VwGH Ra 2017/17/0391

VwGHRa 2017/17/039127.9.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Baumann, über die Revision des P M D in L, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 13. Februar 2017, 405- 10/184/1/2-2017, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung),

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 idF 2010/I/111;
GSpG 1989 §52 Abs1 idF 2014/I/013;
GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2014/I/013;
MRK Art6 Abs1;
VStG 1991 §1 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170391.L00

 

Spruch:

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die verhängte Strafe wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 13. Juli 2012 wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten GmbH der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) am 12. Juli 2011, gegen 12:50 Uhr mit drei Glücksspielgeräten für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 7.500,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Weiters wurde der Revisionswerber zum Ersatz der erstinstanzlichen Verfahrenskosten verpflichtet.

2 Sowohl der Revisionswerber als auch das Finanzamt Salzburg-Land erhoben gegen diesen Bescheid Berufung.

3 Mit Erkenntnis vom 26. September 2013 hob der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Salzburg (UVS) das Straferkenntnis vom 13. Juli 2012 hinsichtlich der Bestrafung im Zusammenhang mit zwei der drei Glücksspielgeräte auf (Spruchpunkt I.) und setzte die Geldstrafe hinsichtlich des dritten Glücksspielgerätes ("Global Tronic (FA Nr 9)") mit EUR 2.500,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe fest (Spruchpunkt II.) fest. Weiters schrieb der UVS dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von EUR 500,-- vor (Spruchpunkt III.).

4 Mit seinem Erkenntnis vom 31. August 2016, 2013/17/0811, hob der Verwaltungsgerichtshof die Spruchpunkte II. und III. der Berufungsentscheidung vom 26. September 2013 u.a. deswegen auf, weil der UVS sich mit den in der Berufung vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken nicht auseinander gesetzt, zu Unrecht die erstinstanzliche Kostenvorschreibung nicht aufgehoben und von der Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht Abstand genommen hatte.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab nunmehr das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) der als Beschwerde gedeuteten Berufung gegen die Bestrafung im Zusammenhang mit dem Glücksspielgerät "Global Tronic (FA Nr 9)" keine Folge. In Abänderung des Spruches des Straferkenntnisses vom 13. Juli 2012 setzte das LVwG die Strafe mit EUR 2.500,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe) fest (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass dem Revisionswerber keine Kosten für das Beschwerdeverfahren aufzuerlegen seien (Spruchpunkt II.). Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig (Spruchpunkt III.).

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag auf Aufhebung des Erkenntnisses wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. VwGH 26.7.2018, Ra 2017/17/0804, mwN).

11 Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09 , Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12 , Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15 , Rn. 31, 35 ff, sowie 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn 28, 62 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht, das im Revisionsfall ebenfalls eine Gesamtwürdigung durchgeführt hat, nicht abgewichen. Entgegen dem Revisionsvorbringen steht die angefochtene Entscheidung nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12 .

12 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C- 685/15 , die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. zuletzt auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17 , Rn. 55, sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048 bis 0049, Rn. 24 ff).

13 Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfrage auf, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insoweit nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Die Revision erweist sich jedoch hinsichtlich des Zulässigkeitsvorbringens zur Strafbemessung in Bezug auf die Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer als zulässig und berechtigt.

15 Zunächst ist dem Vorbringen, das Erkenntnis widerspreche dem Verbot der reformatio in peius, allerdings - wie bereits im Vorerkenntnis vom 31. August 2016, 2013/17/0811 - entgegenzuhalten, dass das Verschlechterungsverbot der Neubemessung der Strafe im vorliegenden Fall nicht entgegensteht, weil auch das Finanzamt Berufung gegen das Straferkenntnis erhoben hatte.

16 Der Revisionswerber bringt überdies vor, dass Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob § 52 Abs. 1 iVm § 52 Abs. 2 idF BGBl. I Nr. 13/2014 oder idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 günstiger im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG sei.

