VwGH Ra 2018/04/0086

VwGHRa 2018/04/008612.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Kleiser sowie die Hofrätin Mag. Hainz‑Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Mag. (FH) P K in F, vertreten durch Dr. Bernhard Gumpoldsberger, Rechtsanwalt in 4642 Sattledt, Schulstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 8. Jänner 2018, Zl. LVwG‑2078/5/2017, betreffend Übertretung der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
GewO 1973 §77
GewO 1973 §80 Abs1
GewO 1973 §81
GewO 1994 §74
GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §77
GewO 1994 §80 Abs1
GewO 1994 §81
GewO 1994 §81 Abs1
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040086.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten KG zu verantworten, dass diese die mit näher bezeichnetem Bescheid der belangten Behörde genehmigte Betriebsanlage (Einkaufsmarkt) am 13.9.2016 insofern geändert habe, als der bestehende Einkaufsmarkt und die Außenanlagen bereits zur Gänze abgebrochen worden seien und mit den Bauarbeiten für den neuen Einkaufsmarkt und den neuen Außenanlagen (Park‑ und Verkehrsflächen) bereits begonnen worden sei, das Fundament für das neue Gebäude bereits teilweise errichtet worden sei und Aushub- und Grabungsarbeit stattgefunden hätten sowie am 23.9.2016 insofern (weiter) geändert habe, als Grabungsarbeiten durchgeführt worden seien und nunmehr bereits die Außenwände des neuen Gebäudes errichtet worden seien, obwohl keine gewerbebehördliche Änderungsgenehmigung der Betriebsanlage vorliege.

2 Die gegenständliche Änderung der Betriebsanlage sei gemäß § 81 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 GewO 1994 genehmigungspflichtig, da sie geeignet sei, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der Nachbarn oder Kunden zu gefährden (z.B. durch die Lagerung und den Verkauf von pyrotechnischen Gegenständen), Nachbarn durch Geruch (z.B. durch Abluftführung) und Lärm (z.B. durch die neue Haustechnikanlage, Kälte‑Wärmeverbund‑Anlage, Split‑Klima‑Anlage und Lüftungsanlage samt Neupositionierung des Klimaaußengerätes und der Kondensatoren oder z.B. durch Neuausrichtung der Park- und Verkehrsflächen oder Neupositionierung der Laderampe und der Papierpresse; laut den Projektunterlagen der geplanten und beantragten Änderung der Betriebsanlage ergäben sich Erhöhungen der örtlichen Schallsituation) oder Licht (durch etwa die Parkplatzbeleuchtung) zu belästigen und eine Beeinträchtigung der Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen (durch die Verbringung der Oberflächenwässer der 97 PKW‑Stellplätze). Wegen Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z 3 erster Fall und § 370 Abs. 1 GewO 1994 wurde gegen den Revisionswerber für die Tatzeitpunkte 13. September 2016 und 23. September 2016 je eine Geldstrafe von € 350,‑‑ und eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von je 32 Stunden verhängt (II.).

3 Der Beschwerde gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis der belangten Behörde vom 26. September 2017 wurde mit der Maßgabe Folge gegeben als für jede der beiden Verwaltungsübertretungen die Geldstrafe herabgesetzt wurde (I.).

