VwGH Ro 2016/15/0021

VwGHRo 2016/15/00211.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der Dr. W GmbH in H, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in 5400 Hallein, Davisstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 22. März 2016, Zl. RV/6100671/2010, betreffend u.a. Körperschaftsteuer 2006 und 2007 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2008, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1294;
ASVG §213a;
ASVG §333 Abs1;
ASVG §334;
BAO §116 Abs2;
BAO §22;
EStG 1988 §4 Abs1;
KStG 1988 §8 Abs2;
ZPO §433 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 In einem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom 25. Juni 2010 wurde u.a. ausgeführt, J sei der alleinige Gesellschafter der Revisionswerberin (einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung). Sein Bruder H sei Geschäftsführer der GmbH und erhalte hieraus nichtselbständige Einkünfte. Ein schriftlicher Dienstvertrag bestehe nicht.

2 Am 19. Dezember 2007 sei vor dem Landesgericht X von H und der Revisionswerberin ein prätorischer Vergleich geschlossen worden. In diesem habe sich die Revisionswerberin verpflichtet, an ihren Geschäftsführer H eine Entschädigung in Höhe von 196.200 EUR sowie die Gerichtsgebühren (1.788,50 EUR) für die aufgrund der durch die Arbeitsleistung für die Revisionswerberin entstandenen schweren und bleibenden Erkrankung zu zahlen. Im Vergleich werde ausgeführt, dass aufgrund der ungeheuren Schneemassen im Winter 2005/2006 die Arbeitssituation der Revisionswerberin sehr angespannt gewesen sei. Als privater Hausverwalter habe sie dafür Sorge tragen müssen, dass bei einer Vielzahl von Kunden Dächer, die teilweise einzustürzen drohten, abgeschaufelt würden. Da zu diesem Zeitpunkt bereits alle verfügbaren Kräfte eingespannt gewesen seien, sei es trotz Bemühens nicht mehr möglich gewesen, noch weitere Arbeitskräfte zu finden. Daher habe der Geschäftsführer H in einem Noteinsatz in einem Zeitraum von ca. 14 Tagen ohne Unterbrechung, großteils im Freien, bei Außentemperaturen zwischen -8 und -14 Grad gearbeitet. Durch diese körperliche Überanstrengung sei der Geschäftsführer schwer erkrankt, es sei ein Postinfektasthma verblieben, er stehe seither in ärztlicher Behandlung.

3 Schadenersatzzahlungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer könnten nur anfallen, wenn etwa der Arbeitgeber Sicherheitsvorkehrungen nicht setze und dadurch dem Arbeitnehmer ein Schaden erwachse. Aus vorgelegten ärztlichen Bestätigungen könne ein Zusammenhang von Erkrankungen mit den von H durchgeführten Schneeräumungsarbeiten nicht abgeleitet werden. Es könne auch nicht von einem schuldhaften Verhalten der GmbH ausgegangen werden. Die Revisionswerberin habe auf die bestehende Forderung gegen ihren Geschäftsführer H aus außerbetrieblichen Gründen verzichtet. Die Schadenersatzzahlung sei daher als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln.

4 Mit Bescheiden vom 24. Juni 2010 setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer für die Jahre 2006 und 2007 fest. Mit Bescheiden vom 25. Juni 2010 machte das Finanzamt gegenüber der Revisionswerberin Kapitalertragsteuer für die Jahre 2007 und 2008 aufgrund von Zuflüssen an den Gesellschafter J geltend.

5 Die Revisionswerberin erhob (u.a.) gegen diese Bescheide Berufung. Darin wird u.a. darauf verwiesen, dass der Geschäftsführer H nicht Gesellschafter der Revisionswerberin sei. Es liege keine Zuwendung vor, die das Vermögen der Gesellschaft zu Unrecht schmälern würden. Ein prätorischer Vergleich habe dieselben Rechtswirkungen wie ein Urteil. Es handle sich um eine Schadenersatzzahlung, welche mit den Gesellschafts- und Verwandtschaftsverhältnissen nichts zu tun habe. Wäre der Geschäftsführer nicht Bruder des Alleingesellschafters, wäre die Rechtsbasis des prätorischen Vergleichs inhaltlich exakt gleich (Anspruch auf Schadenersatz nach dem ABGB). Das Verhalten der Revisionswerberin sei zumindest grob fahrlässig gewesen; der Alleingesellschafter habe den Geschäftsführer trotz des Hinweises auf eine sehr starke Bronchienentzündung dazu verpflichtet, seiner Aufgabe nachzukommen, da die Schneesituation äußerst angespannt gewesen sei; es seien Schäden für Häuser und Personen zu befürchten gewesen. Eine bereits an einer starken Bronchienentzündung leidende Person anzuweisen, trotzdem bei - 14 Grad tagelang schweren Außendienst mit bis zu 18 Stunden pro Tag zu verrichten, sei zweifelsfrei grob fahrlässig.

