Normen
B-VG Art133 Abs3;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
VStG §19;
VStG §22;
VwGG §41;
VwGVG 2014 §44 Abs4;
VwGVG 2014 §44;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170057.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 31. Mai 2016 wurde die Revisionswerberin der dreifachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 (3. Fall) Glücksspielgesetz (GSpG) schuldig erkannt. Es wurden über sie drei Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 6.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 72 Stunden) verhängt. Die Kosten gemäß § 64 Abs. 2 VStG wurden mit EUR 1.800,-- bestimmt.
2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - insoweit statt, als die Geldstrafe mit EUR 9.000,-- (sowie die Ersatzfreiheitsstrafe mit 4 Tagen) neu bemessen wurde (Spruchpunkt 1.). Die Kosten des behördlichen Verfahrens wurden mit EUR 900,-- bestimmt (Spruchpunkt 2.) und gemeinsam mit dem Strafbetrag binnen zwei Wochen zur Zahlung vorgeschrieben (Spruchpunkt 3.). Weiters sprach das LVwG aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 4.).
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, stellt die Verletzung der Verhandlungspflicht bzw. des Unmittelbarkeitsgrundsatzes einen Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze bzw. eine konkrete schwerwiegende Verletzung von Verfahrensvorschriften und damit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa VwGH 14.6.2018, Ra 2018/17/0055, mwN).
6 Die Revision erweist sich hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens, das LVwG habe entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine mündliche Verhandlung durchgeführt, als zulässig und begründet.
7 Das LVwG sah trotz entsprechenden Antrages der Revisionswerberin in der erhobenen Beschwerde ohne nähere Begründung von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab.
8 Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war der gegen die Revisionswerberin erhobene Vorwurf, eine Übertretung des GSpG zu verantworten zu haben, sodass im Hinblick auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung § 44 VwGVG anzuwenden war.
9 Das Verwaltungsgericht hat gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. So entfällt die Verhandlung nach Abs. 2 leg. cit., wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Beide Voraussetzungen lagen im Revisionsfall nicht vor. Da das LVwG mit Erkenntnis entschieden hat, kam auch ein Absehen von der Verhandlung nach § 44 Abs. 4 VwGVG, das voraussetzt, dass das Verwaltungsgericht einen Beschluss zu fassen hat, nicht in Betracht (vgl. nochmals VwGH 14.6.2018, Ra 2018/17/0055, mwN).
10 Die Revisionswerberin hatte in ihrer Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich beantragt. Ein nachfolgender Verzicht wurde nicht festgestellt und ist auch nach der Aktenlage nicht ersichtlich. Aus diesem Grunde konnte das LVwG das Unterbleiben der Verhandlung auch nicht auf § 44 VwGVG Abs. 3 oder Abs. 5 stützen.
11 Indem das LVwG daher im Revisionsfall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen hat, erweist sich das angefochtene Erkenntnis infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als rechtswidrig.
12 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aber auch als inhaltlich rechtswidrig:
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG begeht jeder, der mit mehreren Glücksspielgeräten "zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 leg. cit veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht" mehrere selbständige Übertretungen im Sinne des § 22 VStG, für die nebeneinander Strafen zu verhängen sind (vgl. erneut VwGH 14.6.2018, Ra 2018/17/0055, mwN).
14 Im vorliegenden Fall hat das LVwG - im Gegensatz zur belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht - im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses die Strafe nicht pro Glückspielgerät, sondern in Form einer Gesamtstrafe (in der Höhe von EUR 9.000,--) verhängt. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung. Damit verstößt das angefochtene Erkenntnis jedoch gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG, demzufolge über jemanden, der durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat, die Strafen nebeneinander zu verhängen sind. Durch die Verhängung einer Gesamtstrafe ist nicht erkennbar, wie hoch das Ausmaß der Strafe für jede einzelne der selbständigen Handlungen ist, sodass keine nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes in die Richtung möglich ist, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm bei der Strafbemessung zustehenden Ermessen hinsichtlich jeder der einzelnen Übertretungen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. z.B. wieder VwGH 14.6.2018, Ra 2018/17/0055, mwN).
15 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
16 Im fortzusetzenden Verfahren wird das Verwaltungsgericht überdies eine Prüfung im Hinblick auf § 43 VwGVG anzustellen haben. Nach dieser Bestimmung tritt ein verwaltungsbehördliches Straferkenntnis außer Kraft, wenn seit Einlangen der rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde 15 Monate vergangen sind, wobei in diese Frist die Zeiten gemäß § 34 Abs. 2 und § 51 VwGVG nicht eingerechnet werden.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 6. September 2018
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