Normen
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §44 Abs3;
VwGVG 2014 §44 Abs5;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090107.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 5. September 2017 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin den ägyptischen Staatsangehörigen A H von 12. Juli 2016 bis 24. November 2016 beschäftigt habe, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Er habe dadurch § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- (im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) verhängt wurde.
2 Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach § 7 Abs. 6 AuslBG erlösche die Beschäftigungsbewilligung mit Beendigung der Beschäftigung des Ausländers. Nach der Judikatur könne die tatsächliche Arbeitsleistung ausgesetzt werden, ohne dass dadurch eine Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführt werde, solange der auf die Fortsetzung der Leistung gerichtete übereinstimmende Wille beider Vertragspartner vorhanden sei. Davon sei im gegenständlichen Fall aber nicht auszugehen, da A H (für den eine Beschäftigungsbewilligung für den Zeitraum vom 25. November 2015 bis 24. November 2016 für die M GmbH ausgestellt gewesen sei) in der Zeit vom 1. Juni 2016 bis 12. Juni 2016 bei einer anderen Firma beschäftigt gewesen sei. A H habe dazu als Zeuge vernommen angegeben, dass es bei der M GmbH nicht viel Arbeit gegeben habe, deswegen habe er sich etwas anderes gesucht. Er habe einen Monat bei einer Mietwagenfirma gearbeitet, dafür habe er auch eine Beschäftigungsbewilligung gehabt. Nach einem Monat habe er aber gekündigt und sei wieder zurück zur M GmbH gegangen. Am 12. Juli 2016 sei auch ein neuer Dienstvertrag abgeschlossen worden. Es sei daher nicht von einem ununterbrochenen Dienstverhältnis auszugehen, da A H im Zeitraum der Unterbrechung ein neues Beschäftigungsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber eingegangen sei, wofür er auch eine Beschäftigungsbewilligung für den Zeitraum eines Jahres erhalten habe. Daraus ergebe sich, dass nicht nur eine kurzfristige Unterbrechung der Tätigkeit geplant gewesen sei. Zudem sei A H ab 12. Juli 2016 auch mit 20 Stunden pro Woche beschäftigt worden, obwohl in der Beschäftigungsbewilligung vom 25. November 2015 nur eine Teilzeitbeschäftigung von 15 Stunden pro Woche bewilligt worden sei. Es sei die Verpflichtung des Mitbeteiligten als Arbeitgeber, vor der Aufnahme bzw. bei der Wiederaufnahme von Arbeitnehmern die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu überprüfen und sich bezüglich der geltenden Vorschriften bei den dafür zuständigen Behörden zu erkundigen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. April 2018 wurde einer dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde stattgegeben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe von Rechtsvorschriften sowie hg. Judikatur im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht verkenne nicht, dass es sich bei der Frage, ob der Wille beider Vertragsteile auf die fortdauernde Rechtswirksamkeit des Beschäftigungsverhältnisses gerichtet gewesen sei, um eine - in der Regel in einer mündlichen Verhandlung zu klärende - Sachverhaltsfrage handle, nach deren Klärung erst die Frage beurteilt werden könne, ob eine Beendigung im Sinne des § 7 Abs. 6 Z 1 AuslBG oder eine bloße Aussetzung der Beschäftigung des Ausländers vorgelegen sei. Doch selbst wenn man nicht von einer bloßen Aussetzung, sondern von einer Beendigung der Beschäftigung ausgehe, sei dem Mitbeteiligten - im Lichte des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, 92/09/0321 - ein entschuldbarer Rechtsirrtum in gutem Glauben zuzubilligen, was sich - wie im Fall des genannten hg. Erkenntnisses - daraus entnehmen lasse, dass der Mitbeteiligte die Weiterbeschäftigung prompt der Krankenkasse gemeldet habe, sodass ein Schuldspruch rechtswidrig sei, zumal die Weiterbeschäftigung mit dem Datum des Ablaufes der Beschäftigungsbewilligung beendet worden sei. Es sei daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen gewesen. Die Finanzpolizei habe sich in ihrer (im Beschwerdeverfahren abgegebenen) Stellungnahme mit dem genannten hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1993 nicht auseinandergesetzt und die Durchführung einer Verhandlung nicht beantragt. Da bereits aufgrund der Aktenlage festgestanden sei, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben sei, habe eine Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG zu entfallen gehabt.
5 Den Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit einem Verweis auf den Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen.