6 Mit Berufungsvorentscheidungen vom 1. Oktober 2010 wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wurde darauf verwiesen, ärztlichen Bestätigungen sei lediglich zu entnehmen, dass H am 19. Jänner 2006 auf Grund einer Bronchitis und Pleuritis antibiotisch behandelt worden sei. In weiterer Folge sei ein mittelgradiges Asthma bronchiale diagnostiziert worden. Ein direkter Zusammenhang dieser Erkrankung mit den Schneeräumungsarbeiten sei aus der Bestätigung nicht ableitbar. Unabhängig von den Ursachen für die Krankheitssymptome bleibe aber festzuhalten, dass sich daraus keinesfalls eine Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers ableiten lasse. Der Dienstgeber sei gemäß § 333 ASVG dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls oder durch eine Berufskrankheit entstanden sei, nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht habe. Eine vorsätzliche Gefährdung liege aber jedenfalls nicht vor. Im Rahmen eines prätorischen Vergleichs erfolge keine Prüfung des Gerichts dahin, ob dem Antragsteller entsprechende Ansprüche inhaltlich zustünden. Der prätorische Vergleich lasse sich daher nur auf das Naheverhältnis zwischen H und dem Alleingesellschafter der Revisionswerberin zurückführen. Die Zuwendung eines Vorteils an einen Anteilsinhaber könne auch darin gelegen sein, dass eine dem Anteilsinhaber nahestehende Person begünstigt werde.

7 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die Revisionswerberin brachte insbesondere vor, es liege Vorsatz vor. H habe den Alleingesellschafter während der Schneeräumungsarbeiten mehrfach telefonisch kontaktiert und ihm mitgeteilt, dass er gesundheitlich bereits schwer angeschlagen sei und die Arbeiten kaum mehr fortsetzen könne. Der Alleingesellschafter habe jedoch aufgrund der kleinen Betriebsgröße darauf bestanden, dass der Geschäftsführer seinen Aufgaben nachkomme, weil bei einigen Objekten aufgrund der argen Dachlasten bereits Gefahr in Verzug bestanden habe. Dieser Auftrag sei daher in Kenntnis der schweren Erkrankung erfolgt. Er habe es in Kauf genommen, dass der Geschäftsführer durch den langandauernden und weiterhin fortgeführten Einsatz bei extremen Außentemperaturen chronisch erkranken könnte. Bei grober Fahrlässigkeit sei der Dienstgeber der Sozialversicherung gegenüber regresspflichtig; letztendlich habe der Dienstgeber daher auch bei grober Fahrlässigkeit den gesamten Schaden nach ABGB voll und alleine zu tragen. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen seien vor Abschluss des Vergleichs berücksichtigt worden. Mit dem prätorischen Vergleich sei ein langwieriges und kostenintensives Leistungs- und Regressverfahren nach dem ASVG vermieden worden.

8 In einer Ergänzung zur Berufung machte die Revisionswerberin insbesondere geltend, aus einem lungenfachärztlichen Gutachten ergebe sich eine 60%ige Invalidität, verbunden mit ca. 180 Tagen leichten Schmerzen pro Jahr und mit ca. 2 Tagen pro Woche mittelstarken Schmerzen. Allein im Zeitraum ab Einsetzen der Erkrankung bis zur Verfassung des Schriftsatzes (8,5 Jahre) ergäben sich daraus Schmerzengeldansprüche in Höhe von ca. 350.000 EUR, wobei betreffend die Erkrankung auch in Zukunft keine Verbesserung absehbar sei. Durch den abgeschlossenen prätorischen Vergleich sei die Revisionswerberin daher bei weitem finanziell besser gestellt, als hätte ein fremder Geschäftsführer lebenslang Schadenersatz gefordert.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde betreffend Körperschaftsteuer 2006 und 2007 sowie betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2008 keine Folge und änderte den Bescheid betreffend Kapitalertragsteuer 2008 zu Lasten der Revisionswerberin ab. Es sprach aus, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

10 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, das Gericht teile die Auffassung des Finanzamts, dass der prätorische Vergleich nur auf das Naheverhältnis zwischen H und dem Alleingesellschafter der Revisionswerberin J zurückzuführen sei. Bedenke man, dass es sich beim Abschaufeln von Dächern um eine sehr gefährliche Tätigkeit handle, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nur bei Tageslicht durchgeführt werde, scheine das Vorbringen der Revisionswerberin, H sei in der "dunklen" Jahreszeit 14 bis 15, ja sogar 18 Stunden am Tag mit dieser Tätigkeit befasst gewesen, nicht glaubwürdig. Allein schon deshalb vermöge das Gericht einen Zusammenhang zwischen der Erkrankung des H und den behaupteten Schneeräumungsarbeiten nicht zu erkennen.

