VwGH Ra 2017/17/0474

VwGHRa 2017/17/047426.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart‑Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Baumann, über die Revisionen 1. der G AG (vormals C AG) in G, und 2. des J M in W, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 22. Dezember 2016, VGW‑002/022/311/2016‑47, VGW‑002/022/4843/2016, VGW‑002/V/022/9800/2016 und VGW‑002/022/9799/2016, betreffend Beschlagnahme, Einziehung und Bestrafung nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien),

Normen

AVG §68 Abs1
GSpG 1989
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
MRKZP 07te Art4
MRKZP 07te Art4 Abs1
VStG §22 Abs2
VStG §30 Abs1
VStG §45
VStG §45 Abs1
VwRallg
12010E056 AEUV Art56
62007CJ0316 Markus Stoß VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170474.L00

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Spruchpunkt III. der angefochtenen Entscheidung wird, soweit damit eine Bestrafung des Zweitrevisionswerbers wegen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG ausgesprochen und die erstrevisionswerbende Partei zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG herangezogen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt IV. der angefochtenen Entscheidung richtet, zurückgewiesen.

Begründung

1 Am 15. Juni 2015 fand in einem von der erstrevisionswerbenden Partei betriebenen Wettbüro eine Kontrolle der Finanzpolizei nach dem Glücksspielgesetz statt. Dabei wurden Geräte, auf denen Glücksspiele gespielt werden konnten, vorgefunden.

2 Aufgrund dieser Kontrolle erstattete die Finanzpolizei am 10. Juli 2015 eine Anzeige gegen den Zweitrevisionswerber als Vorstand der erstrevisionswerbenden Partei wegen fünffacher Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) im Zeitraum 2. März 2015 bis 15. Juni 2015.

3 In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27. August 2015 wurde dem Zweitrevisionswerber als zur Vertretung der erstrevisionswerbenden Partei nach außen Berufenem vorgehalten, diese habe die in dem genannten Wettlokal vorgefundenen fünf „Glücksspielgeräte“ im Zeitraum 2. März 2015 bis 15. Juni 2015 „auf eigene Rechnung und Risiko“ betrieben und damit den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG verwirklicht.

4 In seiner Rechtfertigung brachte der Zweitrevisionswerber vor, bei den vorgefundenen Geräten handle es sich um internettaugliche Personalcomputer (PC), mit denen verschiedene Internetseiten, darunter auch die eines auf Malta ansässigen Wettanbieters (mit fast identem Namen, aber ohne gesellschaftliche Verbindungen zur erstrevisionswerbenden Partei) aufgerufen werden könnten. In ihren Wettlokalen würden auch Wetten an diesen Wettanbieter vermittelt. Die erstrevisionswerbende Partei betreibe zwar in Österreich diverse Wettlokale und Internet‑PCs, führe aber selbst keine Glücksspiele durch.

5 Am 10. September 2015 erstatte die Finanzpolizei erneut Anzeige gegen den Zweitrevisionswerber betreffend dieselbe Kontrolle vom 15. Juni 2015 im selben Wettlokal und wegen desselben Tatzeitraums, aber wegen fünffacher Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG.

6 In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. Oktober 2015 wurde dem Zweitrevisionswerber als zur Vertretung der erstrevisionswerbenden Partei nach außen Berufenem vorgehalten, diese habe die in dem genannten Wettlokal vorgefundenen fünf „Glücksspielgeräte“ im Zeitraum 2. März 2015 bis 15. Juni 2015 unternehmerisch zugänglich gemacht und damit den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG verwirklicht.

7 In seiner neuerlichen Rechtfertigung wiederholte der Zweitrevisionsweber die Ausführungen in der Rechtfertigung zum Vorwurf des Veranstaltens (1. Tatbild) und wies überdies darauf hin, dass nunmehr gegen ihn (gleichzeitig) zwei Strafverfahren wegen unterschiedlicher Tatbilder geführt würden.

