VwGH Ra 2018/17/0021

VwGHRa 2018/17/002114.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Mag. Brandl sowie Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des R W in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 7. Dezember 2017, LVwG-S-1447/001-2016, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Krems), zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
MRK Art6 Abs1;
VwGVG 2014 §44 Abs4;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170021.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 27. April 2016 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 iVm §§ 1 und 2 Abs. 1, 2 und 4 Glücksspielgesetz (GSpG) mit einem näher bezeichneten Glücksspielgerät schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

2 Gegen das Straferkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), in welcher er unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - insofern statt, als es die Geldstrafe auf EUR 500,-- sowie die Ersatzfreiheitsstrafe herabsetzte und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens dementsprechend neu bestimmte. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision ist in Bezug auf die im Zulässigkeitsvorbringen dargelegte Rechtsfrage zur Verletzung der Verhandlungspflicht gemäß § 44 VwGVG zulässig und berechtigt.

6 Das LVwG sah ohne nähere Begründung trotz entsprechenden Antrags des Revisionswerbers in der von ihm erhobenen Beschwerde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab.

7 Das Verwaltungsgericht hat in Verwaltungsstrafsachen gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG grundsätzlich eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg cit finden sich Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. So entfällt die Verhandlung nach Abs. 2 leg cit, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Liegen diese Voraussetzungen nach Abs. 2 leg cit nicht vor und hat die Partei einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, so kann das Verwaltungsgericht nach § 44 Abs. 4 VwGVG nur dann von einer Verhandlung absehen, wenn es einen Beschluss zu fassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Ein Absehen von der Verhandlung ist jedenfalls (ausreichend) zu begründen (vgl. etwa VwGH 15.12.2017, Ra 2017/17/0800, mwN).

8 Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Da das LVwG mit Erkenntnis entschieden hat, kommt ein Absehen nach § 44 Abs. 4 VwGVG, das unter anderem voraussetzt, dass das Verwaltungsgericht einen Beschluss zu fassen hat, nicht in Betracht (vgl. VwGH 28.2.2018, Ra 2017/17/0703, mwN).

9 Da auch sonst keine der in § 44 VwGVG genannten Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung vorgelegen sind, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig.

10 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

11 Von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

12 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. Juni 2018

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte