ihn gemäß § 22 Abs. 1 Z 2  leg. cit. eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt (und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben) wurde.

3 Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 In der Begründung gab das Verwaltungsgericht zunächst die Beschwerde des Revisionswerbers zusammengefasst wieder, wonach das genannte Straferkenntnis auf der - unzutreffenden - Annahme der Überlassung der genannten ungarischen Arbeitskräfte an die österreichische M. GmbH beruhe. Der Revisionswerber habe auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache "Martin Meat" vom 18. Juni 2015, C-586/13 , betreffend die Kriterien der Arbeitskräfteüberlassung hingewiesen, die auch gegenständlich relevant seien. Im vorliegenden Fall gehe es um den Vertrag der L. Kft. mit der M. GmbH vom 12. Dezember 2012, der die L. Kft. nicht zur Überlassung der ungarischen Arbeitskräfte verpflichte, sondern vielmehr zur Bearbeitung, insbesondere Lackierung, von Autoteilen, wobei die L. Kft. auch für die Einhaltung der Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften verantwortlich sei. Die Abrechnung erfolge nach dem Vertrag auf Basis der tatsächlich erbrachten Leistung und nach Stunden, wobei die L. Kft. die volle Gewährleistungspflicht für die abgelieferten Werkstücke treffe und für die termingerechte Erledigung verantwortlich sei. Die genannten Arbeitskräfte übten dabei ihre Arbeit unter der Aufsicht der ungarischen L. Kft. aus. Unionsrechtlich liege nach Ansicht des Revisionswerbers keine Arbeitskräfteüberlassung vor, dieser erachte sich durch das Straferkenntnis in seinem Recht auf Dienstleistungsfreiheit verletzt.

5 Danach erwähnte das Verwaltungsgericht die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Anzeige der Finanzpolizei, der zufolge die Geschäftsbeziehungen der M. GmbH mit der L. Kft. im Werkvertrag vom 12. Dezember 2012 und in einem Teilleistungsvertrag vom 1. April 2015 geregelt seien und die Durchführung von Lackierarbeiten für Autoteile samt vor- und nachbereitenden Tätigkeiten in der Fabrikshalle der M. GmbH umfassten (dazu wird im angefochtenen Erkenntnis nur der Werkvertrag vom 12. Dezember 2012 wiedergegeben).

6 Selbst wenn man davon ausgehe, so die weitere Begründung des angefochtenen Erkenntnisses, dass die faktische Gestaltung der Geschäftsbeziehungen mit dem Vertrag übereinstimme - die im Rahmen der Kontrolle (der Finanzpolizei) durchgeführten Einvernahmen gingen allerdings hinsichtlich der Gewährleistung und der Beaufsichtigung der ungarischen Arbeitskräfte in eine andere Richtung - so liege nach den Bestimmungen des AÜG eindeutig keine Entsendung von Arbeitskräften, sondern eine "reine Arbeitskräfteüberlassung" vor. Dazu verwies das Verwaltungsgericht auf § 4 AÜG und die dazu ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es bei der Beurteilung, ob Arbeitskräfteüberlassung vorliegt, einer Gesamtbeurteilung des Sachverhalts (nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt) iSd Abs. 1 leg. cit. nur dann bedürfe, wenn keine der vier Ziffern des § 4 Abs. 2 AÜG erfüllt seien (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, Zl. 2013/09/0042). Da gegenständlich jedoch § 4 Abs. 2 Z 2 AÜG erfüllt sei (im genannten Werkvertrag sei vereinbart, dass der Auftraggeber, somit die M. GmbH, am Leistungsort kostenlos einerseits sämtliche "ZSP-Materialien" und andererseits "die zur Ausführung der Arbeiten benötigten Geräte und Werkzeuge in der entsprechenden Menge und in betriebsfähigem Zustand sowie alle zu deren Betrieb nötigen Energieträger, Schmierstoffe, etc dem Auftragnehmer zur Verfügung stellt"), liege im Sinne der genannten Rechtsprechung zweifelsfrei eine Arbeitskräfteüberlassung vor.

7 Daher hätte die vom Revisionswerber vertretene ungarische L. Kft. für die von ihr vorgenommene grenzüberschreitende Überlassung der genannten Arbeitskräfte an die österreichische M. GmbH gemäß § 17 Abs. 2 AÜG die dort verlangte Meldung vor der jeweiligen Arbeitsaufnahme erstatten müssen, was unterblieben sei.