17 § 52 Abs. 1 GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 111/2010, lautete auszugsweise:

"§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, ..."

§ 52 Abs. 1 und Abs. 2 GSpG idF BGBl. I Nr. 118/2016 lauten auszugsweise:

"§ 52. (1) Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, (...)

(2) Bei Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1 000 Euro bis zu 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei

Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden

Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6 000 Euro bis zu 60 000 Euro zu verhängen."

Die Gesetzesmaterialen zur Novelle BGBl. I Nr. 13/2014, mit der in § 52 Abs. 1 Einleitungssatz GSpG die Strafe hinsichtlich einer Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG auf EUR 60.000 angehoben und die Staffelung der Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG eingeführt wurde, lauten auszugsweise (RV 24 Blg. NR 25. GP, 22f):

"Zur Sicherstellung einer wirksamen Vollziehung sind aus Gründen der General- und Spezialprävention empfindliche Strafen erforderlich. Diese sollen dem durch die Tat erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv machen und weiter zurückdrängen. Aus diesem Grund wird eine Staffelung der zu verhängenden Strafen je nach Schwere des Eingriffes (Anzahl der Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstände) bzw. Häufigkeit der Eingriffe (Wiederholungsfall) und eine Mindeststrafenregelung sowie die Erhöhung des Maximalstrafbetrages normiert.

Die Strafdrohung ist nach der Schädlichkeit dadurch differenziert, dass bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen die dreifache Mindeststrafe vorgesehen ist. Dadurch wird einerseits die typischerweise damit einhergehende organisierte (und mit qualifizierter Strafhöhe im Wiederholungsfall auch wiederholte) Übertretung des Gesetzes erfasst und andererseits dem typischerweise damit einhergehenden wirtschaftlichen Nutzen aus dem strafbaren Verhalten begegnet.

Was die Strafsätze betrifft, orientiert sich die Staffelung der Mindest- und Höchststrafen an § 28 Abs. 1 AuslBG, der keine verfassungsrechtlichen Bedenken hervorgerufen hat (VfGH 27.9.2007, G 24/07 ua.).

Es besteht die Möglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen trotz Mindeststrafe eine geringere als diese oder gar keine Strafe im Sinne der §§ 20 und 21 VStG zu verhängen."

18 Nach § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

19 Im Revisionsfall wäre § 52 GSpG idF der Novelle BGBl. I Nr. 111/2010 anzuwenden, sofern für den Revisionswerber nicht die Anwendung dieser Bestimmung idF der Novelle BGBl. I Nr. 118/2016 günstiger wäre.

20 Bei der Prüfung iSd § 1 Abs. 2 VStG kommt es nicht darauf an, welche Strafe tatsächlich über den Täter verhängt wird, sondern auf die Strafdrohung. Der Vergleich ist nicht bloß im Hinblick auf die Höhe der jeweils angedrohten Geldstrafe abzustellen; bei Verschiedenheiten der Strafdrohungen kommt es auf die Bewertung der "Gesamtauswirkung" an (vgl. VwGH 24.4.2014, 2012/02/0299, mwN).

21 Bei der Beurteilung der Gesamtauswirkungen ist zu beachten, dass die Intention des Gesetzgebers dahin ging, mit der genannten Novelle aus Gründen der General- und Spezialprävention die Strafen grundsätzlich zu verschärfen. Dies zeigt sich bereits in der Erhöhung der Höchststrafe bei Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG um ein Vielfaches (EUR 60.000,-- statt EUR 22.000,--). Dazu kommt, dass durch die Novelle bei Übertretungen mit Glücksspielautomaten eine Mindestgeldstrafe von EUR 1.000,-- vorgesehen wurde. Selbst wenn in Einzelfällen durch die nunmehrige Staffelung allenfalls geringere Höchststrafen zur Anwendung gelangen sollten, erweist sich § 52 Abs. 1 GSpG idF BGBl. I Nr. 111/2010 insgesamt günstiger im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG als § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GSpG nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 13/2014.