8 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 2. Dezember 2015 wurde gegenüber der erstrevisionswerbenden Partei gemäß § 53 Abs. 1 GSpG die Beschlagnahme der fünf bei der gegenständlichen Kontrolle vorgefundenen Geräte samt Tastaturen und Computermäusen angeordnet und deren Einziehung gemäß § 54 Abs. 1 GSpG verfügt. Die erstrevisionswerbende Partei erhob dagegen Beschwerde.

9 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 15. Juni 2016, GZ: VStV/915301395708/2015, wurde der Zweitrevisionswerber als Vorstand der erstrevisionswerbenden Partei für schuldig erkannt, weil diese vom 2. März bis 15. Juni 2015 in ihrem Wettlokal zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Er habe dadurch § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG iVm § 9 Abs. 1 VStG verletzt. Über den Zweitrevisionswerber wurden fünf Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 5.000,‑ ‑ (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Weiters wurde der Zweitrevisionswerber zur Zahlung von insgesamt EUR 500,‑ ‑ als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Die erstrevisionswerbende Partei wurde zur Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG herangezogen.

10 Mit Bescheid ebenfalls vom 15. Juni 2016, GZ: VStV/915301257709/2015, sah die Landespolizeidirektion Wien hinsichtlich des Vorwurfs der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG iVm § 45 Abs. 2 VStG ab. Es sei diesbezüglich bereits ein Verstoß nach dem dritten Tatbild zu Anzeige gebracht und ein Strafverfahren unter GZ: VStV/915301395708/2015 geführt worden. Daher sei von der Einleitung oder Fortführung des Strafverfahrens nach § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG abzusehen.

11 Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses gab das Verwaltungsgericht Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen das Straferkenntnis vom 15. Juni 2016, GZ: VStV/915301395708/2015, insofern statt, als das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich eines näher bezeichneten Gerätes gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen und der Spruch des Straferkenntnisses dahingehend abgeändert, dass die Tatzeit eingeschränkt wurde. Über den Zweitrevisionswerber wurden vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 5.000,‑ ‑ (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 VStG wurde auf insgesamt EUR 2.000,‑ ‑ herabgesetzt. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass der Zweitrevisionswerber gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.

12 In Spruchpunkt IV. des angefochtenen Erkenntnisses hob das Verwaltungsgericht den Beschlagnahme- und Einziehungsbescheid hinsichtlich des einen bereits genannten Gerätes (samt Tastatur und Computermaus) auf und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab. Weiters sprach es auch zu diesem Spruchpunkt aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.

13 Begründend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, im Wettlokal der erstrevisionswerbenden Partei seien im Strafzeitraum vier Geräte aufgestellt gewesen, mit deren Hilfe Glücksspiele in Form von virtuellen Walzenspielen auf einer näher genannten Internetseite einer näher genannten Gesellschaft mit Sitz in Malta hätten durchgeführt werden können. Einsätze und erzielte Gewinne seien auf ein Kundenkonto ab- bzw. zugebucht worden. Die erstrevisionswerbende Partei habe in ihrem Geschäftslokal für die maltesische Gesellschaft die Ein- und Auszahlungen auf dieses Kundenkonto vorgenommen. Zwischen der erstrevisionswerbenden Partei und der maltesischen Gesellschaft bestehe ein Wettvermittlungsvertrag. Es sei davon auszugehen, dass die Höhe der mit der erstrevisionswerbenden Partei vereinbarten Prämien für die Wettvermittlungen auch die oben genannten Dienstleistungen abdeckten.

14 Das Verwaltungsgericht verneinte das Vorliegen einer Doppelbestrafung, weil das eingestellte Verfahren sich auf den Tatvorwurf des Betreibens von fünf Glücksspielgeräten auf eigene Rechnung und Gefahr mit Blick auf eine Bestrafung wegen § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG bezogen habe.