8 Hinsichtlich der vom Revisionswerber geltend gemachten unionsrechtlichen Bedenken merkte das Verwaltungsgericht bloß an, dass die §§ 3 und 4 AÜG seiner Ansicht nach nicht gegen das Unionsrecht verstießen, und dass die "Argumentation der Finanzpolizei", der zufolge das genannte Urteil des EuGH (C- 586/13 ) eine Frage der Bewilligungspflicht und nicht eine solche der Meldepflicht betreffe, "nachvollziehbar" sei.

9 Im Übrigen führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Durchführung der nicht beantragten Verhandlung gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG habe unterbleiben können, weil vom Revisionswerber lediglich die rechtliche Beurteilung bekämpft worden sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit ausgeführt wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung, welche auch die Aussagen des Urteils des EuGH in der Rechtssache "Martin Meat" (C-586/13 ) berücksichtige.

11 Die belangte Behörde schloss sich in ihrer Revisionsbeantwortung den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis an.

12 Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ließ die Einladung zur Stellungnahme ungenützt.

 

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

14 Die Revision ist zulässig, weil die Frage, ob die Kriterien für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung im Sinne der zu § 4 AÜG ergangenen hg. Judikatur im Lichte des Urteils des EuGH in der Rechtssache "Martin Meat" (C-586/13 ) im Fall der grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitskräften unverändert beibehalten werden können, vom Verwaltungsgerichtshof, soweit überblickbar, bislang nicht beantwortet wurde und auch nicht offensichtlich zu verneinen ist (vgl. zur Zulässigkeit der Revision in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 2015, Zl. Ra 2015/09/0006).

15 Die Revision führt in den Revisionsgründen zusammengefasst aus, das Verwaltungsgericht verkenne den Anwendungsvorrang des Unionsrechts, wenn es dem zitierten Urteil des EuGH, C-586/13 , keine Bedeutung beimesse, obwohl in diesem Urteil jene Kriterien ausdrücklich genannt seien, die für die Beurteilung von Arbeitskräfteüberlassung maßgebend seien.

16 Die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (im Folgenden kurz: Richtlinie 96/71 ) lautet auszugsweise:

"Artikel 1

Anwendungsbereich

(1) Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.

...

(3) Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:

a) einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer

Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder

b) einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der

Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder

c) als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer

zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.

...

Artikel 3

Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen

(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, daß unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird, - durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder - durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Absatzes 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen, festgelegt sind:

..."

17 Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988 in der hier maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 44/2016 (AÜG), lautet auszugsweise:

"§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Arbeitskräften, die zur Arbeitsleistung an Dritte überlassen werden.

...

§ 2. (1) Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz bezweckt

1. den Schutz der überlassenen Arbeitskräfte, insbesondere

in arbeitsvertraglichen, arbeitnehmerschutz- und

sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten, und

2. die Regelung der Arbeitskräfteüberlassung zur Vermeidung

arbeitsmarktpolitisch nachteiliger Entwicklungen.

...

§ 3. (1) Überlassung von Arbeitskräften ist die Zurverfügungstellung von Arbeitskräften zur Arbeitsleistung an Dritte.

(2) Überlasser ist, wer Arbeitskräfte zur Arbeitsleistung an Dritte vertraglich verpflichtet.

(3) Beschäftiger ist, wer Arbeitskräfte eines Überlassers zur Arbeitsleistung für betriebseigene Aufgaben einsetzt.

(4) Arbeitskräfte sind Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen. Arbeitnehmerähnlich sind Personen, die, ohne in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter Personen Arbeit leisten und wirtschaftlich unselbständig sind.

§ 4. (1) Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

(2) Arbeitskräfteüberlassung liegt insbesondere auch vor,

wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des

Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber

1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und

Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes,

unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk

herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder

2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug

des Werkunternehmers leisten oder

3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers

eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen

oder

4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der

Werkleistung haftet.

...

§ 16. ...

(3) Die Überlassung von Arbeitskräften vom Ausland nach Österreich ist nur zulässig, wenn ausnahmsweise eine Bewilligung gemäß Abs. 4 erteilt wurde.

...

§ 16a. Auf Überlassungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ist § 16 nicht anzuwenden.

§ 17. ...

