VwGH Ra 2017/17/0924

VwGHRa 2017/17/092424.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Brandl und Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der F Kft. in S in U, vertreten durch Dr. Günter Schmid und Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 2. Oktober 2017, LVwG-2- 11/2017-R8, betreffend Maßnahmenbeschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn),

Normen

B-VG Art130 Abs1 Z1;
B-VG Art130 Abs1 Z2;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
B-VG Art132 Abs2;
GewO 1859 §360;
GSpG 1989 §50 Abs4;
GSpG 1989 §56a Abs5;
GSpG 1989 §56a;
StGB §272 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170924.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Die Revision wird - soweit sie sich gegen Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde gegen die Anbringung von Amtssiegeln wendet - abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Hinsichtlich ihres übrigen Vorbringens wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Schreiben vom 20. Jänner 2017 forderte die belangte Behörde die P Kft auf, den Glücksspielbetrieb in dem Lokal "G" an einer näher genannten Adresse unverzüglich einzustellen, andernfalls eine Betriebsschließung nach § 56a Glücksspielgesetz (GSpG) in Betracht gezogen werde.

2 Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 teilte die S GmbH der belangten Behörde mit, ihr sei die behördliche Androhung der Betriebsschließung vom 20. Jänner 2017 zugegangen. Sie habe das Lokal untervermietet und könne lediglich das Schreiben an die Untermieterin weiterleiten. Sie habe keine Kenntnis von allfälligen Glücksspielgeräten und sei auch nicht Verfügungsberechtigte iSd § 56a GSpG.

3 Am 22. Februar 2017 führte die belangte Behörde in dem genannten Lokal eine (das Erdgeschoß und das Kellergeschoß umfassende) Kontrolle nach dem GSpG durch. Im Zuge der dabei erfolgten behördlichen Betriebsschließung des Lokals wurden u. a. der Zylinder des Schlosses an der Eingangstüre ausgetauscht und amtliche Siegel angebracht.

4 Mit dem an die S GmbH und die P Kft gerichteten Bescheid vom 23. Februar 2017 verfügte die belangte Behörde gemäß § 56a Abs. 1 und 3 GSpG die Betriebsschließung des Lokals "G". In der Begründung wurde ausgeführt, dass die S GmbH die Mieterin des sich über das Kellergeschoß und das Erdgeschoß erstreckenden Lokals im Ausmaß von 218,54 m2 sei. Die S GmbH habe 90 m2 im Erdgeschoß an die P Kft untervermietet. Beide Gesellschaften seien als Verfügungsberechtigte des Lokals anzusehen.

5 Die revisionswerbende Partei erhob am 4. April 2017 beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) Maßnahmenbeschwerde. Sie sei als Untermieterin des Kellergeschoßes des gegenständlichen Gebäudes durch folgende Maßnahmen als Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden:

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18 Liegen - wie hier - trennbare Ansprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 9.3.2018, Ra 2018/17/0005).

19 § 50 Abs. 1 und 4 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989

idF BGBl. I Nr. 118/2016, lautet:

"STRAF UND VERFAHRENSBESTIMMUNGEN

Behörden und Verfahren

§ 50. (1) Für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz sind die Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion zuständig. Gegen diese Entscheidungen kann Beschwerde an ein Verwaltungsgericht des Landes erhoben werden. ...

(...)

(4) Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach Abs. 1, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs. 3) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt durchzusetzen. Die Ausübung ist dem Betroffenen anzudrohen. Die Organe haben deren Ausübung zu beenden, sobald der angestrebte Erfolg erreicht wurde, sich zeigt, dass er auf diesem Wege nicht erreicht werden kann oder der angestrebte Erfolg außer Verhältnis zu dem für die Durchsetzung erforderlichen Eingriff steht. Eine Gefährdung des Lebens oder eine nachhaltige Gefährdung der Gesundheit ist jedenfalls unzulässig."

