VwGH Ra 2018/21/0032

VwGHRa 2018/21/003215.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des P B in W, vertreten durch Mag. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 8/1/1-3, gegen das am 3. Juli 2017 mündlich verkündete und am 29. Dezember 2017 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, G314 2158608-1/8E, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §52 Abs9;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §53 Abs3;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210032.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein 1964 geborener serbischer Staatsangehöriger, reiste Anfang März 2000 mit einem Visum nach Österreich ein und verblieb hier auch nach Ablauf von dessen Gültigkeit. Zur Verhinderung seiner Abschiebung stellte er während der Anhaltung in Schubhaft einen Asylantrag, der erstinstanzlich im Juli 2000 abgewiesen wurde. Das diesbezügliche Berufungsverfahren wurde - nach dessen vorübergehender Einstellung - mit dem im Februar 2008 ergangenen abweisenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates beendet. Im Hinblick auf das bis dahin anhängige Asylverfahren wurde ein im Oktober 2001 gegen den Revisionswerber wegen Betretung auf einer Baustelle bei Ausübung einer Beschäftigung ohne entsprechende Bewilligung verhängtes fünfjähriges Aufenthaltsverbot nie vollzogen.

2 Der Revisionswerber wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Oktober 2007 wegen des Verbrechens des (teilweise versuchten) gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt nachgesehen) verurteilt. Deshalb wurde über ihn am 11. Jänner 2008 ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen, das in Verbindung mit der im Instanzenzug mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. April 2008 ergangenen Ausweisung zu einem unbefristeten Aufenthaltsverbot wurde. Ungeachtet dessen verblieb der Revisionswerber weiterhin in Österreich und war immer wieder ohne Beschäftigungsbewilligung unselbständig und ab August 2009 auch selbständig tätig, wobei er sich beginnend im Jahr 2007 unter Verwendung mehrerer falscher Identitätsangaben als slowenischer Staatsangehöriger ausgab. In der Folge wurde der Revisionswerber wegen Verwendung eines gefälschten slowenischen Reisepasses zum Nachweis seiner Identität und seiner Aufenthaltsberechtigung sowie wegen der (teilweise auch unter Verwendung dieses Dokuments vorgenommenen) gewerbsmäßigen Begehung von schweren Betrugsdelikten mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Juni 2010 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt. Nach deren (infolge bedingter Entlassung) teilweiser Verbüßung wurde der Revisionswerber im September 2010 nach Serbien abgeschoben. Er kam jedoch - entgegen dem bestehenden Aufenthaltsverbot - nach Änderung seines Namens und Ausstellung eines darauf lautenden Reisepasses wieder nach Österreich zurück, wurde im August 2011 wiederum bei einer Beschäftigung betreten und im März 2012 nochmals abgeschoben, was den Revisionswerber allerdings nicht von einer neuerlichen Rückkehr nach Österreich abhielt.

3 Das Aufenthaltsverbot wurde zwar - den Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid und im vorliegend angefochtenen Beschwerdeerkenntnis zufolge - im September 2013 aufgehoben, trotzdem verfügte der nach wie vor in Österreich unangemeldet aufhältige Revisionswerber weiterhin über keinen Aufenthaltstitel. Er verwendete daher einen gefälschten slowenischen Personalausweis, was zu einer weiteren strafgerichtlichen Verurteilung führte, nämlich mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11. November 2013 zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten (davon sechs Monate bedingt nachgesehen). Ungeachtet dessen trat der - wiederholt unerlaubt erwerbstätige - Revisionswerber in den Jahren 2014 und 2015 nunmehr unter Verwendung der Identitätsdaten eines bulgarischen Staatsangehörigen auf. In diesem Zusammenhang wurde er dann neuerlich vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Juli 2016 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt, und zwar wegen Verwendung eines verfälschten bulgarischen Führerscheines und Personalausweises im Zuge einer am 25. November 2015 vorgenommenen Fahrzeug- und Personenkontrolle, wobei das Strafgericht den Rückfall innerhalb offener Probezeit und die zwei einschlägigen Vorstrafen als erschwerend wertete.

4 Im Hinblick darauf teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber mit Schreiben vom 25. August 2016 mit, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes beabsichtigt sei. In der hierauf ergangenen Stellungnahme vom 13. September 2016 bestritt der Revisionswerber im Wesentlichen, dass sein Aufenthalt im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin, die ihm den Erhalt eines Aufenthaltstitels und den freien Zugang zum Arbeitsmarkt ermögliche, noch eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Am 14. Oktober 2016 schloss der Revisionswerber sodann mit einer (aus Serbien stammenden) österreichischen Staatsbürgerin, mit der er seit mehreren Jahren eine Lebensgemeinschaft führt und im gemeinsamen Haushalt lebt, die Ehe. Die Ehefrau des Revisionswerbers ist als Reinigungskraft mit einem Nettoeinkommen von etwa EUR 1.200,-- erwerbstätig. Der Revisionswerber wird von ihr finanziell unterstützt und ist krankenversichert; er verfügt auch über eine Einstellungszusage. Er reist mehrmals im Jahr nach Serbien, um seine dort lebenden Familienangehörigen (Vater, volljähriger Sohn, Schwester), mit denen er auch sonst Kontakt hat, zu besuchen. Ein vom Revisionswerber am 16. Februar 2017 gestellter Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels wurde mit erstinstanzlichem Bescheid vom 24. Mai 2017 abgewiesen.