7 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. 8 Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte erstatteten
Revisionsbeantwortungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Der Amtsrevisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision (unter anderem) geltend, das Verwaltungsgericht hätte die entscheidungswesentlichen Umstände feststellen müssen, wobei es jedenfalls auch eine - in der Beschwerde des Mitbeteiligten beantragte - mündliche Verhandlung durchführen hätte müssen. Für die Annahme des Verwaltungsgerichtes, es liege ein entschuldbarer Rechtsirrtum vor, fehlten jegliche Feststellungen. Seitens des Mitbeteiligten habe es nicht ansatzweise eine Äußerung in die Richtung gegeben, dass er einem Rechtsirrtum unterlegen sei. Es hätte daher sachverhaltsmäßig (durch Befragung des Mitbeteiligten bzw. sonstige Erhebungen) geklärt werden müssen, ob tatsächlich ein Irrtum vorgelegen sei, und wenn ja, ob dieser in Anbetracht der vielen Vorbestrafungen noch als entschuldbar anzusehen sei. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen, die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 VwGVG seien nicht vorgelegen.
10 Die Revision ist zulässig und begründet.
11 Das Verwaltungsgericht hat in Verwaltungsstrafsachen gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. So entfällt die Verhandlung nach Abs. 2 leg. cit., wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Liegen diese Voraussetzungen nach Abs. 2 leg. cit. nicht vor und hat die Partei einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, so kann das Verwaltungsgericht nach § 44 Abs. 4 VwGVG nur dann von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Ein Absehen von der Verhandlung ist jedenfalls (ausreichend) zu begründen (vgl. VwGH 14.6.2018, Ra 2018/17/0021, mwN).
12 Im vorliegenden Fall stützt das Verwaltungsgericht den Entfall der mündlichen Verhandlung darauf, dass bereits auf Grund der Aktenlage festgestanden sei, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben sei, sodass die Verhandlung gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG zu entfallen gehabt habe. Aus der dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage ergab sich jedoch - wie der Amtsrevisionswerber zutreffend ausführt - in keiner Weise, dass der Mitbeteiligte einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen sei, hat dieser Derartiges doch weder in seiner Rechtfertigung vom 17. März 2017 noch in seiner Beschwerde vom 6. Oktober 2017 behauptet. Der Mitbeteiligte hat vielmehr geltend gemacht, dass - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - von den Vertragsparteien eine Fortdauer der Rechtswirksamkeit des Beschäftigungsverhältnisses vereinbart und nur eine verhältnismäßig kurze Dauer der Unterbrechung vorgesehen gewesen sei, wobei ihm der Umstand, dass A H von 1. Juni 2016 bis 12. Juli 2016 bei einem anderen Unternehmen beschäftigt gewesen sei, nicht bekannt gewesen sei. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, es liege ein entschuldbarer Rechtsirrtum aufgrund eines Sachverhaltes vor, der jenem vergleichbar sei, der dem hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1993, 92/09/0321, zugrunde lag, entbehrt daher einer Grundlage in der dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage.
13 Bei dieser Ausgangslage wäre das Verwaltungsgericht aber zur Durchführung einer Verhandlung verpflichtet gewesen, da - anders als das Verwaltungsgericht meint - keine Rede davon sein kann, es sei im Sinne des § 44 Abs. 2 VwGVG bereits auf Grund der Aktenlage festgestanden, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben sei (vgl. VwGH 11.12.2014, Ra 2014/21/0053, mwN). Soweit der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis darauf Bezug nimmt, dass seitens des Finanzamtes Wien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass - sofern eine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat - ein solcher Antrag gemäß § 44 Abs. 3 letzter Satz VwGVG nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden kann (vgl. dazu etwa VwGH 28.2.2018, Ra 2017/17/0703). Als Formalpartei hat die Abgabenbehörde zwar keine subjektiv-öffentlichen Rechte, jedoch kommen ihr die prozessual-subjektiven Rechte einer Partei des Verfahrens zu (vgl. zur Parteistellung der Abgabenbehörde in verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gemäß § 28a Abs. 1 AuslBG VwGH 24.2.2016, Ra 2015/09/0125, VwSlg. 19306 A). Abgesehen davon, dass der Mitbeteiligte seinen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung nicht zurückgezogen hat, hätte eine wirksame Zurückziehung gemäß § 44 Abs. 3 letzter Satz VwGVG im vorliegenden Verfahren daher auch der Zustimmung des Finanzamts Wien bedurft. Eine solche Zustimmung wurde allerdings nicht erteilt; ebenso lag ein ausdrücklicher Verzicht auf die Durchführung der Verhandlung iSd § 44 Abs. 5 VwGVG seitens des Finanzamts Wien nicht vor.
14 Das angefochtene Erkenntnis ist demnach mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Wien, am 25. Oktober 2018
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