§ 56a GSpG, BGBl. Nr. 747/1996 idF BGBl. I Nr. 112/2012 sowie

BGBl. I Nr. 118/2016, lautet:

"Betriebsschließung

§ 56a. (1) Besteht der begründete Verdacht, daß im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit Glücksspiele entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes veranstaltet oder durchgeführt werden, und ist mit Grund anzunehmen, daß eine Gefahr der Fortsetzung besteht, so kann die Behörde ohne vorausgegangenes Verfahren, aber nicht ohne vorher zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufgefordert zu haben, an Ort und Stelle die gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen. Von einer Betriebsschließung ist Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung der Interessen des Glücksspielmonopols durch andere geeignete Vorkehrungen, wie die Stillegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen oder sonstige Maßnahmen, mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

(2) Bei der Erlassung einer Verfügung nach Abs. 1 sind bestehende Rechte soweit zu schonen, als dies ohne Gefährdung der Ziele dieses Bundesgesetzes möglich ist. Eine Verfügung nach Abs. 1 ist unverzüglich aufzuheben, wenn feststeht, daß der Grund für ihre Erlassung nicht mehr besteht.

(3) Über eine Verfügung nach Abs. 1 ist binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

(4) In einem Bescheid nach Abs. 3 können auch andere nach Abs. 1 zulässige Maßnahmen angeordnet werden.

(5) Ordentlichen Rechtsmitteln gegen Bescheide über Verfügungen nach Abs. 1 kommt keine aufschiebende Wirkung zu.

(6) Die Bescheide gemäß Abs. 3 treten, wenn sie nicht kürzer befristet sind, mit Ablauf eines Jahres außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.

(7) Liegen die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides gemäß Abs. 3 nicht mehr vor und ist zu erwarten, dass in Hinkunft jene glücksspielrechtlichen Vorschriften, deren Nichteinhaltung für die Maßnahmen nach Abs. 3 bestimmend war, von der Person eingehalten werden, die die betriebliche Tätigkeit ausüben oder die Betriebsanlage betreiben will, so hat die Behörde auf Antrag dieser Person die mit Bescheid gemäß Abs. 3 getroffenen Maßnahmen ehestens zu widerrufen."

Zur Frage des Vorliegens einer Hausdurchsuchung am 22. Februar 2017

20 Die vorliegende Revision wendet sich gegen die Abweisung ihrer Beschwerde im Zusammenhang mit der von ihr geltend gemachten Hausdurchsuchung vom 22. Februar 2017 mit der Rüge, das LVwG habe keine Feststellungen getroffen, wonach Organe der belangten Behörde im Lokal der revisionswerbenden Partei eine Lade geöffnet und deren Inhalt fotografiert hätten.

21 Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sind die Behörden gemäß § 50 Abs. 1 leg. cit. (die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. die Landespolizeidirektion) und die in § 50 Abs. 2 und 3 GSpG genannten Organe (Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden) zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist. Die Behörde nach Abs. 1 und die in Abs. 2 und 3 genannten Organe sind ermächtigt, diese Überwachungsaufgaben mit unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen. Das von § 50 Abs. 4 GSpG normierte Betretungsrecht ist dabei von einer Hausdurchsuchung zu trennen:

Das bloße Betreten (einer Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit) ohne dort nach etwas zu suchen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht als Hausdurchsuchung zu beurteilen (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2016/17/0302, 303, m.w.N.).

22 Der Verfassungsgerichtshof hat in Fällen, in denen die Öffnung eines Kastens von einem Amtsorgan erzwungen worden war bzw. das Amtsorgan selbst die Öffnung des Kastens der Partei vorgenommen hatte, ausgesprochen, dass "eine systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objektes" genügt, um als Hausdurchsuchung gewertet zu werden (VfGH 29.11.1988, B 380/85, VfSlg 11.895). Insofern wäre auch das Öffnen einer Lade als Hausdurchsuchung anzusehen.