(2) Der Überlasser hat bei bewilligungsfreier Überlassung von Arbeitskräften vom Ausland nach Österreich die grenzüberschreitende Überlassung der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung (nach dem AuslBG und dem AVRAG) des Bundesministeriums für Finanzen zu melden. Die Meldung ist jeweils spätestens eine Woche vor der Arbeitsaufnahme in Österreich zu erstatten; in Katastrophenfällen, bei unaufschiebbaren Arbeiten und bei kurzfristig zu erledigenden Aufträgen genügt die Meldung unverzüglich vor Arbeitsaufnahme. Änderungen der gemeldeten Daten sind unverzüglich zu erstatten. Die Übermittlung der Meldungen hat ausschließlich automationsunterstützt über die elektronischen Formulare des Bundesministeriums für Finanzen zu erfolgen.

(3) Die Meldung gemäß Abs. 2 hat folgende Daten zu enthalten:

...

§ 22. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen

...

2. mit Geldstrafe von 500 EUR bis zu 5 000 EUR, im Wiederholungsfall von 1 000 EUR bis zu 10 000 EUR, wer die Meldungen gemäß § 17 Abs. 2 nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht vollständig oder wissentlich unrichtig erstattet oder die erforderlichen Unterlagen entgegen § 17 Abs. 7 nicht zur Überprüfung bereithält oder nicht zugänglich macht;

..."

18 Die Bestimmung des § 17 Abs. 2 AÜG geht auf die Novelle BGBl. I Nr. 120/1999 zurück, in deren Gesetzesmaterialien (IA 1103/A GP XX.) im Vorblatt darauf hingewiesen wird, dass die Novelle der Anpassung der österreichischen Rechtslage an die Entsenderichtlinie 96/71/EG dient, so auch die Anzeigepflicht betreffend die im EWR bewilligungsfreien Überlassungen nach Österreich. Im besonderen Teil dieser Gesetzesmaterialien wird zu § 17 Abs. 2 AÜG darauf hingewiesen, dass die Meldepflicht die erforderliche Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bei grenzüberschreitender Überlassung innerhalb des EWR ermöglichen soll.

19 Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen der §§ 2 bis 4 AÜG sind seit der Stammfassung unverändert; die Materialien dazu (450 BlgNR XVII. GP , S. 17 f) lauten auszugsweise:

"Zu § 4:

Diese Bestimmung soll eine Orientierungshilfe zur Verhinderung von Umgehungen bieten.

Grundsätzlich sollen jene Fälle, in denen ein Werkunternehmer ausschließlich zur Herstellung eines Werkes, für dessen ordnungsgemäßes Zustandekommen er die Verantwortung trägt, Hilfspersonen (Erfüllungsgehilfen) in den Betrieb des Werkbestellers sendet, nicht vom Regelungsbereich des Gesetzentwurfes erfasst sein. Der Abschluss von Werkverträgen soll, soweit er nicht missbräuchlich zur Umgehung der Ziele der vorgesehenen Regelung erfolgt, keinesfalls erschwert oder verhindert werden. Die im Rahmen von Werkverträgen übliche Verwendung von Erfüllungsgehilfen stellt grundsätzlich keine Überlassung von Arbeitskräften dar. So wird etwa die Gestaltung von Werbe- und Infoständen oder von Auslagen in der Regel nicht als Überlassung zu werten sein, sondern als "echter" Werkvertrag. Allen Versuchen, durch den Abschluss eines Werkvertrages die für die Überlassung von Arbeitskräften geltenden gesetzlichen Schranken zu umgehen, soll jedoch vorgebeugt werden.

In diesem Sinne soll mit dieser Bestimmung sichergestellt werden, dass durch die Erweckung eines Anscheines, der nicht auf das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung schließen lässt, noch keineswegs die Nichtanwendbarkeit der entsprechenden Gesetzesbestimmungen erreicht werden kann.

Wegen der niemals ganz auszuschließenden Umgehungsversuche soll die wirtschaftliche Funktion der in Frage stehenden Vertragsverhältnisse eingehend geprüft werden und für die Zuordnung zum Tatbestand der Arbeitskräfteüberlassung entscheidend sein.

Der allgemeine Grundsatz des Abs. 1 lehnt sich an die entsprechenden steuerrechtlichen Bestimmungen (zB § 21 Bundesabgabenordnung) an.

