VwGH Ra 2017/19/0332

VwGHRa 2017/19/033220.9.2017

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des S D in W, vertreten durch Mag. Miriam Gschwandtner, Rechtsanwältin in 1020 Wien, Schüttelstraße 55, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2017, I408 2009354-1/25E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 2017 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28. März 2017, I408 2009354/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem Asylgesetz 2005 und dem Fremdenpolizeigesetz 2005, bewilligt und unter anderem die Beigebung eines Rechtsanwaltes gewährt. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 7. Juni 2017 wurde die einschreitende Rechtsanwältin zur Verfahrenshelferin des Revisionswerbers bestellt. Dieser Bescheid wurde der Rechtsvertreterin am 9. Juni 2017 zugestellt.

2 Mit dem am 25. Juli 2017 beim Bundesverwaltungsgericht im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachten Schriftsatz stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2017 und führte die zu Ra 2017/19/0167 protokollierte Revision unter einem aus.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 VwGG ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber beruft sich zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision darauf, dass ein rein manipulativer Fehler, der einem ordnungsgemäß überwachten und zuverlässigen Mitarbeiter einer Kanzlei unterlaufen sei, die Wiedereinsetzung stets rechtfertige. Lediglich versehentlich sei dem Rechtsanwaltsanwärter, der zwecks Versendung verschiedener fristgebundener Schriftstücke während der urlaubsbedingten Abwesenheit mehrerer Rechtsanwälte nach Fristen sortierte Stapel angefertigt habe, der fertiggestellte und von der Verfahrenshelferin genehmigte Schriftsatz in einen Stapel mit späterer Frist "gerutscht", weswegen eine fristwahrende Einbringung der Revision unterblieben sei. Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Revisionswerber nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

8 Die Frage, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden der Partei zur Fristversäumung geführt hat oder ob der Wiedereinsetzungsgrund ausreichend bescheinigt wurde, obliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 28. März 2017, Ra 2016/09/0108). Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Revision nicht dargelegt. Sie ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht ersichtlich.

9 Nach ständiger Rechtsprechung stellt ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. die hg. Beschlüsse vom 20. Jänner 2016, Ra 2015/04/0098, vom 29. Mai 2015, Ra 2015/08/0013, und vom 27. Mai 2014, 2014/16/0001). Selbiges gilt auch, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - um das ausführende Verhalten eines Rechtsanwaltsanwärters handelt, dessen Verhalten nicht dem Verschulden des Rechtsanwalts selbst und damit der Partei gleichgesetzt werden kann (vgl. auch dazu den bereits zitierten hg. Beschluss Ra 2015/04/0098). Auch im Fall eines die Versäumung einer Antragstellung verursachenden Verhaltens eines Rechtsanwaltsanwärters ist daher zu prüfen, ob den bevollmächtigten Rechtsanwalt selbst ein Verschulden im zuvor genannten Sinn trifft (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Mai 2014, 2014/16/0002).

10 Es ergibt sich aus den Ausführungen der Revision, dass nicht nur der Auftrag zur Verrichtung einer rein manipulativen Tätigkeit erteilt wurde, sondern der Auftrag zur Versendung des fristgebundenen Schriftstückes mit der Aufgabe verbunden war, Rücksprache mit dem Revisionswerber zu halten, allfällige Änderungswünsche in den Schriftsatz aufzunehmen und diesen spätestens am letzten Tag der Revisionsfrist einzubringen. Es trifft somit nicht zu, dass betreffend die einzubringende Revision nur noch manipulative Tätigkeiten zu verrichten gewesen wären. Daher wäre es der Verfahrenshelferin schon im Hinblick auf die noch ausstehende Rückmeldung des Revisionswerbers oblegen, durch organisatorische Maßnahmen, allenfalls durch nochmalige Kontaktaufnahme mit dem Rechtsanwaltsanwärter, vor Ablauf der Revisionsfrist sicherzustellen, dass das Rechtsmittel nach allfälligen Änderungen tatsächlich fristwahrend eingebracht wurde. Dass jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb, und zwar insbesondere während Zeiten gehäufter urlaubsbedingter Abwesenheiten mehrerer Rechtsanwälte, erfolgt wäre, wird in der Revision zudem nicht dargelegt (vgl. zur diesbezüglichen Vorbringenslast des Wiedereinsetzungswerbers die hg. Beschlüsse vom 14. Oktober 2016, Ra 2016/09/0001, sowie vom 29. Mai 2015, Ra 2015/08/0013).

11 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 20. September 2017

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