23 Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Maßnahmenbeschwerde ohne nähere Begründung behauptet, es hätte u. a. am 22. Februar 2017 eine systematische Untersuchung ihrer "Lokalität" stattgefunden. Auf welche Umstände sie diesen Vorwurf gründet, ist weder der Maßnahmenbeschwerde noch der Revision zu entnehmen. Dass die revisionswerbende Partei Beweisanträge im Zusammenhang mit der Öffnung der Lade gestellt habe, behauptet die Revision nicht. Das LVwG war auch nicht gehalten, von sich aus Feststellungen zu der (auf einer bei der Kontrolle angefertigten Ablichtung ersichtlichen) offenstehenden Lade zu treffen.

24 Mit dem bloßen Vorwurf des Fehlens der genannten Feststellungen gelingt es der Revision somit nicht, eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen.

Zur Frage des Anbringens von Amtssiegeln an der Eingangstüre am 22. Februar 2017

25 Die revisionswerbende Partei wendet sich auch gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde hinsichtlich des Anbringens von Amtssiegeln an der Eingangstüre durch Organe der belangten Behörde, indem sie vorbringt, sie habe keinen Betriebsschließungsbescheid erhalten. Die Rechtsansicht des LVwG, wonach die revisionswerbende Partei die Zustellung des (an ihre Vermieterin sowie die Untermieterin des Erdgeschoßes ergangenen) Betriebsschließungsbescheides hätte begehren und dagegen Beschwerde erheben können, sei verfehlt. Daher sei die am 22. Februar 2017 lediglich mündlich verfügte Betriebsschließung ex lege nach einem Monat außer Kraft getreten. Dennoch sei die Eingangstüre weiterhin versiegelt geblieben.

26 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt:

27 Bevor die Behörde vor Ort eine gänzliche oder teilweise Schließung des Betriebes verfügen darf, hat sie nach § 56a Abs. 1 GSpG den Verfügungsberechtigten zur Einstellung der entgegen den Bestimmungen des Glücksspielgesetzes veranstalteten oder durchgeführten Glücksspiele aufzufordern. Danach können geeignete Vorkehrungen (die noch keine Betriebsschließung darstellen, wie etwa die Stilllegung von Einrichtungen, Beschlagnahmen) getroffen werden, sofern sie mit Sicherheit eine weitere Gefährdung des Monopols ausschließen lassen (Abs. 1 leg. cit.).

28 Sollten solche Maßnahmen nicht die erforderliche Sicherheit bieten, darf die Behörde die (gänzliche oder teilweise) Schließung des Betriebes (der betrieblichen Tätigkeit) an Ort und Stelle verfügen (Abs. 1 leg. cit.).

29 Bei der Betriebsschließung handelt es sich um eine einstweilige Zwangs- und Sicherungsmaßnahme nach dem Vorbild des § 360 GewO (vgl. RV 1960 der Beilagen XXIV. GP 52 zum AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012), die auch das Anbringen von Amtssiegeln oder Plomben umfasst (vgl. VwGH 9.6.2017, Ra 2017/02/0060, betreffend die Betriebsschließung nach dem Wiener Wettengesetz). Die Betriebsschließung darf nur als letztes Mittel angewendet werden. Mit dieser abgestuften Regelung des § 56a GSpG wird ein Ausgleich zwischen der Effektivität der - im öffentlichen Interesse liegenden - behördlichen Eingriffsbefugnisse in Form der Betriebsschließung und dem Rechtsschutzinteresse des Betroffenen vorgenommen (VfGH 30.11.2017, E 3302/2017).

30 Im Rahmen der faktischen Betriebsschließung können jedenfalls auch amtliche Siegel angebracht werden, handelt es sich dabei doch um äußere Zeichen der amtlichen Verfügung über eine Sache, wodurch mittelbar auch der Bestand dieser Verfügung gewährleistet werden soll. Als Siegel ist nicht nur der Abdruck eines Stempels auf einer Unterlage (zB auf Papier oder Siegellack) zu verstehen. Diese Bezeichnung umfasst darüber hinaus alle von einer Behörde, einem Beamten oder sonst dienstlich angelegten, mit den betreffenden Gegenständen verbundenen Zeichen (wie Verschlussplomben oder Klebebänder), die erkennbar dem Zweck dienen, eine Sache in Verschluss oder Beschlag zu nehmen. Wer ein Siegel beschädigt oder ablöst, das ein Beamter in Ausübung seines Amtes angelegt hat, um eine Sache unter Verschluss oder in Beschlag zu nehmen oder zu bezeichnen, und wer einen durch ein solches Siegel bewirkten Verschluss ganz oder zum Teil unwirksam macht, ist gemäß § 272 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Unter Verschluss ist in diesem Zusammenhang jener Zustand zu verstehen, der durch das Anbringen des Siegels bewirkt wird (vgl. dazu Danek in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch (2014), § 272 Rz 2ff).