Abs. 2 befasst sich speziell mit dem Werkvertrag, der erfahrungsgemäß am häufigsten zur Umgehung der bei der Arbeitskräfteüberlassung zu beachtenden Regeln Verwendung findet. Sofern ein für den Werkvertrag, typisches Merkmal nicht vorhanden ist (Z 1, 2 und 4) oder ein für den Werkvertrag völlig untypisches Merkmal (Z 3) gegeben ist, wird das Vorliegen des Tatbestandes der Arbeitskräfteüberlassung angenommen. Auch wenn für die Klassifizierung als Werkvertrag an sich bereits die Kombination einzelner für den Werkvertrag typischer Sachverhaltselemente ausreichend sein mag, muss zur Abgrenzung von der Arbeitskräfteüberlassung die Erfüllung sämtlicher im Regelfall zutreffenden Merkmale (einschließlich des Fehlens bestimmter, auf eine Arbeitskräfteüberlassung hinweisenden Sachverhaltselemente) verlangt werden, um der Erfahrung Rechnung zu tragen, dass häufig die Überlassung von Arbeitskräften den eigentlichen Zweck des Werkvertrages bildet.

..."

20 Dem vorliegenden Revisionsfall liegt, wie dargestellt, eine Bestrafung des Revisionswerbers wegen Verletzung der Meldepflicht bei der Überlassung von Arbeitskräften gemäß § 17 Abs. 2 AÜG zugrunde. Das angefochtene Erkenntnis könnte somit nur dann rechtmäßig sein, wenn die Annahme zuträfe, dass die vom Revisionswerber vertretene L. Kft. Arbeitskräfte an eine andere Person (fallbezogen: die M. GmbH) "überlassen" (§§ 3 und 4 AÜG) hat.

21 Im Revisionsfall ist strittig, ob, wie der Revisionswerber meint, die Vereinbarung zwischen der von ihm vertretenen L. Kft. und der M. GmbH als ("echter") Werkvertrag zu qualifizieren ist, im Rahmen dessen die in Rede stehenden Lackierarbeiten von der L. Kft. und den von ihr grenzüberschreitend entsandten (und als Erfüllungsgehilfen der L. Kft. handelnden) Arbeitnehmern erbracht werden, oder ob, wie dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegt, der wahre Vertragsgegenstand lediglich die grenzüberschreitende Überlassung dieser Arbeitnehmer an die M. GmbH. ist (sodass letztere die Lackierarbeiten, wenngleich unter Zuhilfenahme der ihr überlassenen Arbeitskräfte, durchführte).

22 Beantwortet man diese Rechtsfrage ausschließlich nach der innerstaatlichen Rechtslage, so ist § 4 AÜG maßgebend, dessen Abs. 1 eine Beurteilung nach dem "wahren wirtschaftlichen Gehalt" und nicht nach der äußeren Erscheinungsform des Sachverhaltes (also insbesondere nicht nach der Vertragsbezeichnung als Werkvertrag oder Arbeitskräfteüberlassung) vorsieht, und dessen Abs. 2 für diese Beurteilung konkrete Kriterien anführt.

23 Nach den zitierten Gesetzesmaterialien soll durch § 4 AÜG die Umgehung der Bestimmungen dieses Gesetzes, die erfahrungsgemäß am häufigsten mit Hilfe von vermeintlichen oder vorgeblichen Werkverträgen erfolgt, hintangehalten werden, sodass in Abs. 2 Z 1 bis 4 leg. cit. für einen Werkvertrag typische bzw. untypische Merkmale genannt und nach dem offensichtlichen Willen des nationalen Gesetzgebers jedes dieser Merkmale bereits für sich ausschlaggebend sein soll.

24 Unter Bezugnahme auf diese Gesetzesmaterialien hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 94/08/0178, (soweit überblickbar erstmals in dieser Deutlichkeit) zu § 4 AÜG ausgeführt, dass

"dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitnehmerüberlassung vorliegen kann, und zwar dann, wenn es den Vertragspartnern nach der atypischen Gestaltung des Vertragsinhaltes erkennbar gerade auf die Zuverfügungstellung von dessen Arbeitskräften ankommt. Wann dies (jedenfalls) der Fall ist, legt § 4 Abs. 2 AÜG typisierend (nach der Art unwiderleglicher Vermutungen) fest. Bei Erfüllung eines dieser Tatbestandsmerkmale (und zwar jedes einzelnen: arg. ‚oder') liegt jedenfalls dem wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des § 3 Abs. 1 AÜG durch den Werkunternehmer als Überlasser im Sinne des § 3 Abs. 2 AÜG (der insofern die überlassenen Arbeitskräfte mittelbar zur Arbeitsleistung an den Beschäftiger verpflichtet) an den Werkbesteller als Beschäftiger im Sinn des § 3 Abs. 3 AÜG vor."

25 Diese Rechtssätze wurden vom Verwaltungsgerichtshof in der Folge seiner ständigen Rechtsprechung zugrunde gelegt (vgl. aus vielen etwa die hg. Erkenntnisse vom 10. März 1998, Zl. 95/08/0345, vom 19. Mai 2014, Zl. Ro 2014/09/0026, mit zahlreichen Verweisen auf die Vorjudikatur, und vom 21. Juli 2016, Zl. Ra 2016/11/0090), und wiederholend ausgeführt, dass bei Erfüllung auch nur eines der in § 4 Abs. 2 Z 1 bis 4 AÜG genannten Tatbestandsmerkmale dem wirtschaftlichen Gehalt nach Arbeitskräfteüberlassung im Sinn des § 3 Abs. 1 AÜG durch den Werkunternehmer als Überlasser im Sinn des § 3 Abs. 2 AÜG (der insofern die überlassenen Arbeitskräfte mittelbar zur Arbeitsleistung an den Beschäftiger verpflichtet) an den Werkbesteller als Beschäftiger im Sinn des § 3 Abs. 3 AÜG jedenfalls vorliegt. Einer Gesamtbeurteilung des Sachverhalts im Sinn des § 4 Abs. 1 AÜG bedürfe es nur dann, wenn durch den Tatbestand keine der vier Ziffern des § 4 Abs. 2 AÜG (in Verbindung mit dem Einleitungssatz dieser Bestimmung) zur Gänze erfüllt sei (vgl. etwa das zitierte Erkenntnis Zl. Ro 2014/09/0026).

26 Wie die Revision zutreffend ausführt, ist die gegenständlich entscheidende Rechtsfrage, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen der L. Kft. und der M. GmbH um einen ("echten") Werkvertrag oder um einen Vertrag betreffend grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung handelt, allerdings nicht ausschließlich nach innerstaatlichem Recht zu beantworten. Nach den zitierten Gesetzesmaterialien dienen die in Rede stehenden Bestimmungen des AÜG auch der Umsetzung von Unionsrecht, sodass dessen Vorgaben bei der Vollziehung dieser Gesetzesbestimmungen zu berücksichtigen sind.

27 Von der Richtlinie 96/71 erfasst ist sowohl (Art. 1 Abs. 3 lit. a) die grenzüberschreitende Entsendung eines Arbeitnehmers durch ein Unternehmen, um einen von diesem Unternehmen eingegangenen Werkvertrag zu erfüllen, als auch (Art. 1 Abs. 3 lit. c) - insoweit im Einklang mit dem AÜG (Tomandl, AÜG, 3. Auflage (2017), S. 37) - die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung, nämlich die grenzüberschreitende Entsendung eines Arbeitnehmers durch ein Unternehmen zum Zwecke (lediglich) der Überlassung an ein anderes (den Arbeitnehmer verwendendes) Unternehmen (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 6. November 2012, Zl. 2012/09/0130, und vom 19. März 2014, Zl. 2013/09/0159).

28 Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die Kriterien, die für die Arbeitskräfteüberlassung iSd Art. 1 Abs. 3 lit. c der Richtlinie 96/71 entscheidend sind, insofern auch maßgebend für die Beurteilung, ob (grenzüberschreitende) Arbeitskräfteüberlassung iSd §§ 3 und 4 AÜG vorliegt, als nur bei Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben eine uneingeschränkte Anwendung des AÜG in Betracht kommt.

