VwGH Ra 2018/05/0022

VwGHRa 2018/05/002226.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der H GmbH in P, vertreten durch die Kaufmann & Lausegger Rechtsanwalts OG in 8020 Graz, Mariahilferstraße 20/II, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 18. September 2017, LVwG 41.34-2393/2017-2 und LVwG 40.34-2394/2017-2, betreffend Feststellung der Parteistellung in einem Verfahren nach dem AWG 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Partei: Gemeinde S), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §8;
AWG 2002 §37 Abs4 Z7;
AWG 2002 §51 Abs2;
AWG 2002 §51 Abs4;
B-VG Art130;
B-VG Art132;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050022.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (im Folgenden: Abfallbehörde) vom 13. November 2015 wurde ausgesprochen, dass die Anzeige der Revisionswerberin über die Stilllegung der mit Bescheid der Abfallbehörde vom 1. Juli 1994 und vom 5. Juli 2001, abfallrechtlich genehmigten Bodenaushubdeponie auf näher bezeichneten Grundstücken der KG P gemäß § 37 Abs. 4 Z 7 in Verbindung mit § 51 Abs. 2 und 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 nach Maßgabe des in der Begründung enthaltenen Befundes zur Kenntnis genommen werde und die Nachsorgephase gemäß Anhang 8 der Deponieverordnung 2008 bis 31. Dezember 2020 dauere; unter einem wurden mehrerer Auflagen vorgeschrieben (Spruchpunkt I). Weiters erfolgten die Bestellung eines Deponieaufsichtsorganes (Spruchpunkt II) sowie die Vorschreibung der Kosten des Verwaltungsverfahrens.

2 Mit Schreiben vom 27. Juli 2017 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde als Standortgemeinde sowie - in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin einer unmittelbar an die Deponie angrenzenden Liegenschaft - als Nachbarin die Zuerkennung der Parteistellung, die Gewährung von Akteneinsicht sowie die Zustellung des oben genannten Bescheides.

3 Diesem Begehren wurde mit Bescheid der Abfallbehörde vom 1. August 2017 stattgegeben. Als Rechtsgrundlagen wurden § 8 AVG sowie § 51 Abs. 4 und § 42 AWG 2002 genannt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Anzeigeverfahren nach § 51 Abs. 4 AWG 2002 der Inhaber der Behandlungsanlage und das Arbeitsinspektorat Parteistellung hätten, im gegenständlichen Fall jedoch auch die Ansicht vertreten werden könnte, dass ein "Plus" mitgenehmigt worden sei. Durch die mögliche Unsicherheit, die der Bescheid vom 13. November 2015 beinhalte, sollten nunmehr mögliche Betroffene die Chance haben, vom Inhalt des Verfahrens Kenntnis zu erlangen, weshalb die Parteistellung zuerkannt werde.

4 In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin zusammengefasst vor, dass die mitbeteiligte Gemeinde im Anzeigeverfahren, über das der rechtskräftige Bescheid vom 13. November 2015 abgesprochen habe, keine Parteistellung habe. Weder der Umstand, dass die mitbeteiligte Gemeinde Standortgemeinde sei, noch dass sie behaupte, Nachbarin zu sein, verschaffe ihr Parteistellung. Auch die nicht weiter konkretisierten Ausführungen betreffend die angebliche Genehmigung eines "Plus" seien nicht geeignet, die Parteistellung der mitbeteiligten Gemeinde zu begründen. Schon der Antrag der mitbeteiligten Gemeinde sei nebulos und lasse konkrete Ausführungen vermissen, inwiefern ein "Plus" zum bisherigen Bewilligungsstatus genehmigt worden wäre, oder dazu, welche subjektiv-öffentlichen Rechte, die ihr aus ihrer angeblichen Stellung als Nachbarin zukämen, verletzt worden wären. Darüber hinaus sei auch die Begründung der Abfallbehörde verfehlt, die ebenfalls zunächst der Ansicht sei, dass der Bescheid vom 13. November 2015 kein "Plus" verbriefe. Zudem verkenne sie die Reichweite der Bestimmung des § 38 AWG. Auch Überlegungen betreffend raumordnungsrechtliche Rechtsvorschriften könnten die Zuerkennung der Parteistellung nicht rechtfertigen. Worin die "mögliche Unsicherheit" des Bescheides vom 13. November 2015 bestehe, bleibe ebenso verborgen, wie das Verständnis der Abfallbehörde betreffend "mögliche Betroffene".

