VwGH Ra 2016/21/0338

VwGHRa 2016/21/033829.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des J S in W, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Oktober 2016, Zl. G305 1224716- 2/13E, betreffend insbesondere Versagung eines Aufenthaltstitels, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs5;
NAG 2005 §25 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein am 17. Juni 1983 geborener Staatsangehöriger des Kosovo, reiste am 18. September 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Mit Bescheid vom 27. September 2001 wies das Bundesasylamt diesen Antrag ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo zulässig sei. Eine dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. April 2002 abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 22. Oktober 2002, Zl. 2002/01/0202, ab.

2 Mit rechtskräftigem Beschluss vom 13. Juni 2002 bewilligte das Bezirksgericht Baden die Adoption des Revisionswerbers durch ein österreichisches Ehepaar. In der Folge wurden ihm Aufenthaltstitel, zuletzt ein bis 30. Juni 2015 gültiger Niederlassungsnachweis (gemäß § 11 Abs. 1 Abschnitt C der NAG-DV iVm § 81 Abs. 29 NAG: Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU") ausgefolgt. Dazu brachte der Revisionswerber am 2. Juni 2015 einen Verlängerungsantrag ein.

3 Im Bundesgebiet hält sich weiters ein Bruder des Revisionswerbers (ein österreichischer Staatsbürger) auf, bei dem dieser wohnte und (auch) zuletzt in dessen Unternehmen beschäftigt war. Der Revisionswerber, der gute Deutschkenntnisse aufweist, ist unverheiratet und kinderlos; er unterhält eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin.

4 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. September 2010 war der Revisionswerber wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 1 WaffG zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt worden. Er hatte am 12. Februar 2010 in Wien einer anderen Person durch Abgabe eines Schusses mit seiner Pistole gegen den rechten Oberschenkel eine schwere Körperverletzung, nämlich eine Durchschussverletzung des rechten Oberschenkels, also eine an sich schwere Verletzung, absichtlich zugefügt, sowie von Ende Dezember 2009 bis zum 22. Februar 2010, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, nämlich eine näher bezeichnete Pistole, besessen. Die verhängte Freiheitsstrafe verbüßte er - unter Berücksichtigung der Vorhaft - vom 22. Februar 2010 bis zur bedingten Entlassung am 12. Mai 2011.

5 Wegen dieser Straftaten leitete die Niederlassungsbehörde aus Anlass des erwähnten Verlängerungsantrages vom 2. Juni 2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung nach § 25 Abs. 1 NAG ein.

6 Mit Bescheid vom 20. Mai 2016 sprach das BFA aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Es erließ gemäß § 52 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm mit § 9 BFA-VG gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Kosovo zulässig sei, und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erließ es gegen ihn ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot.

7 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, die das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), nach Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung, mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. Oktober 2016 als unbegründet abwies. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Rechtlich erachtete das BVwG aufgrund des vom Revisionswerber begangenen massiven Verbrechens der Sache nach die Voraussetzungen nach § 52 Abs. 5 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 FPG für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes als erfüllt. Nach näherer Abwägung der familiären und privaten Verhältnisse des Revisionswerbers, des Maßes seiner in Österreich erreichten Integration sowie der verbliebenen Kontakte im Heimatstaat gelangte das BVwG zusammenfassend zum Ergebnis, dass das Interesse des Revisionswerbers an der Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwiege, sodass sich die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot aus dem Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG als rechtmäßig erwiesen. Auch ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 sei von Amts wegen nicht zu erteilen. Unter Berücksichtigung des - nach mündlicher Verhandlung angenommenen - ungünstigen Persönlichkeitsbildes, des gänzlichen Unterbleibens einer bedingten Strafnachsicht durch das verurteilende Strafgericht sowie die relative Kürze der seit Beendigung des Strafvollzuges verstrichenen Zeit könne kein Wegfall der vom Revisionswerber ausgehenden Gefährdung angenommen werden. Die zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse nach einer Rückkehr in den Heimatstaat seien im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen.

Den nach § 25a Abs. 1 VwGG getroffenen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das BVwG damit, dass es im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entschieden habe. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung seien im Verfahren auch nicht hervorgekommen.

9 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 12. Dezember 2016, E 2885/2016-17, ablehnte.

Die parallel dazu erhobene Revision erweist sich als unzulässig. 10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

12 In dieser Hinsicht wendet sich der Revisionswerber der Sache nach vor allem gegen die Gefährlichkeitsprognose sowie die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG. Beides wurde jedoch auf Basis einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, sodass diese Fragen nicht revisibel sind (vgl. dazu zuletzt etwa den hg. Beschluss vom 11. Mai 2017, Ra 2017/21/0061, mwN).

13 Der Revisionswerber weist des Weiteren zwar zutreffend darauf hin, dass es nicht zu einem Abspruch nach § 55 AsylG 2005 zu kommen gehabt hätte. Dadurch wurde er jedoch nicht in Rechten verletzt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0185, Rz 7, mwN).

14 Die Revision wirft somit insgesamt keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Sie erweist sich damit als unzulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war.

Wien, am 29. Juni 2017

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