29 Im vorliegenden Fall hat sich das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob Arbeitskräfteüberlassung vorliegt, zwar auf die zitierte hg. Judikatur zu § 4 AÜG bezogen und seine Ansicht, dass gegenständlich Arbeitskräfteüberlassung vorliege, ausschließlich auf die Erfüllung des § 4 Abs. 2 Z 2 AÜG gestützt (die Arbeiten seien nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers geleistet worden). Der Einwand des Revisionswerbers, dass das in der letztgenannten Bestimmung genannte Kriterium - aus unionsrechtlicher Sicht - nach aktueller Judikatur des EuGH im Urteil vom 18. Juni 2015 "Martin Meat" (C- 586/13 ) kein ausreichendes Abgrenzungskriterium darstelle und weitere Kriterien als entscheidend zu berücksichtigen seien, wurde vom Verwaltungsgericht keiner inhaltlichen Überprüfung unterzogen, sondern sinngemäß mit dem Hinweis verworfen, dass dieses Urteil für den vorliegenden Fall nicht einschlägig sei.

30 Damit hat das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt. 31 Der EuGH hat im Urteil "Martin Meat" vom 18. Juni 2015, C-

586/13, wie folgt ausgeführt:

"32 Unter diesen Umständen ist die erste Frage so zu

verstehen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, auf welche Gesichtspunkte bei einem Vertragsverhältnis wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden abzustellen ist für die Feststellung, ob dieses Vertragsverhältnis als Arbeitskräfteüberlassung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 einzustufen ist.

33 Insoweit ergibt sich aus dem Urteil Vicoplus u. a. (C- 307/09 bis C-309/09 , EU:C:2011:64, Rn. 51), dass eine Arbeitskräfteüberlassung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 vorliegt, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich bei der Überlassung von Arbeitskräften um eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung handeln, bei der der entsandte Arbeitnehmer im Dienst des die Dienstleistung erbringenden Unternehmens bleibt, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem verwendenden Unternehmen geschlossen wird. Zweitens muss das wesentliche Merkmal dieser Überlassung darin bestehen, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens ist. Drittens muss der Arbeitnehmer im Rahmen einer solchen Überlassung seine Aufgaben unter der Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens wahrnehmen.

34 Was zunächst die zweite Voraussetzung betrifft, die eine

Analyse des eigentlichen Gegenstands der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens erfordert, ist jeder Anhaltspunkt dafür zu berücksichtigen, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat den Gegenstand der betreffenden Dienstleistung darstellt oder nicht darstellt.

35 Hierbei ist zu beachten, dass ein

Dienstleistungserbringer grundsätzlich eine Leistung erbringen muss, die mit den Vorgaben des Vertrags übereinstimmt, so dass die Folgen der Erbringung einer nicht vertragsgemäßen Leistung von dem Dienstleistungserbringer getragen werden müssen. Demzufolge ist bei der Feststellung, ob der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung die Entsendung des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat ist, insbesondere jeder Anhaltspunkt dafür zu berücksichtigen, dass der Dienstleistungserbringer nicht die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt.

36 Ergibt sich daher aus dem Vertrag, dass der

Dienstleistungserbringer verpflichtet ist, die vertraglich vereinbarte Leistung ordnungsgemäß auszuführen, ist es grundsätzlich weniger wahrscheinlich, dass es sich um eine Arbeitskräfteüberlassung handelt, als wenn er die Folgen der nicht vertragsgemäßen Ausführung dieser Leistung nicht zu tragen hat.

37 Im vorliegenden Fall ist es Sache des nationalen

Gerichts, den Umfang der jeweiligen Pflichten der Vertragsparteien zu prüfen, um festzustellen, welche Partei die Folgen der nicht vertragsgemäßen Ausführung dieser Leistung zu tragen hat, wobei der Umstand, dass die Vergütung des Dienstleistungserbringers nicht nur von der Menge des verarbeiteten Fleisches, sondern auch von dessen Qualität abhängt, darauf hindeutet, dass der Dienstleistungserbringer zur ordnungsgemäßen Ausführung dieser Leistung verpflichtet ist.

38 Zudem kann der Umstand, dass es dem

Dienstleistungserbringer freisteht, die Zahl der Arbeitnehmer zu bestimmen, deren Entsendung in den Aufnahmemitgliedstaat er für sachgerecht hält - was nach den Bemerkungen, die die Beklagten des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung gemacht haben, im Ausgangsverfahren der Fall zu sein scheint -, dafür sprechen, dass der Gegenstand der betreffenden Leistung nicht der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat ist, sondern dieser Wechsel mit der Erfüllung der in dem in Rede stehenden Vertrag vereinbarten Leistung einhergeht, und dass es sich somit um eine Entsendung von Arbeitnehmern im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 handelt.

