Normen
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
AVG §68 Abs4;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §32 Abs2;
VwGVG 2014 §32 Abs3;
VwGVG 2014 §32;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090050.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Dezember 2017 wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 29. Juni 2017 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Juli 2015 abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 32 VwGVG als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt A) und die Revision für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe mit Schreiben vom 20. Dezember 2016 die Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Juli 2015 "wegen Nichtigkeit" begehrt und ausgeführt, dass sich das dem genannten Erkenntnis zugrundeliegende Disziplinarverfahren auf die Disziplinaranzeige des ehemaligen Polizeidirektors von X stütze. Gemäß § 109 Abs. 1 BDG 1979 hätten der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte bei begründetem Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann unverzüglich im Dienstwege der Dienstbehörde Disziplinaranzeige zu erstatten. Jedoch hätten weder sein unmittelbarer Vorgesetzter, der damalige Strafamtsleiter, noch der vorgesetzte Abteilungsleiter als mittelbarer Vorgesetzter damals Disziplinaranzeige erstattet. Selbst wenn man den Polizeidirektor als mittelbaren Vorgesetzten bezeichnen würde, habe dieser keine Erhebungen zur Klarstellung des Sachverhaltes getroffen; er sei daher auch nicht zur Erstattung der Disziplinaranzeige berechtigt gewesen. Es mangle daher an der Einhaltung der gesetzlichen Erfordernisse des § 109 Abs. 1 erster Satz BDG 1979.
3 Dieser Antrag sei mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. Juni 2017 als unzulässig zurückgewiesen worden. Mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag vom 29. Juni 2017 sei die Wiederaufnahme des abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG mit der gleichen Begründung wie im genannten Antrag vom 20. Dezember 2016 beantragt worden. Ergänzend sei ausgeführt worden, dass somit das Erkenntnis durch ein falsches Zeugnis in Form der Disziplinaranzeige herbeigeführt worden sei, weil keiner der Dienstvorgesetzten gemäß § 109 Abs. 1 BDG 1979 Anzeige erstattet habe oder mit Erhebungen zur Klarstellung des Sachverhaltes betraut worden sei. Die Einvernahme von fünf näher genannten Zeugen sei beantragt worden. Gleichzeitig sei für den Fall, dass "der Wiederaufnahmegrund verstrichen" sein sollte, eine Anregung auf amtswegige Wiederaufnahme gestellt worden. Mit Eingabe vom 22. September 2017 habe der Revisionswerber ergänzend mitgeteilt, dass er soeben auf seinem Mobiltelefon eine Aufzeichnung gefunden habe, wonach ihm der damalige Polizeidirektor am 23. Juli 2012 um 08:47 Uhr im Zuge eines Telefonates mitgeteilt habe, dass er die Disziplinaranzeige vom Bundesministerium für Inneres erhalten und diese nur an die Disziplinarkommission weitergeleitet habe.
4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht sodann im Wesentlichen aus, gemäß § 6 BVwGG entscheide das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen sei. Gemäß § 135a Abs. 3 BDG 1979 habe die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch einen Senat zu erfolgen, wenn der Disziplinaranwalt gegen ein Erkenntnis Beschwerde erhoben habe. Im Verfahren, dessen Wiederaufnahme begehrt werde, habe somit Senatszuständigkeit vorgelegen.
5 Der Revisionswerber mache als Wiederaufnahmegrund geltend, dass die Disziplinaranzeige im abgeschlossenen Verfahren nicht nach der Bestimmung des § 109 BDG 1979 zustande gekommen sei. Da der Revisionswerber dies bereits in seinem Antrag auf Aufhebung "wegen Nichtigkeit" vom 20. Dezember 2016 ausgeführt und zuletzt mitgeteilt habe, dass ihm dieser Umstand bereits am 23. Juli 2012 telefonisch mitgeteilt worden sei, habe er die Frist nach § 32 Abs. 2 VwGVG versäumt. Der Antrag sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen, weshalb auch eine mündliche Verhandlung entfallen habe können, zumal eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten gewesen sei.
6 Im Hinblick auf die Anregung auf amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens sei festzustellen, dass sich in den Ausführungen des Revisionswerbers kein Hinweis auf das Vorliegen eines gesetzlichen Wiederaufnahmegrundes finde. Insbesondere könne nicht erkannt werden, inwiefern die Entscheidung durch ein falsches Zeugnis oder eine gerichtlich strafbare Handlung - wie dies der Revisionswerber ohne nähere Begründung ausführe - zustande gekommen sein solle.
7 Seinen Ausspruch nach § 25a VwGG begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit einem Verweis auf den Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
8 Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 27. Februar 2018, E 379/2018-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
10 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision zunächst geltend, für ein Verfahren gemäß § 32 VwGVG sei nach § 6 BVwGG iVm § 135a Abs. 3 BDG 1979 kein mit Laienrichtern zu bildender Senat zuständig, sondern bestehe eine ausschließliche Einzelrichterzuständigkeit nach § 6 BVwGG. Das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 21.4.2015, Ra 2014/09/0042) abgewichen.