15 Gegen die Spruchpunkte III. und IV. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19 Liegen ‑ wie hier ‑ trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924, mwN).

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses (Bestrafung):

20 Die Revision vertritt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen die Auffassung, die Bestrafung des Zweitrevisionswerbers wegen des Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG stelle im Hinblick auf die Einstellung des Strafverfahrens hinsichtlich § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG mit Bescheid vom 15. Juni 2016 einen Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem“ dar, den das Verwaltungsgericht hätte wahrnehmen müssen.

21 Die Revision erweist sich hinsichtlich des Spruchpunktes III. aus den in der Revision dargelegten Gründen als zulässig und als berechtigt:

22 Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 GSpG von der Behörde mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 60.000,‑ ‑ bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt.

23 § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG stellt sowohl das Veranstalten (1. Tatbild) als auch das unternehmerisch Zugänglichmachen (3. Tatbild) von zur Teilnahme vom Inland aus verbotenen Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 GSpG unter Strafe.

24 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt als Täter, der im Sinne des ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 leg. cit. veranstaltet, in Betracht, wer das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt (VwGH 14.7.2017, Ra 2016/17/0264, mwN).

25 Das unternehmerisch Zugänglichmachen einer verbotenen Ausspielung iSd dritten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht eine Person, die etwa ein Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und damit Spielern die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen ermöglicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirt die Aufstellung eines solchen Glücksspielgerätes durch einen Dritten duldet, weil er dafür eine Miete erhält oder sich zumindest durch das Vorhandensein dieses Gerätes in seinem Lokal eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft (vgl. VwGH 26.4.2017, Ra 2016/17/0273, mwN).

26 Die Abgrenzung des ersten Tatbildes zum dritten Tatbild hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Sie kann dann schwierig sein, wenn etwa ein Lokalinhaber mit dem Aufsteller eines Glücksspielautomaten für die Aufstellung eines dieser Geräte in seinem Lokal ein vom Erlös dieses Automaten abhängiges Mietentgelt vereinbart. In einem solchen Fall wäre von einem Veranstalten (auch) des Lokalinhabers auszugehen, sollte dieser nicht nur an den Erlösen, sondern auch an allfälligen mit diesem Glücksspielgerät erwirtschafteten Verlusten beteiligt sein (vgl. VwGH 1.2.2018, Ra 2017/17/0854).

27 Gemäß Art. 4 Abs. 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (7. ZPEMRK) darf niemand wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

28 Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidungen beendet worden ist. Eine Entscheidung ‑ Freispruch oder Verurteilung ‑ ist dann als endgültig („final“) anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0029).

29 Gemäß § 45 Abs. 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens u.a. dann abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet (Z 1) oder der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat (Z 2).

30 Die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 45 VStG hat zur Folge, dass eine Bestrafung wegen derselben Tathandlung unter Anwendung einer anderen Verwaltungsvorschrift den Grundsatz „ne bis in idem“ verletzt und deshalb inhaltlich rechtswidrig ist (VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0029, mwN).

31 Im Revisionsfall ist daher zunächst zu klären, ob der Zweitrevisionswerber mit der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens durch Bescheid vom 15. Juni 2016 wegen derselben Straftat im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK bereits „rechtskräftig freigesprochen“ wurde.

32 Nach den Ausführungen der Revision, welche im vom Verwaltungsgerichtshof geführten Vorverfahren unwidersprochen geblieben sind, ist die mit Bescheid vom 15. Juni 2016 verfügte Einstellung des Strafverfahrens nicht bekämpft worden und daher in Rechtskraft erwachsen. Weder aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ergeben sich gegenteilige Hinweise. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die mit Bescheid vom 15. Juni 2015 verfügte Einstellung rechtskräftig geworden ist und somit eine endgültige Entscheidung iSd Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK vorliegt.

