Normen
AVG §13 Abs3;
NAG 2005 §19 Abs8 idF 2013/I/068;
NAG 2005 §19 Abs8;
NAG 2005 §21 Abs3 idF 2013/I/068;
NAG 2005 §21 Abs3;
NAG 2005 §21a Abs5 idF 2014/I/040;
NAG 2005 §21a Abs5 Z2 idF 2014/I/040;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Der Mitbeteiligte, ein ägyptischer Staatsangehöriger, stellte im Wege der Österreichischen Botschaft Kairo am 9. November 2016 unter Berufung auf seine österreichische Ehefrau, R H, einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg (Revisionswerber, Behörde) vom 17. März 2017 wurde dieser Antrag gestützt auf die §§ 47 Abs. 2 sowie 21a Abs. 1 und 4 NAG abgewiesen.
Im Bescheid wurde festgehalten, dass der Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß § 21a Abs. 1 NAG nicht erbracht worden sei, weil der Mitbeteiligte kein Sprachdiplom vorgelegt habe. Die Voraussetzungen des § 21a Abs. 4 Z 2 NAG für ein Absehen vom Erfordernis nach § 21a Abs. 1 NAG lägen nicht vor, weil es sich bei den vorgelegten ärztlichen Schreiben lediglich um Atteste, nicht aber um Gutachten handle. Der Nachweis, dass dem Mitbeteiligten auf Grund seines physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises von Deutschkenntnissen dauerhaft nicht zugemutet werden könne, sei damit keinesfalls erbracht. Da es sich bei § 21a Abs. 1 NAG um eine besondere Erteilungsvoraussetzung handle, sei eine Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG nicht durchzuführen.
3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. Mai 2017 gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und hob den bekämpften Bescheid auf. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass ein Nachweis von Deutschkenntnissen bis dato nicht erbracht worden sei. Gemäß § 21a Abs. 5 NAG könne die Behörde einen Dispens (vom Erfordernis, Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen) erteilen. Voraussetzung sei aber, dass der Fremde vor Bescheiderlassung einen darauf gerichteten Antrag gestellt habe, wobei er über diesen Umstand zu belehren sei. Angesichts dieser Präklusivwirkung komme der in § 21a Abs. 5 letzter Satz NAG vorgesehenen Belehrungspflicht besondere Bedeutung zu. Vorliegend habe die Behörde den Mitbeteiligten nicht über die Möglichkeit belehrt, einen Zusatzantrag gemäß § 21a Abs. 5 NAG zu stellen. Dadurch habe sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser aufzuheben gewesen sei.
4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei mit dem angefochtenen Erkenntnis von (näher zitierter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach ein Mängelbehebungsauftrag nicht erforderlich sei, wenn der Antrag offenkundig aussichtlos sei. Dies sei vorliegend der Fall, weil weder die Voraussetzungen der Z 1 des § 21a Abs. 5 NAG (Fall eines unbegleiteten Minderjährigen) noch die der Z 2 dieser Bestimmung (Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens) vorlägen. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob eine Belehrung gemäß § 21a Abs. 5 letzter Satz NAG unterbleiben könne, wenn der Antrag offenkundig aussichtslos sei. Eine Belehrungspflicht auch in derartigen Fällen könne zu unnötigen Verfahrensverzögerungen führen.
Die Revision ist zulässig, im Hinblick auf die nachstehenden Ausführungen aber nicht berechtigt.
6. Die maßgeblichen Bestimmungen des NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2014 (§ 21a) bzw. BGBl. I Nr. 68/2013 (§ 47), lauten auszugsweise:
"Nachweis von Deutschkenntnissen
§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6 oder 8 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms oder Kurszeugnisses einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom oder das Kurszeugnis darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.
...
(5) Die Behörde kann auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach Abs. 1 absehen:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls, oder
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im
Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
...
Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger' und ‚Niederlassungsbewilligung - Angehöriger'
§ 47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
..."
7. Soweit der Revisionswerber vorbringt, eine Belehrung nach § 21a Abs. 5 letzter Satz NAG sei deshalb nicht erfolgt, weil die Voraussetzungen dieser Bestimmung offenkundig nicht vorliegen würden, ist ihm entgegenzuhalten, dass § 21a Abs. 5 NAG die Verpflichtung zur Belehrung des Antragstellers durch die Behörde an keine Bedingungen knüpft. Auch der vom Revisionswerber ins Treffen geführte § 13 Abs. 3 AVG, auf den im Zusammenhang mit der Belehrungspflicht der Behörde in § 21a Abs. 5 letzter Satz NAG verwiesen wird, führt im vorliegenden Zusammenhang zu keinem anderen Ergebnis.
