Normen
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
StGG Art9
HausRSchG §3
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
StGG Art9
HausRSchG §3
Spruch:
I. Der Bf. ist dadurch, daß ein Organ der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland einen in der Verfügungsgewalt des Bf. stehenden Kasten öffnete und dessen Inhalt teilweise besichtigte, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden.
II. beschlossen:
II. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Prozeßkosten werden gegenseitig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bringt der Einschreiter - sinngemäß auf das Wesentliche zusammengefaßt vor, daß er einen Tanzschulbetrieb führe und hiezu einen im 1. Stock gelegenen Saal des Gastbetriebes "G" (Wien 21) von der Gastwirtin I
K gemietet habe. Bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland sei ein Rechtsmittelverfahren über eine von ihm gegen Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide erhobene Berufung anhängig; der Referent des Berufungssenates - Revident E R - habe laufend Untersuchungshandlungen durchgeführt. Dieser Referent habe am 24. April 1985 in seiner Abwesenheit, jedoch in Gegenwart der Gastwirtin den gemieteten Saal einschließlich eines dort stehenden, ihm gehörigen Kastens durchsucht; nach der Weigerung der Gastwirtin, den Kasten aufzusperren, habe der Beamte diesen selbst aufgesperrt und den Inhalt besichtigt. Eine Bescheinigung über die Vornahme dieser Hausdurchsuchung sei nicht ausgestellt worden.
Der Bf. begehrt die Feststellung, daß er durch die von ihm als Hausdurchsuchung gewertete Amtshandlung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden sei.
2. Die belangte Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland legte die Akten des Abgabenverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II. 1. Aufgrund der erhobenen Beweise, nämlich der Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten sowie der im Rechtshilfeweg durchgeführten Vernehmung der Zeugen E R und I K, steht im Zusammenhalt mit dem Parteienvorbringen, soweit es unbestritten blieb, zunächst fest, daß Revident E R (der aus Anlaß des bei der Finanzlandesdirektion anhängigen Berufungsverfahrens Erhebungen pflog) die am 24. April 1985 vorgenommene Besichtigung des vom Bf. für seine Tanzschule gemieteten Saals von der Gastwirtin freiwillig gestattet worden war. Die Besichtigung fand - wie sich aus dem vom Bf. insoweit nicht in Zweifel gezogenen Vorbringen der bel. Beh. und der völlig unbedenklichen Aussage der Zeugin K ergibt - außerhalb der Zeit statt, für die der Saal an den Bf. vermietet war (nämlich ab etwa 15,30 Uhr, wogegen der Saal für einige Wochentage ab 17,30 Uhr vermietet ist). Der im Eigentum des Bf. stehende Kasten (- auf dessen Durchsuchung später einzugehen sein wird -) befand sich nicht im Saal, sondern - wie die Zeugen übereinstimmend angaben und durch vom Bf. vorgelegte Lichtbilder erhärtet wird - in einem nicht mitgemieteten Vorraum.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 10850/1986 S. 435 mit weiteren Judikaturhinweisen) liegt ein Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt jedenfalls dann nicht vor, wenn dem behördlichen Vorgehen infolge freiwilliger Zustimmung der Zwangscharakter fehlt. Da im vorliegenden Fall die Zeugin K als Verfügungsberechtigte das behördliche Einschreiten, soweit es die Besichtigung des Saals betraf, gestattete, ist in dieser Beziehung ein tauglicher Beschwerdegegenstand überhaupt nicht gegeben.