22 Es kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden, wenn das LVwG bei der Strafbemessung den Strafrahmen des § 52 Abs. 1 GSpG idF BGBl. I Nr. 111/2010 zur Anwendung brachte.

23 Die Revision rügt auch, es sei bei der Strafbemessung die überlange Verfahrensdauer nicht berücksichtigt worden.

24 Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (vgl. neuerlich VwGH 26.7.2018, Ra 2017/17/0804).

25 Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Licht der besonderen Umstände jedes einzelnen Falls zu beurteilen. Die besonderen Umstände des Einzelfalls ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falls, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem konkreten Verfahren, spielt die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer als subjektives Element eine wichtige Rolle (VwGH 24.6.2009, 2008/09/0094, mwN).

26 Nicht die Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf die Versäumnisse staatlicher Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit einer Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK anzunehmen wäre. Aus der Gesamtschau der diesbezüglichen Rechtsprechung ergibt sich aber, dass Verfahren, die länger als fünf Jahre dauern, nur in seltenen Fällen als angemessen angesehen wurden (vgl. wieder VwGH 24.6.2009, 2008/09/0094, mwN).

27 In der Rechtsprechung des EGMR wird für den Beginn der Frist jener Zeitpunkt angenommen, "in which a person is charged", dh. sobald ein Beschuldigter durch offizielle Mitteilung oder auch in sonstiger Weise darüber in Kenntnis gesetzt ist, dass gegen ihn wegen des Verdachts, eine strafbare Handlung begangen zu haben, Ermittlungen mit dem Ziel strafrechtlicher Verfolgung durchgeführt werden und seine Lage dadurch in erheblicher Weise beeinträchtigt wird (vgl. wieder VwGH 24.6.2009, 2008/09/0094, mwN).

28 Nach der Rechtsprechung des EGMR und des Verfassungsgerichtshofes ist auch das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in die zu beurteilende Verfahrensdauer einzurechnen (vgl. VwGH 26.4.2010, 2004/10/0024).

29 Im vorliegenden Fall erlangte der Revisionswerber mit Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung erstmals offiziell Kenntnis von dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf. Diese Zustellung erfolgte am 20. März 2012; als Anfangszeitpunkt des Verfahrens ist daher dieser Tag anzunehmen. Das Verfahren wurde im zweiten Rechtsgang - nach einer Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof am 31. August 2016 - vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 13. Februar 2017 abgeschlossen. Die zu beurteilende Gesamtverfahrensdauer beträgt im vorliegenden Fall daher fast fünf Jahre, wobei nicht ersichtlich ist, dass die Verfahrensverzögerung der Sphäre des Revisionswerbers zuzurechnen wäre. Es kann dem Revisionswerber nicht angelastet werden, wenn er zur Durchsetzung seiner Rechte - überdies erfolgreich - Rechtsmittel ergreift, sodass die lange Verfahrensdauer auch nicht seiner Sphäre zugerechnet werden kann (VwGH 29.1.2007, 2006/03/0155). Die Dauer des vorliegenden Verfahrens ist daher nicht mehr als angemessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu beurteilen.

30 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass das Gesetz bei der Strafbemessung in einer dem Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechenden Weise angewendet wurde, wenn eine überlange Verfahrensdauer nicht festgestellt und strafmildernd bewertet wurde (VwGH 14.10.2011, 2009/09/0239, mwN).

31 Das Verwaltungsgericht hat in Verkennung der Rechtslage die Verfahrensdauer bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt und damit das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

32 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im Umfang seines Ausspruchs über die verhängte Strafe wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

33 Im fortzusetzenden Verfahren wird das Verwaltungsgericht überdies offenzulegen haben, welche nicht getilgten Vorstrafen des Revisionswerbers es seiner Strafbemessung zu Grunde legt.

34 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandsersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. September 2018

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte