VwGH Ra 2018/16/0085

VwGHRa 2018/16/008514.8.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision der W GmbH und von DI (FH) HH, beide in H, beide vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße l, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. November 2017, W176 2176832-1/2E, betreffend Einbringung von Zwangsstrafen nach dem GEG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Feldkirch), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
EURallg
GEG §1 Z2
UGB §283
VwGG §28 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018160085.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Unbestritten ist, dass die mit insgesamt 15 Verfügungen gegen die Revisionswerber nach § 283 UGB verhängten Zwangsstrafen wegen Verletzung der Offenlegungspflicht in Höhe von jeweils € 17.500,‑- mangels Erhebung eines Rechtsmittels in Rechtskraft erwuchsen.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Vorschreibung der Zwangsstrafen nach dem GEG als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig ist.

2 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluss vom 14. März 2018, E 38/2018, mit folgender tragenden Begründung ablehnte:

„Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art. 144 Abs. 2 B‑VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art. 83 Abs. 2 B‑VG, auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 1 1. ZPEMRK und Art. 5 StGG, auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 7 B‑VG und Art. 2 StGG, auf ‚Beachtung des österreichischen Ordre Public‘, auf ‚Beachtung des unionsrechtlichen Ordre Public‘ sowie ‚auf Beachtung des Verfassungskerns‘. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes.

Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet gewesen wäre, einen Antrag gemäß Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten, insoweit nicht anzustellen. Das Bundesverwaltungsgericht ist - im vorliegenden Fall - aufgrund der Möglichkeit, gegen seine Entscheidungen eine ordentliche oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, kein letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 267 AEUV (vgl. VfSlg. 19.896/2014).

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit der §§ 276 ff. Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. 219/1897 und des § 24 Firmenbuchgesetz, BGBl. 10/1991, behauptet wird, lässt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat: Die Beschwerde übersieht, dass die von ihr als verfassungswidrig angesehenen Bestimmungen weder im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht noch im Verfahren vor der vor dem Bundesverwaltungsgericht belangten Behörde angewendet wurden und in diesen Verfahren auch nicht anzuwenden waren.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen (§ 19 Abs. 3Z1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).“

Über nachträglichen Antrag trat der Verfassungsgerichtshof mit einem weiteren Beschluss vom 11. April 2018 die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

3 In der vorliegenden Revision erachten sich die Revisionswerber „in ihren unions(grund)rechtlich und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten auf

 Nichtvorschreibung einer nichtigen, weil ordre-public-widrigen Geldstrafe

 Entscheidung durch die zuständige Instanz (EuGH) nach Art. 267 AEUV

 Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art. 17 EUGRC

 ein faires Verfahren in einer Straf- oder Disziplinarsache (Art. 47 AEUV)

 auf Beachtung des österreichischen Ordre Public

 auf Beachtung des unionsrechtlichen Ordre Public

 ordnungsgemäße Entscheidungsbegründung

 ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren

und allenfalls durch Anwendung verfassungswidriger genereller Normen“

verletzt.

4 Die Zulässigkeit ihrer Revision sehen sie darin geboten, jede Frage des Unionsrechtes, die einer Vorlage beim EuGH bedürfe, stelle immer eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn der Revisionszulässigkeit für den Verwaltungsgerichtshof dar. Der vorliegende Fall sei zur Gänze vom Unionsrecht beherrscht, gehe es doch zentral um die Umsetzung der Offenlegungsrichtlinien im österreichischen Recht. Demnach müsse die Revision jedenfalls zulässig sein, weil sie umfangreich Unionsrecht geltend mache. Ob allenfalls acte claire vorliege oder nicht, könne erst im Rahmen der inhaltlichen Prüfung der Revision beurteilt werden. Zusammenfassend werfe die Revision folgende Grundsatzfragen auf, die dem EuGH vorzulegen sein würden:

„1. Kann eine Strafverhängung in zwei Abschnitte gegliedert werden, indem die prinzipielle Strafverhängung im Gerichtswege und die Fälligkeit und Zahlungspflicht im Verwaltungswege festgelegt werden können, ohne dass letztere Behörde an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den ordre public gebunden sein kann?

2. Wenn die Frage 1 bejaht wird: In welchem Abschnitt sind dann die (Unions‑)Grundrechte einzuhalten? In einem oder in beiden Abschnitten?

3. Darf ein Strafbeschluss ohne Zahlungspflicht in einen Zahlungsauftrag umgegossen werden, wenn die Unionsgrundrechte im Strafverhängungsverfahren nicht berücksichtigt worden sind, wie beispielsweise das Recht auf ein faires Verfahren oder auf eine mündliche Verhandlung?“

5 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

Werden in der Zulassungsbegründung neben verfassungsrechtlichen Bedenken auch solche geltend gemacht, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, wäre die Revision zulässig, soweit den diesbezüglichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zukäme (VwGH 2.9.2014, Ra 2014/18/0062, und 3.8.2016, Ro 2016/07/0007).

6 Allerdings fehlt es den zur Begründung der Zulässigkeit der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen an einer konkreten Relevanz für den Ausgang des Verfahrens:

Sache des revisionsgegenständlichen Verfahrens ist nicht die Verhängung von Zwangsstrafen nach § 283 UGB - deren Verhängung die Revisionswerber in den zugrundeliegenden Verfahren zudem gänzlich unbeeinsprucht ließen -, sondern deren gerichtliche Einbringung, die weder eine Straf- noch eine Disziplinarsache darstellt (VwGH 7.6.2018, Ro 2018/16/0069, /0070; zur Einordnung der Zwangsstrafen nach § 283 UGB sowie zur unions- und verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Verhängung dieser Strafen vgl. im Übrigen die unter RIS-Justiz RS 0113285 sowie RS 0115894 wiedergegebene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, mwN; zur Unbedenklichkeit gegen die gleichzeitige Verhängung mehrerer Zwangsstrafen nach § 283 UGB für verschiedene Zeiträume vgl. RIS-Justiz RS 0127331).

Schließlich legen die Revisionswerber nicht dar, inwiefern die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Vorschreibung der Zwangsstrafen im Verfahren nach § 283 UGB einerseits und deren Einbringung nach dem GEG im Justizverwaltungsweg unter nachprüfender Kontrolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits in den von ihnen geltend gemachten Rechten (Revisionspunkten) berührte, unterließen sie es doch, im Grundverfahren nach § 283 UGB Einwendungen gegen die Verhängung der Beugemittel zu erheben und damit ihre Rechte dort geltend zu machen, sodass von einer mangelnden Berücksichtigung der „Unionsgrundrechte im Strafverhängungsverfahren“ keine Rede sein kann.

7 Die Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 14. August 2018

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