11 Die von der Revisionswerberin vorgelegten ärztlichen Atteste des Hausarztes des H sowie das lungenfachärztliche Gutachten würden zwar dartun, dass H an einer Erkrankung leide (Asthma bronchiale). Dass die Schneeräumungsarbeiten Auslöser dieser Erkrankung seien, könnten diese Unterlagen jedoch nicht belegen. Dazu wären sie auch gar nicht geeignet, schieden sie doch schon mangels Anwesenheit der Ärzte während der Schneeräumungsarbeiten als taugliches Beweismittel aus. Aus diesem Grund seien auch die von der Revisionswerberin beantragten Zeugeneinvernahmen entbehrlich, sollte die Revisionswerberin mit den Ausführungen im Berufungsschriftsatz "Beweise: alle Ärzte als Zeugen, insbesondere (Hausarzt)" etwa auf einen derartigen Beweisantrag abgezielt haben.

12 Eine Haftung des Dienstgebers bestehe gegenüber dem Versicherten gemäß § 333 ASVG nur dann, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht habe.

13 Das Gericht vermöge im vorliegenden Fall eine Haftung der Revisionswerberin als Dienstgeberin gegenüber dem Dienstnehmer H nicht zu erkennen. Die im Vorlageantrag gebotene Version, der Geschäftsführer H habe den Alleingesellschafter J während der Schneeräumungsarbeiten mehrfach telefonisch kontaktiert und ihm mitgeteilt, er sei gesundheitlich bereits schwer angeschlagen und könne die Arbeiten kaum mehr fortsetzen, der Alleingesellschafter J habe jedoch darauf bestanden, dass der Geschäftsführer seinen Aufgaben nachkomme, sei für das Gericht nicht glaubwürdig. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Revisionswerberin für den Dienstnehmer H eine private Krankenzusatzversicherung abgeschlossen habe und dies sogar ausdrücklich gegen den Willen des Dienstnehmers. Ein Dienstgeber, der sich für seine Dienstnehmer in einem so hohen Maß sozial verantwortlich fühle, dass er für diese eine private Krankenzusatzversicherung abschließe und die dafür anfallenden Kosten übernehme, weise einen Dienstnehmer im Falle seiner Krankheit nicht an, trotzdem den Dienst zu versehen.

14 Im Hinblick auf diese Umstände stehe für das Gericht fest, dass der zwischen der Revisionswerberin und H abgeschlossene Vergleich unter Fremden nicht abgeschlossen worden wäre. Da die Zahlung schon dem Grunde nach einem Fremdvergleich nicht standhalte, sei ein Eingehen auf die Höhe nicht mehr geboten.

15 Eine Bindung der Abgabenbehörde an eine zivilprozessuale Entscheidung bestehe nicht. Dies gelte umso mehr, wenn es sich nicht um eine zivilgerichtliche Entscheidung, sondern lediglich um die gerichtliche Protokollierung eines außergerichtlich abgeschlossenen Vergleiches handle. Im vorliegenden Fall handle es sich auch nicht um einen prätorischen Vergleich, da eine echte Streitschlichtung nicht erfolgt sei. Eine inhaltliche Überprüfung des behaupteten Schadenersatzanspruchs habe der Richter nicht vorgenommen.

16 Die Zahlung, zu der sich die Revisionswerberin aufgrund des vor dem Landesgericht protokollierten Vergleichs verpflichtet habe, sei in der Form erfolgt, dass die Gesellschaft in Höhe des Zahlungsbetrags eine Gutschrift auf dem Verrechnungskonto des Geschäftsführers vorgenommen habe. Die tatsächliche Buchung der Gutschrift sei am 11. Februar 2008 erfolgt. Damit sei der Zufluss des Betrags anzunehmen. Dass die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt zahlungsfähig gewesen sei, gestehe die Revisionswerberin selbst ausdrücklich zu. Der Betrag sei daher (erst) im Jahr 2008 zugeflossen. Daher sei die Haftung der Revisionswerberin für Kapitalertragsteuer für das Jahr 2007 zu reduzieren und für das Jahr 2008 zu erhöhen gewesen.

17 Die Revision sei zulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof bislang noch nie mit der Frage befasst gewesen sei, ob eine auf Grund einer gerichtlich protokollierten außergerichtlichen Vereinbarung geleistete Zahlung einer Kapitalgesellschaft an eine dem Alleingesellschafter nahe stehende Person eine verdeckte Gewinnausschüttung darstelle.

