Normen
B-VG Art135 Abs2;
LBedG NÖ 2006 §15;
LVwGG NÖ 2014 §7 Abs2 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Beschluss wird in seinem Spruchpunkt 1. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufgehoben.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2016, Ra 2016/09/0012, 9. September 2016, Ra 2016/12/0002 und 24. Mai 2017, Ra 2016/09/0115, verwiesen.
2 Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 29. September 2014 wurde festgestellt, dass die Revisionswerberin den zu erwartenden Arbeitserfolg als Leiterin eines Landespflegeheimes nicht erbracht habe. Beurteilung:
"Arbeitserfolg entspricht nicht" (Spruchpunkt 1. dieses Bescheides). Darüber hinaus wurde mit diesem Bescheid das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis der Revisionswerberin aus den Gründen des § 15 Abs. 2 und Abs. 4 Z 3 und 4 des Niederösterreichischen Landesbedienstetengesetzes, LGBl. 2100 (im Folgenden: NÖ LBG), unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Kalendermonaten ab Zustellung des Bescheides aufgekündigt (Spruchpunkt 2. dieses Bescheides).
3 Die Revisionswerberin erhob dagegen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 30. September 2015 im Rahmen einer Senatsentscheidung durch Mag. A als Vorsitzenden sowie Mag. B und Mag. C als fachkundige Laienrichterinnen sowohl mit Spruchpunkt 1., soweit sie die Leistungsfeststellung betrifft, als auch mit Spruchpunkt 2., soweit sie die Kündigung des provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses der Revisionswerberin betraf, als unbegründet abgewiesen.
5 Mit dem bereits zitierten Erkenntnis vom 24. Mai 2016 wurde das von der Revisionswerberin mittels Revision angefochtene Erkenntnis vom 30. September 2015 in seinem Spruchpunkt 1. aufgehoben. Gegen das (Ersatz‑) Erkenntnis vom 12. Oktober 2016 erhob die Revisionswerberin neuerlich Revision, die mit Beschluss vom 24. Mai 2017, Ra 2016/09/0115, mangels Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG zurückgewiesen wurde.
6 Mit Antrag vom 11. Oktober 2016 begehrte die Revisionswerberin die Wiederaufnahme u.a. des mit Spruchpunkt 1. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 30. September 2015 entschiedenen Verfahrens betreffend die negative Dienstbeurteilung.
7 Mit dem nun angefochtenen Beschluss (durch den Vorsitzenden Mag. A sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. B und den fachkundigen Laienrichter Mag. D) wurde dieser Antrag mit Spruchpunkt 1. zurückgewiesen und die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.
8 Begründend führte der Senat aus, dass das Verfahren zum Zeitpunkt der Antragstellung noch offen gewesen sei. Daher sei die Voraussetzung eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens nicht vorgelegen, weshalb der Wiederaufnahmeantrag schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen sei.
9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision. In ihrer abgesonderten Zulassungsbegründung macht die Revisionswerberin (u.a.) geltend, dass das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich über den Wiederaufnahmeantrag rechtens in derselben Senatszusammensetzung zu entscheiden gehabt hätte, in welcher das im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangene Erkenntnis vom 30. September 2015 beschlossen worden sei. Die Revisionswerberin beantragt den angefochtenen Beschluss aufzuheben und (hilfsweise) in der Sache selbst im Sinne der Stattgebung ihres Wiederaufnahmeantrages zu erkennen.
10 Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die Zurückweisung der Revision, hilfsweise deren Abweisung als unbegründet beantragt.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
12 Gemäß § 7 Abs. 2 Z 2 des Niederösterreichischen Landesverwaltungsgerichtsgesetzes, LGBl. 0015 (im Folgenden: LVwGG), gehört zu den Leitungsgeschäften die Zuweisung der anfallenden Geschäftsfälle entsprechend der Geschäftsverteilung.
13 § 1 Abs. 1 und Abs. 2 erster Satz sowie § 9 des Allgemeinen Teiles und Z 6 des Besonderen Teiles der GV lauten (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Allgemeiner Teil
§ 1 Zuweisung von Geschäftsfällen
(1) Alle an einem Kalendertag einlangenden Geschäftsfälle werden, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, am nächstfolgenden Tag mit Amtsstunden zugewiesen. Dabei werden Geschäftsfälle, die an Kalendertagen ohne Amtsstunden eingelangt sind, gemeinsam mit den Geschäftsfällen des letzten Kalendertags mit Amtsstunden zugewiesen.
(2) Bei der täglichen Zuweisung werden die eingelangten Geschäftsfälle zunächst nach den einzelnen Zuweisungsgruppen und Untergruppen (laut Besonderem Teil) geordnet und innerhalb jeder Zuweisungsgruppe und Untergruppe alphabetisch gereiht. ...
...
§ 9 Annexzuständigkeiten
Nach der Zuständigkeit in der Hauptsache richtet sich die Zuweisung nachstehend aufgezählter Geschäftsfälle:
- verfahrensrechtliche Anträge (insb. Anträge auf Verfahrenshilfe, Anträge auf Zu- oder Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, Anträge auf Wiedereinsetzung in oder Wiederaufnahme eines LVwG-Verfahrens, Anträge auf Zu-/Aberkennung der Parteistellung oder auf Zustellung einer Entscheidung);
- Geschäftsfälle hinsichtlich Beschwerden gegen Ordnungs- und Mutwillensstrafen;
- Amts- und Rechtshilfeersuchen an und durch das Landesverwaltungsgericht.