39 Hingegen liefern im Ausgangsverfahren weder der Umstand,

dass der Dienstleistungserbringer nur einen einzigen Kunden im Aufnahmemitgliedstaat hat, noch die Tatsache, dass er die Räumlichkeiten, in denen die Dienstleistung erbracht wird, und die Maschinen mietet, einen sachgerechten Hinweis für die Beantwortung der Frage, ob der tatsächliche Gegenstand der in Rede stehenden Erbringung von Dienstleistungen der Wechsel von Arbeitnehmern in diesen Mitgliedstaat ist.

40 Was sodann die dritte Voraussetzung angeht, die der

Gerichtshof im Urteil Vicoplus u. a. (C-307/09 bis C-309/09 , EU:C:2011:64, Rn. 51) aufgestellt hat, so ist, wie die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, zwischen der Beaufsichtigung und Leitung der Arbeitnehmer selbst und der vom Kunden durchgeführten Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung eines Dienstleistungsvertrags zu unterscheiden. Bei der Erbringung von Dienstleistungen ist es nämlich üblich, dass der Kunde überprüft, ob die Dienstleistung vertragsgemäß erbracht wird. Zudem kann der Kunde bei der Erbringung von Dienstleistungen den Arbeitnehmern des Dienstleistungserbringers bestimmte allgemeine Anweisungen erteilen, ohne dass damit in Bezug auf diese Arbeitnehmer die Ausübung einer Leitungs- und Aufsichtsbefugnis im Sinne der dritten im Urteil Vicoplus u. a. (C- 307/09 bis C-309/09 , EU:C:2011:64, Rn. 51) genannten Voraussetzung verbunden ist, sofern der Dienstleistungserbringer seinen Arbeitnehmern die genauen und individuellen Weisungen erteilt, die er für die Ausführung der betreffenden Dienstleistungen für erforderlich hält.

41 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass

für die Feststellung, ob ein Vertragsverhältnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Arbeitskräfteüberlassung im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 einzustufen ist, jeder Anhaltspunkt dafür zu berücksichtigen ist, ob der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat den eigentlichen Gegenstand der Dienstleistung, auf den sich dieses Vertragsverhältnis bezieht, darstellt oder nicht. Einen Hinweis darauf, dass ein solcher Wechsel nicht der eigentliche Gegenstand der betreffenden Dienstleistung ist, stellen grundsätzlich u. a. der Umstand dar, dass der Dienstleistungserbringer die Folgen der nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich vereinbarten Leistung trägt, sowie der Umstand, dass es dem Dienstleistungserbringer freisteht, die Zahl der Arbeitnehmer zu bestimmen, deren Entsendung in den Aufnahmemitgliedstaat er für sachgerecht hält. Hingegen erlaubt der Umstand, dass das Unternehmen, dem die betreffende Leistung zugutekommt, kontrolliert, ob diese vertragsgemäß ist, oder allgemeine Anweisungen an die Arbeitnehmer des Dienstleistungserbringers erteilen kann, als solcher nicht die Schlussfolgerung, dass eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt."

32 Aus dem zitierten Urteil des EuGH, C-586/13 , ergibt sich somit, dass für die Beurteilung, ob ein Sachverhalt als grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung zu beurteilen ist und die in § 17 Abs. 2 AÜG genannte Meldepflicht nach sich zieht, aus unionsrechtlicher Sicht "jeder Anhaltspunkt" zu berücksichtigen ist und somit unter mehreren Gesichtspunkten (nach dem "wahren wirtschaftlichen Gehalt"; vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2012/09/0130 mit Bezugnahme auf das dem Urteil "Martin Meat" vorausgegangene Urteil des EuGH "Vicoplus", C-307/09 bis C-309/09 ) zu prüfen ist (vgl. zur "Gesamtbeurteilung aller Umstände" auch Art. 4 Abs. 1 der RL 2014/67/EU zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen, samt dortigem fünften Erwägungsgrund).