31 Im vorliegenden Fall lag eine faktische behördliche Schließung eines Betriebes vor, die u. a. im Wege des Verschlusses der Betriebsstätte durch das Anbringen von Amtssiegeln erfolgte.

32 Die faktische Betriebsschließung ist ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, der einer Maßnahmenbeschwerde zugänglich ist, solange darüber kein schriftlicher Bescheid vorliegt.

33 Nach § 56a Abs. 3 GSpG ist über eine faktische Betriebsschließung (oder eine andere Maßnahme nach § 56a Abs. 1 GSpG) binnen eines Monats ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die Verfügung als aufgehoben gilt. In einem solchen Fall könnte dieselbe Verfügung aber nochmals erlassen werden, sofern die Voraussetzungen weiterhin vorliegen (RV 386 BlgNR 20. GP 6f zu BGBl. Nr. 747/1996). Ein Bescheid gilt auch dann als erlassen, wenn eine Zustellung an den Verfügungsberechtigten an dessen Unternehmenssitz oder an der Betriebsstätte nicht möglich ist, dieser aber durch öffentliche Bekanntmachung als zugestellt gilt (§ 56a Abs. 3 GSpG). Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt (§ 56a Abs. 6 GSpG).

34 Gegen einen Bescheid über eine Maßnahme nach § 56a Abs. 1 GSpG kann Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden, wobei gemäß § 56a Abs. 5 GSpG dieser Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. dazu VfGH 30.11.2017, E 3302/2017), sodass dieser sofort vollstreckbar ist.

35 Im Revisionsfall war nach den Feststellungen des LVwG die revisionswerbende Partei "Betreiberin des gegenständlichen Glücksspiellokals". Da ihr kein Bescheid nach § 56a Abs. 3 GSpG zugestellt wurde, bestreitet die Revision das Vorliegen eines - ihr Lokal betreffenden - rechtswirksamen Betriebsschließungsbescheides. Sie habe das Anbringen der Amtssiegel daher jedenfalls mittels Maßnahmenbeschwerde bekämpfen können.

36 Aus § 56a Abs. 3 GSpG ergibt sich, dass der Betriebsschließungsbescheid dem "Verfügungsberechtigten" zuzustellen ist. Mit dem Bescheid vom 23. Februar 2017 wurde die Betriebsschließung des "Lokal(s) ‚G'" verfügt. Unstrittig ist, dass der Spruch dieses Bescheides sowohl das Erdgeschoß als auch das Kellergeschoß umfasst. Dieser Bescheid wurde jedenfalls der Untermieterin des Erdgeschoßes, die gleichfalls von der Betriebsschließung betroffen war, zugestellt. Damit ist der Bescheid wirksam geworden.

37 Es kann daher nicht als rechtsirrig angesehen werden, wenn das LVwG davon ausgehend unter Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde die revisionswerbende Partei auf das Betriebsschließungsverfahren verwiesen hat.

38 Die Revision erweist sich somit in diesem Zusammenhang als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Hausdurchsuchung am 23. Februar 2017

39 Unter der Überschrift "2.1.3 Zurückweisung der Beschwerde betreffend die Hausdurchsuchung am 23. Februar 2017, Verstoß gegen die ständige Judikatur des VwGH" bringt die Revision im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung vor, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen näher genannte hg. Rechtsprechung, "zumal am 23.02.2017 von der belangten Behörde () ohne Kenntnis bzw Verständigung der Revisionswerberin () erneut deren Geschäftslokal betreten wurde(,) um sämtliche Versorgungsleitungen abzudrehen".