Derartige Geschäftsfälle werden jeweils dem in der Hauptsache zuständigen oder zuständig gewesenen Richter zugewiesen. Ist jedoch keine Hauptsache anhängig oder anhängig gewesen, werden derartige Geschäftsfälle nach der jeweils zu Grunde liegenden Zuweisungsgruppe unter Anrechnung auf die Zuweisungsreihenfolge zugewiesen und, soweit dies § 3 vorsieht, gewertet. Im letztgenannten Fall wird ein nachfolgender Geschäftsfall in der Hauptsache ohne weitere Anrechnung auf die Zuweisungsreihenfolge jenem Richter zugewiesen und gewertet, bei dem bereits ein inhaltlich zusammenhängender Annexgeschäftsfall anhängig ist.
...
Besonderer Teil - Zuweisungsgruppen und Untergruppen
...
6. Zuweisungsgruppe DR - Dienstrecht
Untergruppe Landesbedienstete - Senatsverfahren (DR-LB-Sen)
Alle einlangenden Geschäftsfälle aus dem NÖ Landes-Bedienstetengesetz (dies gilt gemäß § 172 DPL 1972 auch für Geschäftsfälle nach der Dienstpragmatik der Landesbediensteten 1972) sind nachstehend genanntem Senat zuzuweisen:
Senatsvorsitzender: Mag. A
(Vertreter in dieser Reihenfolge: Dr. X, Mag. Y, Dr. Z)
Fachkundiger Laienrichter-Dienstgeber: Mag. D
(Vertreter in dieser Reihenfolge: Dr. U, Mag. C)
Fachkundige Laienrichterin-Landespersonalvertretung: Mag. B (Vertreter in dieser Reihenfolge: Mag. S, Mag. T)" 14 Festzuhalten ist, dass die Revisionswerberin mittels der
hier vorliegenden Revision beide Spruchpunkte (Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages in Ansehung des Verfahrens über die negative Beurteilung - Spruchpunkt 1. - und in Ansehung des Verfahrens über die Kündigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses - Spruchpunkt 2. -) angefochten hat.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Dezember 2017, Ra 2017/12/0055, der Revision betreffend die Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages in Ansehung des Verfahrens über die Kündigung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (Spruchpunkt 2.) stattgegeben und den angefochtenen Beschluss in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (wegen unrichtiger Senatszusammensetzung) aufgehoben.
16 In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass sich gemäß § 9 erster Satz GV die Zuweisung u. a. von Anträgen auf Wiederaufnahme eines "LVwG-Verfahrens" nach der "Zuständigkeit in der Hauptsache" richtet. Nach dem zweiten Satz des § 9 GV werden derartige Geschäftsfälle jeweils "dem in der Hauptsache zuständig gewesenen Richter" zugewiesen. Für die maßgebliche "Hauptsache" (Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses) bestand Senatszuständigkeit. Diesfalls ist unter dem "zuständig gewesenen Richter" ein Senat in jener Zusammensetzung zu verstehen, wie er über die Beschwerde in der Hauptsache zu erkennen hatte, hier also - in Ermangelung von Hinweisen auf eine Unzuständigkeit des seinerzeit zusammengesetzten Senates - ein aus Mag. A als Vorsitzenden sowie aus Mag. B und Mag. C als fachkundige Laienrichterinnen zusammengesetzter Senat. Auf Grund der Bestimmung des § 9 zweiter Satz GV, welche - wie sich aus dem dritten Satz leg. cit. klar ergibt - den allgemeinen Zuweisungsregeln des § 1 GV in Verbindung mit dem Besonderen Teil der GV als lex specialis vorgeht, hätte eine dem § 7 Abs. 2 Z 2 LVwGG entsprechende Zuweisung an diesen Senat erfolgen müssen. In Ermangelung zwischenzeitiger Geschäftsverteilungsänderungen, welche eine Neuzuteilung anordnen würden, und von Hinweisen auf einen sonstigen Vertretungsfall hätte der Senat in der genannten Zusammensetzung auch über den Wiederaufnahmeantrag zu befinden gehabt.
17 Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, dass auch für die hier maßgebliche "Hauptsache" (negative Dienstbeurteilung) Senatszuständigkeit bestand. Der gegenständliche Revisionsfall ist in den für seine Entscheidung wesentlichen formalen Gesichtspunkten - sowohl hinsichtlich des Sachverhaltes als auch hinsichtlich der zu beantwortenden Rechtsfragen, namentlich der richtigen Senatszusammensetzung im Wiederaufnahmeverfahren - mit jenem ident, der dem bereits eingangs zitierten hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2017 auf das wiederum gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu Grunde lag.
18 Da das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich infolge Verkennung des § 9 GV in einem unrichtig zusammengesetzten Senat entschieden und damit gegen den für die Aufteilung der von dem Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte "auf die Einzelrichter und Senate" geltenden Grundsatz der festen Geschäftsverteilung (Art. 135 Abs. 2 B-VG) verstoßen hat, bewirkte es seine Unzuständigkeit.
19 Der angefochtene Beschluss war aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.
20 Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, weil diese bereits im Verfahren VwGH 20.12.2017, Ra 2017/12/0055 ergangen ist.
Wien, am 24. Jänner 2018
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