13 Letzteres trifft schon deshalb nicht zu, weil das genannte - den Revisionswerber betreffende - Erkenntnis zu einem Einleitungsbeschluss nach § 123 BDG 1979, nicht aber zu einem Antrag auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens nach § 32 VwGVG ergangen ist. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof aber zur Frage der Zuständigkeit zur Behandlung von Anträgen auf Wiederaufnahme wiederholt ausgesprochen, dass bei Auslegung der betreffenden Bestimmungen berücksichtigt werden muss, dass nach Lehre und Rechtsprechung die jeweilige Zuständigkeit zur Sachentscheidung grundsätzlich auch die Zuständigkeit zur Erlassung verfahrensrechtlicher Bescheide nach sich zieht (vgl. VwGH 3.9.2003, 2000/03/0369; 25.6.2002, 2002/03/0025, VwSlg. 15849 A). Das Verwaltungsgericht ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen (vgl. - bezogen auf einen Antrag auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis eines Landesverwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens - auch VwGH 24.1.2018, Ra 2017/09/0026; 20.12.2017, Ra 2017/12/0055).
14 In Bezug auf die Frage der Verspätung des gegenständlichen Wiederaufnahmeantrages macht der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung geltend, das Verwaltungsgericht übersehe, dass es sich bei der Frist des § 32 Abs. 2 VwGVG um eine subjektive Frist handle. Der Revisionswerber sei zunächst davon ausgegangen, "dass es sich um eine Nichtigkeit" handle. Erst mit Zustellung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. Juni 2017 sei dem Revisionswerber bewusst geworden, dass "das rechtsrichtige Institut ein Wiederaufnahmeantrag" sei. Es stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage "der Entstehung des subjektiven Ereignisses des Wiederaufnahmegrundes". Objektiv habe dieser Wiederaufnahmegrund schon bestanden, subjektiv sei er aber erst mit dem Hinweis des Bundesverwaltungsgerichtes im Beschluss vom 12. Juni 2017 entstanden. Das Verwaltungsgericht sei auch hier "von der Rechtsprechung" abgewichen.
15 Auch mit diesem Vorbringen wird keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, entspricht es doch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die (hier: in § 32 Abs. 2 VwGVG vorgesehene) subjektive Frist bereits mit der Kenntnis des Antragstellers von dem Sachverhalt, der den Wiederaufnahmegrund bilden soll, beginnt; entscheidend ist die Kenntnis von einem Sachverhalt, nicht aber die rechtliche Wertung dieses Sachverhalts. Für den Fristenlauf ist daher nicht maßgebend, ob dem Antragsteller die mögliche Qualifizierung eines Sachverhalts als Wiederaufnahmegrund bewusst ist (vgl. die zu § 69 Abs. 2 AVG ergangenen, insofern aber übertragbaren Erkenntnisse VwGH 26.4.2013, 2011/11/0051; 13.1.1993, 92/12/0046). Das Verwaltungsgericht ist daher auch insofern nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
16 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung im Weiteren Verfahrensfehler in Bezug auf den geltend gemachten Wiederaufnahmegrund ins Treffen zu führen sucht, wird von vornherein nicht dargelegt, warum dem - angesichts der Zurückweisung des Antrages wegen Verspätung - Relevanz zukommen sollte. Dies gilt auch für das Zulässigkeitsvorbringen zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht. Ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung - wie hier in Bezug auf die Frage der Verspätung des Antrages - nämlich von einem Sachverhalt ausgegangen, der in der Revision nicht konkret in Abrede gestellt wird, lässt sich nicht erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache iSd § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen (vgl. VwGH 9.5.2018, Ra 2018/03/0046, mwN).
17 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kann auch keine Rede davon sein, dass der Spruch des angefochtenen Beschlusses dem Bestimmtheitsgebot nicht entsprechen würde und daher mangelhaft sei, wurde damit doch unmissverständlich der Antrag des Revisionswerbers vom 29. Juni 2017 als verspätet zurückgewiesen.
18 Soweit das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision im Weiteren Ausführungen zur (unterlassenen) Wiederaufnahme von Amts wegen gemäß § 32 Abs. 3 VwGVG enthält, genügt es darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes niemandem ein Rechtsanspruch auf Ausübung des der Behörde gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG eingeräumten Abänderungs- und Behebungsrechtes zusteht, weshalb eine Partei durch Ablehnung ihres darauf gerichteten Begehrens nicht in ihren Rechten verletzt sein kann. Gleiches gilt für die amtswegige Verfügung der Wiederaufnahme eines Verfahrens (vgl. VwGH 24.2.2015, Ra 2015/05/0004, mwN). Dem Revisionswerber fehlt somit insoweit die Legitimation zur Erhebung der Revision.
19 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden, erweist sie sich als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 20. September 2018
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)