33 Damit bleibt zu klären, ob die im eingestellten Verfahren verfolgte Tathandlung, aufgrund der dem Zweitrevisionswerber ein Veranstalten verbotener Ausspielungen (iSd § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG) zur Last gelegt wurde und die im nunmehr gegenständlichen Strafverfahren verfolgte Tathandlung des Zugänglichmachens verbotener Ausspielungen (iSd § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG) dieselbe strafbare Handlung („idem“) betreffen.

34 Bei der Beurteilung der Frage, ob dieselbe „Straftat“ iSd Art. 4 des 7. ZPEMRK vorliegt, ist allein auf die Fakten abzustellen. Die rechtliche Qualifikation derselben hat außer Betracht zu bleiben. Unzulässig ist eine neuerliche Strafverfolgung dann, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht (vgl. VwGH 23.5.2013, 2012/09/0082, mwN).

35 In den vorliegenden Strafverfahren ging es jeweils darum, dass im Wettlokal der erstrevisionswerbenden Partei im selben Tatzeitraum mit denselben Gegenständen, die von der belangten Behörde übereinstimmend als Glücksspielgeräte beurteilt wurden, mit Duldung der Lokalinhaberin Glücksspiele durchgeführt und den Spielern zugänglich gemacht wurden. Tatzeit, Tatort und Eingriffsgegenstände sind somit in beiden Strafverfahren ident.

36 Der sachverhaltsbezogene Unterschied der beiden Verfahren liegt lediglich darin begründet, dass im von der Strafbehörde eingestellten Strafverfahren überdies davon ausgegangen worden war, die erstrevisionswerbende Partei habe dabei auf eigene Rechnung und Gefahr gehandelt und sei daher als Veranstalterin iSd ersten Tatbildes des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG anzusehen. Das bedeutet, dass die Strafbehörde im eingestellten Strafverfahren sowohl von der Verwirklichung des unternehmerisch Zugänglichmachens von verbotenen Ausspielungen als auch des Veranstaltens ausgegangen ist.

37 Für solche Sachverhaltskonstellationen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass das gleichzeitig verwirklichte Tatbild des unternehmerisch Zugänglichmachens gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG durch jenes des Veranstaltens verbotener Ausspielungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG konsumiert wird (vgl. VwGH 26.3.2015, Ra 2014/17/0033). Das bedeutet, dass in einem Fall, in dem ein Lokalinhaber Glücksspielgeräte den Spielern unternehmerisch zugänglich macht und überdies die Geräte auf eigene Rechnung und Gefahr betreibt, lediglich iSd ersten Tatbilds leg. cit. und nicht zusätzlich iSd dritten Tatbildes leg. cit. zu bestrafen ist.

38 Die Strafbehörde hatte mit Bescheid vom 27. August 2015 das Strafverfahren wegen der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG eingeleitet. In der Folge ist die Strafbehörde zu der Überzeugung gelangt, dass die im Lokal der erstrevisionswerbenden Partei durchgeführten verbotenen Ausspielungen nicht auf deren Rechnung und Gefahr, sondern auf jene der maltesischen Gesellschaft durchgeführt wurden und die erstrevisionswerbende Partei daher im Wesentlichen nur das Spielen in ihrem Lokal geduldet bzw. ermöglicht hat. Demzufolge hat sie das Verhalten der erstrevisionswerbenden Partei als Zugänglichmachen verbotener Ausspielungen iSd § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG beurteilt.

39 Im Revisionsfall wäre es zulässig gewesen, das zeitlich erste Strafverfahren fortzuführen und diesem die geänderte rechtliche Beurteilung des nunmehr festgestellten Sachverhalts zugrunde zu legen. Eine Präzisierung bzw. Richtigstellung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung darf nämlich vorgenommen werden, wenn es damit nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. VwGH 13.6.2018, Ra 2017/17/0355, mwN). Eine Bestrafung des Zweitrevisionswerbers wegen des unternehmerisch Zugänglichmachens iSd § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG wäre hingegen nach rechtskräftiger Einstellung des Strafverfahrens für die gegenständliche Tathandlung nicht mehr zulässig.