5 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG mangels Beschwer zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges aus, der Bescheid der Abfallbehörde vom 13. November 2015 sei mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtes vom 5. September 2017 aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an die Abfallbehörde zurückverwiesen worden. Demgemäß gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass mit Bescheid der Abfallbehörde vom 13. November 2015 ein "Plus" mitgenehmigt und nicht lediglich die Stilllegung der Bodenaushubdeponie zur Kenntnis genommen worden sei. Im Hinblick auf gravierende Ermittlungsmängel sei der genannte Bescheid behoben und zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen worden. Insofern gehöre der oben genannte Bescheid vom 13. November 2015 nicht mehr dem Rechtsbestand an, und daher sei die Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid mangels Beschwer zurückzuweisen gewesen. Im fortzusetzenden Verfahren habe die Abfallbehörde zu prüfen, "welche(s) Verfahren für die seitens des Deponiebetreibers eingebrachten Anträge durchzuführen ist/sind", und sie habe entsprechend den verfahrensrechtlichen Bestimmungen die erforderlichen Parteien beizuziehen.

7 Gegen diesen Beschluss erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 1. Dezember 2017, E 3783/2017-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

8 In der vorliegenden Revision begehrt die Revisionswerberin unter anderem, diesen Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Mangelhaftigkeit des Verfahrens kostenpflichtig aufzuheben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Die Revision erweist sich angesichts der Ausführungen zur Beschwer als zulässig.

10 Die Revisionswerberin bringt unter anderem vor, die vom Verwaltungsgericht vertretene Ansicht, wonach durch die Behebung des Bescheides vom 13. November 2015 die Beschwer der Revisionswerberin weggefallen sei, sei falsch. Erwachse der Bescheid der Abfallbehörde vom 1. August 2017 in Rechtskraft, so kämen der mitbeteiligten Gemeinde im fortgesetzten Verfahren alle mit der Parteistellung verbundenen Rechte zu. Weiters begründe die Zuerkennung der Parteistellung den Wegfall der Rechtskraft des Bescheides vom 13. November 2015. Das Verwaltungsgericht hätte von einer Zurückweisung Abstand nehmen und sich in merito mit den Argumenten der Revisionswerberin auseinandersetzen müssen.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses auf:

11 Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

12 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht das zur Erhebung einer solchen Bescheidbeschwerde erforderliche Rechtsschutzinteresse im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit also nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. etwa VwGH 31.1.2018, Ra 2018/10/0022, mwN).

13 Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertritt, die Revisionswerberin könne durch die Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2015 nicht (mehr) in ihren Rechten verletzt sein, weil es nunmehr (im fortgesetzten Verfahren) Sache der Abfallbehörde sei, das den Anträgen der Revisionswerberin entsprechende Verfahren zu bestimmen und den demgemäß in Betracht kommenden Personenkreis als Parteien dem Verfahren beizuziehen, übersieht es die einem Feststellungsbescheid zukommende normative Wirkung. Durch den Spruch des Feststellungsbescheides wird in einer der Rechtskraft fähigen und damit die Behörden und die Parteien bindenden Weise über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abgesprochen. Dem Feststellungsbescheid kommt insofern konstitutiver Charakter zu, als durch ihn das strittige Rechtsverhältnis verbindlich entschieden wird (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 56 Rz 69).

14 Im Fall der Rechtskraft des gegenständlichen Feststellungsbescheides vom 1. August 2017 kommt somit der Abfallbehörde - wie im Übrigen auch dem Verwaltungsgericht - eine inhaltliche Prüfung der Richtigkeit dieser Entscheidung über die Rechtsstellung der mitbeteiligten Gemeinde nicht mehr zu.

15 Dazu kommt, dass die Revisionswerberin als Partei des rechtskräftig abgeschlossenen abfallrechtlichen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft des Bescheides vom 13. November 2015 hat. In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, wer Parteistellung im Verfahren hat, weil etwa eine Beschwerde von einer Nichtpartei den Eintritt der Rechtskraft nicht hindern kann. Dadurch dass der mitbeteiligten Gemeinde Parteistellung in dem der Erlassung des Bescheides vom 13. November 2015 vorangegangenen abfallrechtlichen Verfahren zuerkannt wurde, steht somit auch fest, dass Rechtskraft des Bescheides vom 13. November 2015 erst dann vorliegt, wenn dieser auch ihr gegenüber in Rechtskraft erwachsen ist. Insbesondere würde auch eine Beschwerde der mitbeteiligten Gemeinde somit zwingend (abgesehen von anderen Unzulässigkeitsgründen, wie etwa Verspätung) die Rechtskraft des Bescheides vom 13. November 2015 hindern (vgl. zum Ganzen VwGH 30.4.2013, 2011/05/0133, dessen Ausführungen auf die Rechtslage nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mit 1. Jänner 2014 übertragen werden können). Es besteht daher ein objektives Interesse der Revisionswerberin an einer Beseitigung des sie beschwerenden Bescheides betreffend die Zuerkennung der Parteistellung an die mitbeteiligte Gemeinde.

16 Indem das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis der Revisionswerberin somit zu Unrecht verneinte, belastete es seinen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

17 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

18 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 26. Juni 2018

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