Normen
B-VG Art133 Abs4;
GewO 1994 §114;
GewO 1994 §367a;
JSchG Stmk 2013 §28;
MRK Art6;
StPO 1975 §133 Abs5;
StPO 1975 §5 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Das Kostenbegehren der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, als gewerberechtlicher Geschäftsführer der H KG dafür verantwortlich zu sein, dass am 28. Juli 2015 von der H KG als Gewerbetreibende in der Filiale in K an den Jugendlichen M, geboren am 10. August 2000, eine Flasche Wodka abgegeben worden sei, obwohl dem angeführten Jugendlichen der Genuss von Alkohol nach den landesrechtlichen Jugendschutzbestimmungen verboten sei. Dadurch seien § 367a iVm § 114 GewO 1994 sowie § 18 Abs. 1 und Abs. 4 iVm § 26 Abs. 2 Z 5 und § 26 Abs. 4 Steiermärkisches Jugendgesetz (StJG 2013) verletzt worden. Über den Revisionswerber wurde gemäß § 367a GewO 1994 eine (gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid herabgesetzte) Geldstrafe in der Höhe von EUR 180,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt (I.). Weiters wurde der Revisionswerber zu einem Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren in der Höhe von EUR 18,00 verpflichtet (II.) und die ordentliche Revision für zulässig erklärt (III.).
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, zum Tatzeitpunkt habe der jugendliche Testkäufer M, der zum Tatzeitpunkt das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, die genannte Filiale betreten und versucht, eine große Flasche Wodka zu kaufen. M habe an der Kassa der Kassiererin über deren Aufforderung seinen Ausweis, aus dem sein Alter hervorgegangen sei, gezeigt, den Alkohol jedoch trotzdem erhalten. Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, die Schilderungen zum Testkauf selbst ergäben sich aus den zeugenschaftlichen Angaben des Testkäufers und der Kassiererin.
3 Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass seit dem Urteil des EGMR, Furcht gegen Deutschland, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Tatprovokation nicht vorliege und daher im vorliegenden Verfahren eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
5 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Aufwandersatz.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
9 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die im Lichte des Art. 133 Abs. 4 B-VG maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Auffassung ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. den hg. Beschluss vom 24. November 2016, Ro 2014/07/0072, sowie vom 1. Februar 2017, Ro 2016/04/0054, 0055, jeweils mwN).
10 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, sie stimme der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision zu. Es fehle Rechtsprechung, ob die Verwertung von durch Tatprovokation (im Sinne des § 5 Abs. 3 StPO iVm § 133 Abs. 5 StPO) erlangten Beweisergebnissen in einem Verwaltungsstrafverfahren zulässig sei. Im vorliegenden Fall liege eine unzulässige Tatprovokation durch den Testkäufer vor, weil dieser zur Begehung einer Tat verleitet habe, zumal der Testkäufer auch nach Aufforderung durch die Kassiererin, seinen Ausweis vorzuzeigen, weiter vorgegeben habe, zum Erwerb des gegenständlichen Produktes berechtigt zu sein. Zudem habe das Verwaltungsgericht im Bezug auf die Eignung des vom Revisionswerber eingerichteten Sicherheits- und Kontrollsystems die Rechtslage verkannt.
11 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes und der Revision besteht zur Frage einer unzulässigen Tatprovokation bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes:
12 So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11. Mai 2009, 2009/18/0131, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 5. Februar 2008, Beschwerde Nr. 74420/01, Ramanauskas gegen Litauen, bereits festgehalten, dass Art. 6 EMRK nach der Rechtsprechung des EGMR lediglich der rechtswidrigen Tatprovokation entgegensteht, die unter anderem voraussetzt, dass der verdeckte Ermittler - um eine spätere Verfolgung zu ermöglichen - den Betroffenen zur Begehung einer Straftat anstiftet, die andernfalls nicht begangen worden wäre.
13 Auf die Rechtsprechung im Urteil vom 5. Februar 2008, Beschwerde Nr. 74420/01, Ramanauskas gegen Litauen, hat der EGMR auch in dem vom Verwaltungsgericht angeführten Urteil vom 23. Oktober 2014, Beschwerde Nr. 54648/09, Furcht gegen Deutschland, hingewiesen (Rn. 47).
