Normen
ASVG §330a idF 2017/I/125;
ASVG §330a idF 2017/I/125;
ASVG §707a Abs2 idF 2017/I/125;
AVG §56;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018100076.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 31. Jänner 2018 behob das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich - in Stattgebung der von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde - den Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht (= Revisionswerberin) und stellte das diesem zugrunde liegende Verfahren zum Ersatz von Kosten von Leistungen sozialer Hilfe an die Großmutter der Mitbeteiligten ein.
2 Dabei ging das LVwG davon aus, dass dem begehrten Kostenersatz die Unterbringung der Großmutter der Mitbeteiligten in einer näher bezeichneten stationären Pflegeeinrichtung zu Grunde liege. Damit gelange § 330a iVm § 707a ASVG zur Anwendung, weshalb das laufende Verfahren zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs für die Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung einzustellen sei.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Zu ihrer Zulässigkeit macht die vorliegende Revision geltend, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob es sich bei einem Kostenersatzverfahren wie dem vorliegenden, das sich auf den Rückersatz von Kosten beziehe, die bis zum 31. März 2017 und sohin vor dem 1. Jänner 2018 entstanden seien, um ein laufendes Verfahren im Sinne des § 707a Abs. 2 ASVG handle. Ferner sei zu klären, ob Kosten, die vor dem 1. Jänner 2018 angefallen seien, auch einer Anmeldung im Verlassenschaftsverfahren zugänglich gemacht werden könnten oder ob es sich in allen diesen Fällen um laufende Verfahren iSd genannten Bestimmung handle, unabhängig davon, in welchem Zeitraum die Unterbringung in einer stationären Einrichtung und die daraus angefallenen Kosten lägen.
7 Was die Zulässigkeit der Anmeldung einer Kostenersatzforderung im Verlassenschaftsverfahren betrifft, so ist ein solches - in die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit fallendes - Verfahren nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewesen. Von der Lösung der Frage der Zulässigkeit von Forderungsanmeldungen im Verlassenschaftsverfahren hängt die Entscheidung über die Revision daher nicht ab.
8 Zur Frage, ob Verfahren zur Geltendmachung eines Ersatzes der vor 1. Jänner 2018 entstandenen Kosten für die Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung auch nach diesem Stichtag fortgeführt werden dürfen, sind die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. I Nr. 125/2017, in den Blick zu nehmen:
"Verbot des Pflegeregresses
§ 330a. (Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.
...
Weitere Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017
§ 707a.
(1) ...
(2) (Verfassungsbestimmung) § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen."
9 § 707a Abs. 2 2. Satz ASVG ordnet an, dass ab 1. Jänner 2018 zum einen Ersatzansprüche iSd § 330a leg. cit. nicht mehr geltend gemacht werden dürfen, zum anderen auch laufende Verfahren einzustellen sind. Von der Ermächtigung zur näheren Ausgestaltung des Übergangsrechts wurde nicht Gebrauch gemacht.
10 Die in der Zulassungsbegründung gestellte Frage, ob sich die Anordnung des § 707a Abs. 2 ASVG auch auf den Rückersatz von Kosten beziehe, die vor dem 1. Jänner 2018 entstanden seien, lässt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung klären. § 707a Abs. 2 ASVG knüpft seine Wirkungen unmissverständlich an den Zeitpunkt des Vermögenszugriffs und nicht an jenen der Entstehung der zu ersetzenden Kosten. Ab 1. Jänner 2018 darf ein Vermögenszugriff iSd § 330a ASVG nicht mehr stattfinden. Daraus ergibt sich, dass alle am 1. Jänner 2018 in einer solchen Angelegenheit anhängigen Verfahren der neuen Rechtslage unterliegen sollen. Dies folgt auch aus der weiteren Anordnung des § 707a Abs. 2 3. Satz ASVG, wonach, insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft treten.
11 Wenn § 707a Abs. 2 leg. cit. als Stichtag für das Verbot des Vermögenszugriffs den 1. Jänner 2018 festlegt und von zu diesem Zeitpunkt "anhängigen Verfahren" spricht, so können solchen zum Stichtag 1. Jänner 2018 denkmöglich nur Kosten zugrunde liegen, die bereits zuvor entstanden sind, könnten doch für nach dem Stichtag entstandene Kosten am Stichtag noch keine Kostenersatzverfahren eingeleitet sein.
12 Demnach umfasst das in § 330a ASVG enthaltene Verbot des Pflegeregresses nach § 707a Abs. 2 leg. cit. auch Kosten, die vor dem 1. Jänner 2018 angefallen sind (so auch jüngst OGH 30.4.2018, 1 Ob 62/18a).
13 Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. VwGH 29.10.2007, 2006/10/0108; 28.2.2018, Ra 2016/10/0055) ist im Kostenersatzverfahren die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich (vgl. allgemein zur Ausrichtung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076; 19.5.2015, Ra 2015/05/0017; 30.3.2017, Ro 2015/03/0036).
14 Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass sich der Kostenersatz auf Pflegekosten im Rahmen der Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung bezieht. Das Verfahren zur Geltendmachung des Kostenersatzes befand sich zum Stichtag 1. Jänner 2018 im Stadium der Anhängigkeit vor dem Verwaltungsgericht. Nach dem nicht nach dem Verfahrensstadium differenzierenden Gesetzeswortlaut handelt es sich daher um ein laufendes Verfahren zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs iSd § 330a ASVG, sodass das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtslage den Kostenersatzbescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen hatte.
15 Trotz Fehlens von Rechtsprechung liegt dann keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 8.2.2018, Ra 2017/11/0292;
11.12.2017, Ra 2015/11/0102; 22.11.2017, Ra 2017/10/0174;
26.2.2015, Ra 2015/11/0008). Dies ist - wie gezeigt - hier der Fall.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen. Wien, am 8. August 2018
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