5 Mit Bescheid vom 28. April 2017 hatte das BFA zunächst ausgesprochen, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Weiters stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei und es gewährte ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zur freiwilligen Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

6 In der dagegen erhobenen Beschwerde argumentierte der Revisionswerber im Sinne seines Standpunktes in der Stellungnahme vom 13. September 2016 und bestritt das aktuelle Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, weil "strafbare Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen" von ihm jetzt nicht mehr zu erwarten seien. Er habe das Vergehen der Verwendung gefälschter (besonders geschützter) Urkunden nämlich nur deshalb begangen, um eine "Anstellung" am österreichischen Arbeitsmarkt zu finden, was ihm als Ehemann einer Österreicherin aber nunmehr nach Erteilung eines Aufenthaltstitels sogleich möglich sein werde.

7 Dieser Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen, am Ende der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2017 verkündeten und am 29. Dezember 2017 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis teilweise (nur) dahin Folge, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde (implizit) abgewiesen. Weiters sprach das BVwG gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 Vorweg ist festzuhalten, dass mit der vorliegenden Revision das gegenständliche Erkenntnis des BVwG formell zwar zur Gänze angefochten wird, sie enthält jedoch keine inhaltlichen Ausführungen zur (amtswegigen) Versagung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, zur auf den (unbestritten) unrechtmäßigen Aufenthalt des Revisionswerbers gegründeten und demzufolge gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassenen Rückkehrentscheidung samt Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 FPG und zur gemäß § 52 Abs. 9 FPG getroffenen Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in seinen Herkunftsstaat Serbien. Das sachbezogene Vorbringen beschränkt sich in der Revision vielmehr auf das gegen den Revisionswerber (auch) erlassene Einreiseverbot. Dem entsprechend wird in der Revision dann abschließend primär auch nur der Antrag gestellt, der Verwaltungsgerichtshof "wolle" das angefochtene Erkenntnis dahin abändern, dass der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 28. April 2017 Folge gegeben und gegen den Revisionswerber "gar kein Einreiseverbot - in eventu kein Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahren - erlassen wird".

11 In Bezug auf die Ausführungen zum Einreiseverbot ist zunächst zu bemängeln, dass das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision und die Revisionsgründe unter einem erstattet werden, womit dem Gebot des § 28 Abs. 3 VwGG, der eine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe verlangt, nicht entsprochen wird. Soweit im Übrigen in der Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit - erkennbar - ein Abweichen von der Rechtsprechung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG in Bezug auf die vom BVwG gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG vorgenommene Gefährdungsprognose und die gemäß § 9 BFA-VG vorgenommene Interessenabwägung geltend gemacht werden soll, bezieht sich der Revisionswerber nur auf fünf näher genannte Entscheidungen des BVwG. Das genügt - abgesehen davon, dass es dort jeweils nicht um ein Einreiseverbot nach § 53 Abs. 3 FPG, sondern um ein nicht vergleichbares, einen höheren Gefährdungsmaßstab verlangendes Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 FPG und auch sonst um nicht vergleichbare Fälle ging - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Darstellung dieses Zulässigkeitsgrundes. Es wäre vielmehr konkret anzugeben gewesen, in welchen Punkten das vorliegend bekämpfte Erkenntnis des BVwG von welchen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 17.2.2015, Ra 2014/01/0172, und in diesem Sinn auch noch mehrere weitere Entscheidungen, wie z. B. VwGH 23.2.2017, Ra 2017/21/0009, Rn. 10, mwN; siehe im Übrigen auch noch VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0075, Rn. 7, wo sich der Revisionswerber, ähnlich wie hier, nur auf Entscheidungen anderer Gerichte bezog).

12 Zur Vollständigkeit ist dem Revisionswerber aber noch zu erwidern, dass das vom BVwG nach mündlicher Verhandlung unter Einbeziehung des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks erzielte Ergebnis sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung jedenfalls vertretbar ist, was nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insoweit der Zulässigkeit einer (außerordentlichen) Revision entgegensteht (vgl. VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0033, und zahlreiche daran anschließende Entscheidungen; siehe aus der jüngeren Vergangenheit etwa VwGH 29.6.2017, Ra 2017/21/0075, Rn. 11, mwN). An dieser Beurteilung kann auch die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nichts ändern. Das einleitend wiedergegebene bisherige Verhalten des Revisionswerbers zeigt nämlich, dass er nicht nur auf geradezu unbelehrbare Art fremdenrechtliche Normen missachtete, sondern auch auf verschiedene und gravierende Weise gegen strafgesetzliche Bestimmungen verstoßen hatte, zumal er einerseits wegen der Begehung von durch einschlägigen und mehrfachen Rückfall gekennzeichneten Urkundendelikten und andererseits wegen der Begehung von wiederholten, gewerbsmäßig verübten Eigentumsdelikten verurteilt werden musste, ohne dass der (teilweise) Vollzug der Freiheitsstrafen bisher erkennbare Besserungswirkung zeigte. Das wird in der Revision, die lediglich auf die letzte Verurteilung vom 18. Juli 2016 Bezug nimmt, außer Acht gelassen. Von den genannten Umständen ausgehend musste das BVwG, das ohnehin eine angemessene Reduktion der Dauer des Einreiseverbotes vornahm, aber weder von einem Wegfall der Gefährdung noch von einem durch die (allfällige) Trennung von seiner Ehefrau bewirkten unverhältnismäßigen Eingriff in das Familienleben ausgehen.

13 Aus all dem folgt, dass in der Revision keine für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2018

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