4 Weiters wurde ein Verfahrenskostenbeitrag festgelegt (III.) und die ordentliche Revision für unzulässig erklärt (IV.).

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Änderungen seien bei einer mündlichen Verhandlung am 13. September 2016 bzw. bei einem Ortsaugenschein am 23. September 2016 festgestellt worden. Für den gegenständlichen Einkaufsmarkt sei eine rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung vorgelegen. Auf diese rechtskräftig genehmigte Betriebsanlage habe sich das Änderungsansuchen der näher bezeichneten KG bezogen. Somit liege ein sachlicher und örtlicher Zusammenhang mit der bestehenden genehmigten Betriebsanlage vor. Für eine einschränkende Auslegung des Begriffes „Änderung“ dahingehend, dass darunter nicht Neubauten im Sinne eines den Altbestand zur Gänze ersetzenden Baues zu subsumieren wären, biete sich kein Anhaltspunkt. Die Genehmigungspflicht einer Änderung der Betriebsanlage bestehe schon im Fall der bloßen Möglichkeit einer Beeinträchtigung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, im gegenständlichen Verfahren sei die Frage zu lösen, ob durch den Abbruch des Gebäudes, in dem die in Rede stehende Betriebsanlage bisher betrieben worden sei, die hiefür erteilte Genehmigung nicht erlösche und ob für Änderungen der in Rede stehenden Betriebsanlage, die im Zuge des bereits baubehördlich rechtskräftig genehmigten Neubaus erfolgt seien, vor Baubeginn zudem eine rechtskräftige gewerbebehördliche Genehmigung im Sinne des § 81 Abs. 1 GewO 1994 auch dann vorliegen müsse, wenn die geplanten Änderungen das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussten oder solches erwarten ließen.

11 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt:

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 80 Abs. 1 GewO 1973 festgehalten, dass durch den Abbruch des Gebäudes, in dem die in Rede stehende Betriebsanlage bisher betrieben wurde, die hiefür erteilte Genehmigung (samt nachfolgenden Änderungsgenehmigungen) nicht erloschen ist. Für eine neuerliche Genehmigung einer gleichartigen Betriebsanlage nach § 77 GewO 1973 am selben Standort ist kein Raum. Änderungen der in Rede stehenden Betriebsanlage, die im Zuge des geplanten Neubaues erfolgen, sind vielmehr ‑ sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 81 GewO 1973 zutreffen ‑ im Wege des § 81 GewO 1973 einer Genehmigung zuzuführen (vgl. VwGH 18.10.1994, 94/04/0087, mwN). Diese Rechtsprechung ist auch für die inhaltsgleiche Rechtslage des § 80 Abs. 1 bzw. § 81 Abs. 1 GewO 1994 maßgeblich (vgl. zu § 80 Abs. 1 GewO 1994 jüngst VwGH 23.10.2017, Ra 2015/04/0099, mwN). Somit ist die durch Revision aufgeworfene Rechtsfrage, ob durch den Abbruch eines Gebäudes, in dem die Betriebsanlage bisher betrieben worden sei, die hiefür erteilte Genehmigung erlösche, in der Rechtsprechung bereits beantwortet.

13 Weiters ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter „Änderung“ einer genehmigten Betriebsanlage im Sinne des § 81 Abs. 1 GewO 1994 jede durch die erteilte Genehmigung nicht gedeckte, bauliche oder sonstige, die Anlage betreffende Maßnahme des Inhabers des Betriebsanlage zu verstehen, durch die sich im § 74 Abs. 2 Z 1 bis 5 GewO 1994 bezeichneten Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen Auswirkungen ergeben können (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2017/04/0047, mwN).

14 In der vorliegenden Rechtssache hat das Verwaltungsgericht die sich durch die Änderung möglich ergebenden Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen Auswirkungen im angefochtenen Erkenntnis ausführlich dargestellt. Wenn die Revision dagegen alleine auf eine rechtskräftig erteilte Baugenehmigung für den geplanten Neubau verweist, zeigt sie keine Fehlbeurteilung durch das Verwaltungsgericht auf. Vielmehr ist die Beurteilung durch die Baubehörde getrennt von der gewerberechtlichen Beurteilung der Betriebsanlage zu sehen (vgl. idS VwGH 12.9.2016, Ra 2016/04/0062, mwN, wonach der Umstand, dass eine Betriebsanlage nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 genehmigt worden sei, noch nicht bedinge, dass sie auch nach baurechtlichen Bestimmungen zulässig sein müsse).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

16 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht ‑ ein Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK und ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC ‑ eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, weshalb weder Art. 6 MRK noch Art. 47 GRC der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegenstehen.

Wien, am 12. April 2018

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