VwGH Ra 2018/14/0143

VwGHRa 2018/14/014315.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweinzer, über die Revision 1.) der AB, 2.) des CD, und

3.) des EF, alle vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2018,

1) W266 2199984-1/2E, 2) W266 2199981-1/2E und 3) W266 2199978- 1/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §15 Abs1 Z1;
AsylG 2005 §18 Abs1;
AsylG 2005 §3 Abs1;
AsylG 2005 §34 Abs1;
AsylG 2005 §34 Abs4;
AVG §46;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018140143.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige Afghanistans. Die Erstrevisionswerberin ist die Ehefrau eines afghanischen Staatsangehörigen, dem mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10. Juni 2013 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Der Zweit- und Drittrevisionswerber sind die gemeinsamen minderjährigen Söhne des Ehepaares. Am 24. November 2017 stellten die Revisionswerber Anträge auf internationalen Schutz und gaben an, keine eigenen Fluchtgründe zu haben und den Antrag deshalb zu stellen, weil der Ehemann bzw. Vater in Österreich den Status des subsidiär Schutzberechtigten erlangt habe.

2 Nach Einvernahme der Erstrevisionswerberin, in der sie zu den Fluchtgründen befragt erneut angab, dass die Revisionswerber keine eigenen Fluchtgründe hätten, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheiden vom 24. Mai 2018 die Anträge hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab, erkannte den Revisionswerbern den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu und erteilte ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 25. Mai 2019.

3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diese Entscheidungen, soweit damit der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt wurde, erhobenen Beschwerden als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung im Wesentlichen vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung, wonach auf Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen sei, abgewichen. Über erhebliche Behauptungen der Partei könne sich das Gericht ohne Begründung und ohne Ermittlungen nicht hinwegsetzen. Insbesondere seien für jeden Familienangehörigen allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln. Dies habe sowohl das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch das Bundesverwaltungsgericht unterlassen. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht es verabsäumt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, obwohl die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substanziiert bekämpft bzw. ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet worden sei.

8 Auf der Grundlage dieses Vorbringens erweist sich die Revision als nicht zulässig:

9 Unabhängig von der konkreten Formulierung ist jeder Antrag eines Familienangehörigen in erster Linie auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gerichtet. Es sind daher für jeden Antragsteller allfällige eigene Fluchtgründe zu ermitteln. Nur wenn solche - nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren - nicht hervorkommen, ist dem Antragsteller jener Schutz zu gewähren, der bereits einem anderen Familienangehörigen gewährt wurde (vgl. VwGH 24.03.2015, Ra 2014/19/0063, mwN). Dem Vorbringen des Asylwerbers kommt zentrale Bedeutung zu. Das geht auch aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervor, wonach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diese Pflicht bedeutet aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte - wie im vorliegenden Fall - jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).

10 In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab die Erstrevisionswerberin befragt zu den persönlichen Umständen im Wesentlichen an, in Afghanistan viel Stress und viele Probleme gehabt zu haben; sie sei alleine und ohne ihren Mann gewesen. Im Iran sei es ihr besser gegangen, ihr sei Geld geschickt worden. Befragt zu den Fluchtgründen gab die Erstrevisionswerberin ausdrücklich an, keine eigenen Fluchtgründe und keine Befürchtungen in Bezug auf eine mögliche Rückkehr nach Afghanistan zu haben. Auch ihre beiden Kinder (der Zweit- und Drittrevisionswerber) hätten keine eigenen Fluchtgründe und seien zum Erhalt des Familienverbundes nach Österreich mitgekommen.

11 Soweit die Revision nunmehr erstmals im Verfahren ins Treffen führt, die Erstrevisionswerberin und eines ihrer Kinder seien in Afghanistan der Gewalt durch den Vater der Erstrevisionswerberin ausgesetzt gewesen, steht der Berücksichtigung dieses Vorbringens das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot entgegen. Das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage kann nicht mit einem Vorbringen begründet werden, das unter das Neuerungsverbot fällt (vgl. VwGH 14.12.2016, Ra 2016/19/0300, mwN).

12 Im Übrigen ist schon aufgrund des keinen Bezug zu einem in der GFK genannten Grund aufweisenden bloß allgemein gehaltenen Vorbringens der Revisionswerber zur Situation von alleinstehenden Frauen in Afghanistan fallbezogen keine asylrelevante Verfolgung erkennbar.

13 Soweit die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, ist ihr zu entgegnen, dass § 21 Abs. 7 BFA-VG das Unterbleiben einer Verhandlung erlaubt, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018). Ein Absehen von der mündlichen Verhandlung ist dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

14 Die Revision vermag mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht von diesen Leitlinien abgewichen wäre. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist nicht erkennbar, dass in der Beschwerde ein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet worden wäre.

15 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 15. Oktober 2018

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