Normen
BFA-VG 2014 §9
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1
MRK Art8 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210099.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist libanesischer Staatsangehöriger und reiste im August 2007 nach Österreich. Hier stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17. Dezember 2012 ‑ in Verbindung mit einer Ausweisung des Revisionswerbers in den Libanon ‑ vollinhaltlich abgewiesen wurde.
2 Der Revisionswerber verblieb in Österreich, wo ihm dann im August 2014 im Hinblick auf seine Verankerung im Bundesgebiet (insbesondere Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin, Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit und Deutschkenntnisse auf Niveau B1) eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt wurde.
3 Am 21. Juni 2015 vergewaltigte der Revisionswerber ein 15‑jähriges Mädchen. Er wurde deshalb ‑ sowie wegen einer nach Tatbegehung versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage ‑ nach § 201 Abs. 1 StGB und nach den §§ 15 Abs. 1, 12 zweiter Fall, 288 Abs. 4 StGB zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Aus dieser wurde er nach Verbüßung von knapp zweieinhalb Jahren am 22. Dezember 2017 bedingt entlassen.
4 Mittlerweile hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 4. Jänner 2017 eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, wobei für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt worden war. Unter einem hatte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Libanon ‑ seine darauf Bezug nehmenden Gefährdungsbehauptungen seien nicht zutreffend ‑ zulässig sei. Überdies war noch ausgesprochen worden, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, in der neben dem Revisionswerber seine Lebensgefährtin und seine Schwester einvernommen worden waren, als unbegründet ab. Außerdem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
8 Diesbezüglich macht der Revisionswerber zunächst geltend, es fehle an einer gesicherten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob bereits ein einmaliger Verstoß eines ansonsten langjährig in Österreich aufhältigen und sich korrekt verhaltenden Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung und ein achtjähriges Einreiseverbot rechtfertigten. In diesem Zusammenhang wird dann noch behauptet, der Revisionswerber stelle angesichts seiner nur einmaligen Verurteilung keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar, weshalb nicht nachvollziehbar sei, wieso der mit Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot erfolgende Eingriff in das Privat‑ und Familienleben des Revisionswerbers durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 EMRK gedeckt sei.
9 Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur stets zum Ausdruck gebracht hat, dass auch aus einem einmaligen Fehlverhalten ‑ entsprechende Gravität vorausgesetzt ‑ eine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit abgeleitet werden kann und dass im Hinblick darauf die Verhängung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes, auch gegen langjährig rechtmäßig in Österreich aufhältige Fremde, gegebenenfalls nicht zu beanstanden ist (vgl. aus jüngerer Zeit nur VwGH 29.6.2017, Ra 2016/21/0338, oder VwGH 15.3.2018, Ra 2018/21/0021).
10 Im vorliegenden Fall kann nicht in Zweifel stehen, dass das vom Revisionswerber verübte Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB eine massive Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellte. Wenn das BVwG vor diesem Hintergrund ‑ auch in Anbetracht der erst mit Dezember 2017 erfolgten bedingten Entlassung aus der Strafhaft ‑ vom Vorliegen einer aktuellen schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung ausging und die Interessenabwägung nach § 9 BFA‑VG zu Lasten des Revisionswerbers vornahm, so erweist sich das jedenfalls als vertretbar und damit als nicht revisibel (vgl. nur den schon genannten Beschluss VwGH 29.6.2017, Ra 2016/21/0338, Rn. 12).
11 Mit seinem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, es fehle gesicherte Rechtsprechung zur Frage, welche konkreten Erfordernisse an die Bescheinigung einer Bedrohung im Herkunftsstaat im Sinn des Art. 3 EMRK anzulegen seien, macht der Revisionswerber der Sache nach eine unrichtige Beweiswürdigung des BVwG im Zusammenhang mit der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG geltend, wonach die Abschiebung des Revisionswerbers in den Libanon zulässig sei.
12 Dazu ist zunächst einleitend festzuhalten, dass der Revisionswerber über ausdrückliche Nachfrage des BVwG erklärt hatte, keinen (wiederholten) Antrag auf internationalen Schutz stellen zu wollen, weshalb sich das BVwG zu Recht mit dem vom Revisionswerber im Zuge des Rückkehrentscheidungsverfahrens erstatteten Gefährdungsvorbringen (insbesondere der geltend gemachten Bedrohung durch Familienmitglieder im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte Taufe) näher auseinandergesetzt hat (insoweit sind die in VwGH 15.9.2016, Ra 2016/21/0234, unter Rn. 24 angestellten einleitenden Überlegungen auch nach Änderung des § 52 Abs. 9 FPG durch das FrÄG 2017 weiterhin gültig). Wenn das BVwG dabei im Rahmen seiner Beweiswürdigung aber zu dem Ergebnis gelangte, das vorgebrachte Gefährdungsszenario sei als nicht glaubhaft zu beurteilen, so könnte das nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG begründen, wenn das BVwG seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (siehe aus jüngerer Zeit etwa VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0206, Rn. 9). Das ist hier aber nicht der Fall, weil das BVwG auf alle für die Darstellung des Revisionswerbers sprechenden Beweismittel eingegangen ist und ‑ nicht zuletzt auf Grund des vom Revisionswerber und seiner Schwester im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gewonnenen Eindrucks ‑ im Ergebnis letztlich nicht unnachvollziehbar zu der Schlussfolgerung gelangte, es liege ein insgesamt nur „konstruiertes“ Verfolgungsszenario vor. Bezeichnenderweise unterbleibt dann auch in der Begründung der Revision eine substantiierte Bekämpfung der im einzelnen angestellten beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG.
13 Somit wirft die Revision insgesamt keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 3. Juli 2018
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