14 Nach dieser Rechtsprechung des EGMR findet eine (unzulässige) Tatprovokation dann statt, wenn die beteiligten Beamten sich nicht auf eine im Wesentlichen passive Ermittlung strafbarer Aktivitäten beschränken, sondern einen solchen Einfluss auf die Person ausüben, dass diese zur Begehung einer Tat verleitet wird, die ansonsten nicht begangen worden wäre. Der Gedanke hinter diesem Verbot der Tatprovokation liegt darin, dass es Aufgabe der Polizei ist, Straftaten zu verhindern und nicht, zu solchen anzustiften (vgl. das Urteil Furcht, Rn. 48, sowie das Urteil des EGMR vom 18. Dezember 2014, Beschwerde Nr. 14212/10, Scholer gegen Deutschland, Rn. 78).
15 Dabei prüft der EGMR (unter anderem), um die "legitime Unterwanderung" durch verdeckte Ermittlung von der Verleitung zu einer Straftat zu unterscheiden, ob der Beschwerdeführer Druck ausgesetzt wurde, die Tat zu begehen (vgl. das Urteil Furcht, Rn. 52, sowie das Urteil Scholer, Rand Nr. 82). In diesem Zusammenhang war für den EGMR von Bedeutung, ob der Informant während der Ermittlungen über das Verhalten eines "gewöhnlichen" Kunden (dort: eines Drogenhändlers) hinausging (vgl. Urteil Scholer, Rn. 88).
16 Diese in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien hat der Oberste Gerichtshof (OGH) in seiner Rechtsprechung zur unzulässigen Tatprovokation im Bereich der StPO wiedergegeben (vgl. RIS-Justiz RS130354, darunter das Urteil des OGH vom 7. Oktober 2015, 15 Os 89/15z, und zu § 133 Abs. 5 StPO den Beschluss des OGH vom 16. November 2016, 15 Os 99/16x).
17 Ausgehend von dieser bereits in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (wie auch des OGH) berücksichtigten Rechtsprechung des EGMR zur unzulässigen Tatprovokation ergeben sich in der vorliegenden Rechtssache keine Anhaltspunkte, dass eine unzulässige Tatprovokation vorgelegen wäre.
18 So verweist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis auf § 28 StJG 2013, in dem die Durchführung von Testkäufen normiert ist, was zeigt, dass es sich um eine ausdrücklich im Gesetz vorgesehene verdeckte Ermittlung handelt. Auch war das Verhalten des Testkäufers in der vorliegenden Rechtssache nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht geeignet, die betroffenen Personen irgendwelchem Druck auszusetzen. Wenn die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, der Testkäufer habe nach der Aufforderung, seinen Ausweis vorzuzeigen, weiter vorgegeben, zum Erwerb des Produktes berechtigt zu sein, so entfernt sie sich zum einen vom festgestellten Sachverhalt (wonach die Kassiererin an diesem Tag "überfordert" war), ohne einen Verfahrensfehler zu behaupten. Zum anderen zeigt sie damit kein Verhalten des Testkäufers auf, das über das Verhalten eines "gewöhnlichen" Kunden hinausgehen würde (vgl. zu diesem Maßstab nochmals das Urteil des EGMR Scholer, Rn. 88).
19 Soweit die Revision vorbringt, es bestehe keine Rechtsprechung zu § 5 Abs. 3 StPO iVm § 133 Abs. 5 StPO, ist darauf hinzuweisen, dass dem Verwaltungsgerichtshof bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der Verwaltung fallenden Rechtsmaterien keine Leitfunktion zukommt (vgl. den hg. Beschluss vom 28. April 2016, Ra 2015/07/0176).
20 Das Zulässigkeitsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe die Rechtslage betreffend die Eignung des eingerichteten Kontrollsystems verkannt, ist vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einrichtung von Kontrollsystemen nicht ausreichend konkret (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2017, Ra 2017/02/0022, wonach es für die Befreiung von der Verantwortlichkeit zusammengefasst entscheidend ist, ob Maßnahmen getroffen wurden, die im Ergebnis mit gutem Grund erwarten lassen, dass die Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften gewährleistet ist).
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
22 Das durch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht gestellte Kostenbegehren war abzuweisen, weil die Revisionsbeantwortung keine auf die Revision abstellenden Ausführungen, insbesondere auch zur Zulässigkeit, enthielt, sodass kein Schriftsatzaufwand gebührt (vgl. den hg. Beschluss vom 19. Dezember 2016, Ra 2015/02/0098, mwN).
Wien, am 11. Mai 2017
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