33 Im Speziellen sind dabei entsprechend dem Urteil "Martin Meat" die Fragen, ob die Vergütung/das Entgelt auch von der Qualität der erbrachten Leistung abhängt bzw. wer die Folgen einer nicht vertragsgemäßen Ausführung der vertraglich festgelegten Leistung trägt (Rn 35 ff des EuGH-Urteils), ob also der für einen Werkvertrag essenzielle "gewährleistungstaugliche" Erfolg vereinbart wurde (vgl. abermals das zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2012/09/0130, mwN), wer die Zahl der für die Herstellung des Werkes jeweils konkret eingesetzten Arbeitnehmer bestimmt (Rn 38) und von wem die Arbeitnehmer die genauen und individuellen Weisungen für die Ausführung ihrer Tätigkeiten erhalten (Rn 40 des EuGH-Urteils), von entscheidender Bedeutung.

34 Daher sind in einem Fall wie dem Vorliegenden (im Regelfall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) eindeutige Sachverhaltsfeststellungen dahin zu treffen, ob und welche der für die Arbeitskräfteüberlassung ausschlaggebenden Kriterien verwirklicht sind, um im Rahmen einer rechtlichen Gesamtbeurteilung fallbezogen das Vorliegen von grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung bejahen oder verneinen zu können.

35 Im angefochtenen Erkenntnis fehlen schon an sich eindeutige Feststellungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, weil dieses, wie dargestellt, weitgehend nur auf die Wiedergabe des Verfahrensgeschehens gestützt wird. Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage genügte es insbesondere nicht, lediglich vom Vorliegen eines einzigen für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung bedeutsamen Kriteriums auszugehen (das Verwaltungsgericht stützte seine Beurteilung, wie dargestellt, ausschließlich darauf, dass das Material und Werkzeug nach den Vertragsbestimmungen durch die M. GmbH bereitgestellt werde). So sind nach dem Gesagten etwa auch Feststellungen erforderlich, ob zwischen der L. Kft. und der M. GmbH ein gewährleistungstauglicher Erfolg vereinbart wurde, was wiederum Feststellungen voraussetzt, inwieweit der Leistungsgegenstand überhaupt ausreichend konkret vereinbart wurde (dies kann dem angefochtenen Erkenntnis schon deshalb nicht entnommen werden, weil dort zwar der Werkvertrag vom 12. Dezember 2012 zitiert wird, nicht aber der in diesem verwiesene "beigefügte Teilleistungsvertrag mit Leistungsverzeichnis").

36 Hatte das Verwaltungsgericht aber, wie im angefochtenen Erkenntnis bloß angedeutet wird ("die im Rahmen der Kontrolle durchgeführten Einvernahmen gehen insbesondere hinsichtlich der Gewährleistung und der Beaufsichtigung der ungarischen Arbeitskräfte in eine andere Richtung"), Grund zur Annahme, dass das faktische Verhalten der Vertragsparteien nicht mit den gegenständlichen Vertragsbestimmungen übereinstimmt, so hätte es auch diesbezüglich konkreter Feststellungen bedurft, weil entsprechende Feststellungen allenfalls den Schluss zulassen, dass die Vertragsparteien den schriftlichen Vertrag einvernehmlich abgeändert haben.

37 Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall somit, ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht, die maßgebenden Feststellungen zum - für die gegenständliche Übertretung des § 17 Abs. 2 AÜG essenziellen - Tatbestandselement der grenzüberschreitenden Überlassung von Arbeitskräften nicht getroffen.

38 Zur Vermeidung von Missverständnissen sei allerdings festgehalten, dass selbst im Falle der Verneinung des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung eine Meldepflicht für die (gegenständlich dann der Erfüllung eines Werkvertrages dienende) grenzüberschreitende Entsendung von Arbeitnehmern unionsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. das Urteil Santos Palhota, C-515/08 , in welchem der EuGH die Unionsrechtskonformität der Meldepflicht einer grenzüberschreitenden Entsendung - und zwar ohne nach der Entsendungsart iSd des Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 96/71 zu differenzieren - nicht grundsätzlich in Frage gestellt hat).

39 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

40 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit diesem Erkenntnis der Rechtsanschauung des EuGH in dem erwähnten Urteil vom 18. Juni 2015, C-586/13 , und damit seiner Verpflichtung zur Durchsetzung des Unionsrechts Rechnung getragen (vgl. auch Tomandl, aaO, S. 19), sodass es keiner Befassung eines verstärkten Senates infolge des Abgehens von einer früheren Rechtsprechung bedurfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2013, Zl. 2011/17/0156).

41 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. August 2017

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