40 Die revisionswerbende Partei hat in ihrer Maßnahmenbeschwerde betreffend das Vorgehen der belangten Behörde am 23. Februar 2017 beantragt, die Durchführung der Hausdurchsuchung und das Abdrehen der Strom- und Wasserversorgung für rechtswidrig zu erklären. Das LVwG hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass in dem Betreten des am Vortrag versiegelten Lokals, um die Strom- und Wasserversorgung abzudrehen, kein Akt von Zwangsgewalt gesehen werden könne. Mit dem Revisionsvorbringen, das sich nur auf ein zwangsweises Betreten bezieht, wird im Revisionsfall jedenfalls nicht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt (vgl. zum Prozessthema einer Maßnahmenbeschwerde VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0287).

Zum sonstigen Zulässigkeitsvorbringen:

41 Dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei, das LVwG habe mit der Nichtaufnahme von Beweisen gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen, ist entgegenzuhalten, dass die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang aufgezeigt wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen. Mit dem alleinigen Zulässigkeitsvorbringen, das Landesverwaltungsgericht habe die Beweisanträge als Erkundungsbeweise abgewiesen, was mit der Judikatur des "OGH" nicht im Einklang stehe, gelingt es der revisionswerbenden Partei nicht, eine Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels darzulegen. Hinsichtlich der im Zulässigkeitsvorbringen gerügten Unterlassung der Einvernahme des bei der mündlich verfügten Betriebsschließung am 22. Februar 2017 anwesenden Mitarbeiters der revisionswerbenden Partei ist anzumerken, dass sie weder in ihrer Beschwerde noch in den danach eingebrachten Schriftsätzen vom 15. Mai 2016, 20. Juni 2017 und 6. September 2017 oder in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf dessen Einvernahme zu einem bestimmten Beweisthema gestellt hat. Wenn das LVwG nach Einvernahmen der übrigen Zeugen aufgrund deren übereinstimmenden Angaben zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt sei und die Verhandlung daher geschlossen hat, ist dieser Beurteilung im Rahmen der Rechtskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten. Ein relevanter Verfahrensmangel wurde nicht aufgezeigt.

42 Zu den übrigen als Rechtsverletzung geltend gemachten Absprüchen des LVwG (Aufbrechen der Eingangstüre und Anbringen eines neuen Zylinders, Unterbrechen der Strom- und Internetversorgung, Abkleben von Kameras und Beschädigung einer Kamera, alles jeweils am 22. Februar 2017 sowie Unterbindung der Strom- und Wasserversorgung am 23. Februar 2017) enthält das Zulässigkeitsvorbringen keine Ausführungen. Die Revision war daher in diesen Punkten gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

43 Wenn sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Vorschreibung der Kosten nach § 35 VwGVG wendet, so ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Revision nur dann von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, wenn sich diese Rechtsfrage innerhalb des Revisionspunktes - das ist das vom Revisionswerber selbst definierte Prozessthema - stellt (vgl. z. B. VwGH vom 29.6.2017, Ra 2017/16/0076; 29.3.2017, Ra 2016/10/0005; 24.11.2016, Ro 2014/07/0037).

44 Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2015/16/0137, mwN).

45 Die revisionswerbende Partei hat in ihrem mit

"3. Revisionspunkte und Anfechtungserklärung" überschriebenem Vorbringen die Verletzung im subjektiv-öffentlichen Recht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der behaupteten Zwangsmaßnahmen geltend gemacht, jedoch keine Rechtsverletzung im Zusammenhang mit der Auferlegung des Kostenersatzes behauptet. Es wird daher mit dem Zulässigkeitsvorbringen im Zusammenhang mit der Kostenvorschreibung der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens verlassen. Schon deshalb war die Revision in diesem Umfang zurückzuweisen.

46 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision keine Rechtsfrage auf, der im Sinne Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

47 Die Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

48 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 und 4 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 24. April 2018

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