40 Da das Verwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen zur Rechtskraft der mit Bescheid vom 15. Juni 2016 verfügten Einstellung getroffen hat, belastete es Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses, soweit er die Bestrafung des Zweitrevisionswerbers betrifft, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

41 Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf das übrige Revisionsvorbringen in Bezug auf diesen Spruchpunkt einzugehen.

42 Spruchpunkt III. der angefochtenen Entscheidung war daher im genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Erkenntnisses (Beschlagnahme, Einziehung):

43 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit hinsichtlich des Spruchpunktes IV. vor, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob PCs bei „verfassungskonformer, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht berücksichtigender Auslegung“ des § 54 Abs. 1 GSpG überhaupt eingezogen werden dürften.

44 Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits mit Erkenntnis vom 15. November 2017, Ra 2017/17/0021, zu einem gleichlautenden Vorbringen derselben Revisionsvertreter ausgesprochen, dass bei (allen) Gegenständen, mit denen gegen § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen wird (außer der Verstoß ist nur geringfügig) deren Einziehung vorgesehen ist. Auf den Umstand, dass es sich bei den im Revisionsfall eingezogenen Gegenständen nach Auffassung der Revision lediglich um PCs gehandelt hat, kommt es somit nicht an. Nach dieser Entscheidung kommt es auch nicht darauf an, ob gleichzeitig über die Beschlagnahme und die Einziehung entschieden wurde.

45 Nach dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision liegt auch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage vor, „ob die vom EuGH herausgestrichenen Grenzen einer zulässigen Werbepolitik als absolut zu verstehen“ seien bzw. ob keine Gesamtkohärenz vorliege, wenn die Werbung der Konzessionäre zur aktiven Teilnahme am Spiel anrege.

46 In den Erkenntnissen vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, und 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur Beurteilung der Frage der Unionsrechtswidrigkeit durch den nationalen Richter eine Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, zu erfolgen hat. Nach der Judikatur des EuGH sind bei der Gesamtwürdigung nicht bloß der Wortlaut der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes samt Gesetzesmaterialien, sondern auch faktische Gegebenheiten (wie etwa der Umfang der Beschaffungskriminalität und der Kriminalität gegenüber Glücksspielern im Mitgliedstaat sowie eine allfällige expansionistische Geschäftspolitik der Konzessionäre und deren Zielsetzung etc.) in den Blick zu nehmen (vgl. auch VwGH 20.4.2016, Ra 2016/17/0066, mwN).

47 Selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre ‑ etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung ‑ kann sich das GSpG nach der Rechtsprechung des EuGH und des VwGH auch im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, beispielweise um damit eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sicherzustellen (vgl. dazu etwa EuGH 8.9.2010, C‑316/07 u.a., Stoß u.a., Rn. 107; 30.4.2014, C‑390/12, Pfleger, Rn. 50 ff; 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C‑79/17; VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 und 49; 11.06.2018, Ra 2017/17/0052; 16.3.2016, Ra 2015/17/0022; VfGH 15.10.2016, E 945/2016‑24 u.a.; sowie Herbst/Weinhandl, Das österreichische Glücksspielmonopol aus unions- und verfassungsrechtlicher Sicht, in: Jahrbuch Öffentliches Recht 2017, 121 ff, inbes. 149). Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht nicht abgewichen.

48 Auch mit der im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht näher ausgeführten Behauptung intransparenter Verfahren zur Vergabe von Konzessionen wird das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht nachvollziehbar dargelegt.

49 Auch sonst enthält das Zulässigkeitsvorbringen der Revision in Bezug auf Spruchpunkt IV. keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG.

50 Soweit sich die Revision gegen den Spruchpunkt IV. des angefochtenen Erkenntnisses richtet, war sie daher nach § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

51 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. September 2018

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