2.a) Daß der im Vorraum des Saals aufgestellte Kasten, an dem der Schlüssel steckte, vom Zeugen R geöffnet und der Kasteninhalt von diesem Zeugen - teilweise - besichtigt wurde, ist zwischen den Prozeßparteien nicht strittig. Aufgrund der Aussage der Zeugin K steht ferner fest, daß sie den Beamten, bevor dieser den Kasten öffnete, darauf hinwies, daß der Kasten dem Bf. gehöre, sowie daß sie keine Einwilligung zum Öffnen des Kastens erteilte. Dies wird auch vom Zeugen R im Ergebnis eingeräumt, der in seiner Aussage vorerst erklärte, die Zeugin sei auf sein Befragen mit dem Öffnen des Kastens einverstanden gewesen, sodann - abschwächend - meinte, die Zeugin habe eine direkte Antwort auf diese Frage vermieden, und schließlich bekundete, ihm sei klar gewesen, "daß der Kasten nur Dr. P gehört". Es sprechen im übrigen auch die gesamte räumliche Konstellation sowie der Zweck des Vorgehens dafür, daß der Zeuge dies gewiß von vornherein annahm.
b) Im Erk. VfSlg. 10897/1986 hatte der VfGH den Fall zu beurteilen, daß Amtsorgane anläßlich einer behördlichen Nachschau zwar ein Wohnzimmer, in das sie sich begeben hatten, nicht durchsuchten, aber die Öffnung eines darin befindlichen Kastens erzwangen; er nahm eine als Akt verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bekämpfbare Hausdurchsuchung an und begründete dies folgendermaßen:
"Nun hat der VfGH schon wiederholt dargelegt, daß durch den Schutz des Hausrechtes 'ein die persönliche Würde und Unabhängigkeit verletzender Eingriff in den Lebenskreis des Wohnungsinhabers, in Dinge, die man im allgemeinen berechtigt und gewohnt ist, dem Einblick Fremder zu entziehen', hintangehalten werden soll (VfSlg. 1486/1933, 5182/1965, 9525/1982). Desgleichen hat er mehrmals ausgesprochen, daß 'eine systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objektes' genügt, um als Hausdurchsuchung gewertet zu werden (VfSlg. 3351/1958, 6528/1971, 8642/1979). Ein Kasten ist nun aber jener Teil der Wohnung, für den die entscheidende Voraussetzung - daß darin nämlich Dinge dem Einblick Fremder berechtigter- und gewohnterweise entzogen werden - in ganz besonderem Maße zutrifft. Daß sich eine Durchsuchung in einer Wohnung 'bloß' auf einen bestimmten Kasten beschränkt (weil es höchst wahrscheinlich ist, daß der gesuchte Gegenstand sich dort befindet), nimmt ihr daher nicht den Charakter einer Hausdurchsuchung."
Der Gerichtshof vermeint nun, daß die vorliegende Beschwerdesache dem geschilderten Beschwerdefall in den entscheidungswesentlichen Belangen (mit der Maßgabe, daß das Amtsorgan selbst die Öffnung des Kastens vornahm) gleicht und daher auch rechtlich in gleicher Weise zu beurteilen ist. Der Umstand, daß der Vorraum, in dem der Kasten des Bf. aufgestellt war, ihm - im Gegensatz zum angrenzenden Saal - nicht vermietet war, ist nach der hier gegebenen Sachlage nicht von Bedeutung: Es ist nämlich offenkundig, daß die Bestandgabe nach dem Parteiwillen auch die räumlichen Voraussetzungen für die Aufstellung des dem Bf. gehörenden Kastens gleichsam als Annex zur Vermietung des Saals umfaßte.
c) Keiner näheren Begründung bedarf, daß sich die sohin als Hausdurchsuchung zu wertende Amtshandlung im Hinblick auf das Hausrechtsgesetz, insbesondere dessen §3, als gesetzwidrig erweist; auch die bel. Beh. ist nicht in der Lage, eine ihr Vorgehen rechtfertigende Gesetzesvorschrift zu nennen.
3. Zusammenfassend ergibt sich, daß die Beschwerde, soweit sie bezüglich der Öffnung des Kastens und der - teilweisen - Besichtigung dessen Inhalts erhoben wurde, gerechtfertigt ist; im übrigen ist sie als unzulässig zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG; da die Prozeßparteien jeweils zu etwa gleichen Teilen obsiegten bzw. unterlagen, wurden die Kosten gegenseitig aufgehoben (§43 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG; s. zB VfGH 26.9.1986 B458/85 mit weiteren Judikaturhinweisen).
III. Von einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG abgesehen.
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