VwGH Ra 2017/01/0281

VwGHRa 2017/01/028119.9.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des D in H, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2017, Zl. W144 2148810‑1/3E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG 2014 §21 Abs3
BFA-VG 2014 §21 Abs6a
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017010281.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Das bisherige Verfahren stellt sich nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis bzw. der Aktenlage ‑ auf das Wesentlichste zusammengefasst ‑ wie folgt dar:

2 Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen der Russischen Föderation mit tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, wurde mit rechtskräftig gewordenem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 1. Februar 2011 der (infolge seines – ersten ‑ Antrags auf internationalen Schutz im Jahr 2009 zuerkannte) Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt und die Aufenthaltsbewilligung entzogen. Der Revisionswerber reiste in der Folge nach Russland aus.

3 Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AsylGH) vom 9. Jänner 2012 wurde der zweite Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 wegen der Zuständigkeit Polens zur Durchführung des Asylverfahrens zurückgewiesen. Sein dritter Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Erkenntnis des AsylGH vom 5. März 2013 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

4 Am 16. Jänner 2015 heiratete der Revisionswerber in Warschau eine österreichische Staatsbürgerin.

5 Mit rechtskräftig gewordenem Bescheid vom 2. November 2015 wies die Bezirkshauptmannschaft D den Antrag des Revisionswerbers vom 24. März 2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als „Familienangehöriger“ gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Z 1 NAG ab. Begründend stellte die Behörde fest, dass der Revisionswerber, der im Besitz einer gültigen polnischen Aufenthaltserlaubnis sei, von 2009 bis 2015 fünfmal durch das LG F (wegen Diebstahls, versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls und versuchten Diebstahls durch Einbruch oder mit Waffen, sowie wegen Raubes) und einmal durch das BG F zu näher genannten Geld- bzw. Freiheitsstrafen rechtskräftig verurteilt worden sei. Am 31. Mai 2016 wurde der Revisionswerber aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen.

6 Infolge des weiteren (unrechtmäßigen) Verbleibes des Revisionswerbers in Österreich leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Aufforderung vom 29. August 2016 an den Revisionswerber zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung ein.

7 Mit Stellungnahme vom 6. September 2016 zur genannten Aufforderung stellte der Revisionswerber ‑ im Wege der nunmehr die Revision vertretenden Rechtsanwaltskanzlei ‑ den vierten Antrag auf internationalen Schutz.

8 Diesen Antrag wies das BFA mit Bescheid vom 13. Februar 2017 gemäß AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Polen zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Weiters wurde gemäß § 61 Fremdenpolizeigesetz (FPG) die Außerlandesbringung des Revisionswerbers angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Polen zulässig sei.

9 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem vorliegenden Erkenntnis vom 30. März 2017 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), welcher mit Beschluss vom 27. Juni 2017, E 1642/2017-5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Der VfGH führte mit näherer Begründung aus, dass der Revisionswerber weder in seine Rechten nach Art. 3 EMRK noch in jenen nach Art. 8 EMRK verletzt sei. Dem BVwG könne nicht entgegen getreten werden, wenn es „auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgeht, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiegt.“ Zur behaupteten Verletzung des Art. 47 GRC durch das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung verwies der VfGH auf sein Erkenntnis VfSlg. 19.086. Weiters führte der VfGH aus, dass Art. 18 GRC keine über die Genfer Flüchtlingskonvention hinausgehenden Rechte einräume.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Die vorliegende Revision enthält als Zulässigkeitsvorbringen („Zulassungsantrag“) unter den Überschriften: „Anfang des Asylgrundrechts nach Artikel 18 EuGRC“, „Umfang des Selbsteintrittsrechts“, „Wer muss das Ermessen nach Art 17. handhaben?“ und „Schlechterstellung der unionseuropäischen Ehegatten gegenüber anerkannten Flüchtlingen“ jeweils nähere (Rechts-)Ausführungen zu einzelnen Bestimmungen des Unionsrecht bzw. Entscheidungen des EuGH.

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in den Zulässigkeitsgründen konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 17. Februar 2015, Ra 2014/01/0172, mwN, sowie vom 23. Mai 2017, Ra 2017/10/0067). Diesem Erfordernis entspricht das gegenständliche Vorbringen nicht.

16 Soweit dem Zulässigkeitsvorbringen weiters zu entnehmen ist, dass der Revisionswerber das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG rügt, übersieht er, dass das BVwG nach § 21 Abs. 6a BFA-VG über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA‑VG ist im Zulassungsverfahren der Beschwerde gegen die Entscheidung des BFA stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint; eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat in einem solchen Fall ‑ der gegenständlich nicht vorliegt ‑ nicht zu erfolgen (vgl. den hg. Beschluss vom 19. Jänner 2016, Ra 2015/19/0226, mwN).

17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

18 Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Anregung des Revisionswerbers auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Frage der Auslegung des Art. 18 GRC bzw. der Art. 9 und 17 der Dublin‑III‑Verordnung (vgl. den hg. Beschluss vom 29. November 2016, Ro 2016/06/0013).

19 Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 19. September 2017

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