§ 13 Abs. 3 AVG sieht vor, dass Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung ermächtigen, sondern dass die Behörde deren Behebung zu veranlassen hat und das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht gilt, wenn der Mangel rechtzeitig (innerhalb der von der Behörde gesetzten Frist) behoben wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - wie vom Revisionswerber ins Treffen geführt - zum Ausdruck gebracht, dass ein Mängelbehebungsauftrag dann nicht erforderlich ist, wenn der Antrag offenkundig aussichtslos ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2007, 2006/05/0086). Dem lag allerdings zugrunde, dass die in Rede stehende Mangelhaftigkeit des Anbringens (deren Behebung nicht veranlasst worden war) für die Erfolglosigkeit des Antrags nicht entscheidend war (an dem im zitierten Erkenntnis für die Nichterteilung der Baubewilligung maßgeblichen Widerspruch des Bauvorhabens zum Flächenwidmungsplan hätte auch die Vorlage der fehlenden Unterlagen nichts geändert). Somit konnte die Unterlassung des Mängelbehebungsauftrags die (dortige) Beschwerdeführerin in keinen Rechten verletzen.
Diese Ausgangslage ist mit der hier gegenständlichen Konstellation nicht vergleichbar. Im vorliegenden Fall argumentiert der Revisionswerber die Aussichtslosigkeit eines allfälligen Antrags gerade damit, dass die Voraussetzungen für eine positive Erledigung eines solchen Antrags offenkundig nicht vorlägen. Damit verkennt der Revisionswerber, dass die Regelung des § 21a Abs. 5 NAG dazu dient, dem Antragsteller die Möglichkeit einzuräumen, die seiner Ansicht nach für die Begründetheit des Antrags sprechenden Umstände - fallbezogen somit die sein Privat- und Familienleben im Sinn der Z 2 des § 21a Abs. 5 NAG betreffenden Aspekte (dass die Z 1 dieser Bestimmung mangels Minderjährigkeit des Mitbeteiligten vorliegend nicht in Betracht kommt, ist unstrittig) - ins Treffen zu führen. Ohne Vorliegen eines derartigen Antrags und damit des entsprechenden Vorbringens des Antragstellers kann aber nicht von Vornherein feststehen, dass zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens keinesfalls vom Nachweis der Deutschkenntnisse abzusehen und der Antrag somit abzuweisen wäre (vgl. im Zusammenhang mit der Bedeutung des § 13 Abs. 3 AVG bei Fehlen einer Berufungsbegründung das hg. Erkenntnis vom 6. März 2008, 2007/09/0310). Die Behörde kann daher die Belehrung über die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 21a Abs. 5 NAG nicht deshalb unterlassen, weil sie dem (noch nicht gestellten) Antrag a priori keine Erfolgschancen einräumt. Eine offenkundige Aussichtslosigkeit eines Antrags kann nicht aus einer hypothetischen Einschätzung über den Inhalt des - noch nicht vorliegenden - Antrags begründet werden.
8. Darüber hinaus ist auf Folgendes hinzuweisen: Das NAG enthält neben der in § 21a Abs. 5 vorgesehenen Belehrungspflicht noch vergleichbare Regelungen in den §§ 19 Abs. 8 und 21 Abs. 3. Diese Regelungen wurden im Zuge der Einführung der Verwaltungsgerichte lediglich insoweit adaptiert, als die Antragstellung und damit auch die Belehrung nunmehr bis zur Erlassung des Bescheides (und nicht wie zuvor: bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides) zu erfolgen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Belehrungspflicht nach § 19 Abs. 8 NAG (alt) wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass ein Unterbleiben der gebotenen Belehrung den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belaste (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2011, 2009/21/0407). Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass ein Antrag nach § 21 Abs. 3 NAG (alt) nur während des erstinstanzlichen Verfahrens gestellt werden könne und dass der Antragsteller auch über diesen Umstand zu belehren sei (siehe das hg. Erkenntnis vom 20. August 2013, 2013/22/0147).
Ausgehend von dieser Rechtslage ist es nicht rechtswidrig, dass das Verwaltungsgericht die unterbliebene Belehrung nicht selbst nachgeholt und dem Mitbeteiligten die Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 21a Abs. 5 NAG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeräumt (und anschließend über einen allfälligen derartigen Antrag selbst erstmals abgesprochen) hat (vgl. wiederum das zitierte Erkenntnis 2013/22/0147, demzufolge die dort belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid beheben hätte müssen, um der Beschwerdeführerin die Antragstellung nach § 21 Abs. 3 NAG zu ermöglichen, zumal kein Fall vorgelegen sei, in dem die Antragstellung im Berufungsverfahren nachgeholt werden hätte dürfen).
9. Da schon der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2017
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