18 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

 

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

20 Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um Ansprüche handelt, die - sofern sie berechtigt seien - den Bestimmungen der §§ 333 und 334 ASVG unterliegen. Dieser Beurteilung ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten.

21 Damit ist aber der Dienstgeber (Revisionswerberin) dem Versicherten (Geschäftsführer H) zum Ersatz des Schadens nur dann verpflichtet, wenn der Dienstgeber den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat (§ 333 Abs. 1 ASVG; vgl. RIS-Justiz RS0085236, RS0031306).

22 Vorsatz iSd § 333 ASVG ist gleichbedeutend mit "böser Absicht", die nach § 1294 ABGB nur gegeben ist, wenn der Schaden widerrechtlich mit Wissen und Willen des Schädigers verursacht worden ist. Der Vorsatz muss Eintritt und Umfang des Schadens umfassen, wobei bedingter Vorsatz genügt. Es reicht nicht aus, wenn zB vorsätzlich Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht eingehalten werden, solange nicht auch der Schadenseintritt vom Vorsatz umfasst ist. Selbst gröblichste Fahrlässigkeit ist dem Vorsatz nicht gleichzuhalten (vgl. OGH vom 29. Jänner 2014, 9 ObA 4/14z). Überbeanspruchung bei der Arbeit oder Verweigerung zweckentsprechender Arbeitskleidung trägt für sich allein noch nicht die Annahme vorsätzlicher Schädigung (vgl. OGH vom 31. August 2005, 9 ObA 16/05a).

23 Die Revisionswerberin hatte zwar - wenn auch erst im Vorlageantrag - behauptet, es liege Vorsatz vor. Das Bundesfinanzgericht hielt das dazu von der Revisionswerberin erstattete Vorbringen - samt eingeholter Stellungnahme des Alleingesellschafters der Revisionswerberin - für unglaubwürdig. Der Revision gelingt es im Ergebnis nicht, eine Unschlüssigkeit der Erwägungen des Bundesfinanzgerichts aufzuzeigen, ist doch aus der Stellungnahme kein Anhaltspunkt dafür ableitbar, dass sich der Alleingesellschafter damit abgefunden hätte, dass es zu einem Körperschaden bei seinem Bruder komme. Nach dieser Stellungnahme bestand die Aufgabe seines Bruders im Wesentlichen in der Rekrutierung und Einteilung der Mannschaften, dem Einkauf von Schaufeln und Sicherungsgurten, der Kontrolle, Organisation von Straßensperren und dem Schneeabtransport. Wenn er somit seinen Bruder, der ihm mitgeteilt hatte, er sei aufgrund des tagelangen Außeneinsatzes bei Minustemperaturen sehr müde und erkältet, angewiesen hat, alles nur Mögliche zu tun, damit die noch nicht abgeschöpften Dächer entlastet würden, so bezog sich dies offenkundig darauf, der Geschäftsführer möge dafür sorgen, dass - wie es weiters in dieser Erklärung heißt - mit der gesamten Mannschaft und vielen Hilfskräften Schadensfälle (Personen- und Sachschäden) vermieden würden. Dass der Alleingesellschafter, der also gerade betonte, es sollten Schäden (betreffend die Kunden der Revisionswerberin) vermieden werden, Personenschäden betreffend Mitarbeiter der Revisionswerberin in Kauf genommen hätte, ergibt sich aus dieser Erklärung nicht. Soweit in der Revision als Verfahrensmangel die Unterlassung der Vernehmung des Alleingesellschafters als Zeuge gerügt wird, ist zu bemerken, dass ein Beweisantrag (samt Beweisthema; vgl. Ritz, BAO5, § 183 Tz 2) dem Akteninhalt nicht entnehmbar ist. Darüber hinaus wurde im Rahmen der Berufung, in der auch das Unterlassen des Bewirkens einer Sachverhaltsdarstellung in Form einer Niederschrift des Alleingesellschafters gerügt wurde, das Vorliegen von Vorsatz noch nicht behauptet (vorgebracht wurde zwar, es liege zumindest grobe Fahrlässigkeit vor; das geschilderte Verhalten wurde sodann als "zweifelsfrei grob fahrlässig" beurteilt). Selbst bei Vorliegen von grober Fahrlässigkeit bestünde aber die behauptete Verbindlichkeit der Revisionswerberin - wie noch zu zeigen sein wird - nicht. Ein relevanter Verfahrensmangel kann sohin mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt werden.

24 Die Revisionswerberin stützt sich weiters darauf, das Verhalten des Dienstgebers sei jedenfalls grob fahrlässig gewesen, sodass sich ein Regressanspruch iSd § 334 Abs. 1 ASVG ergeben hätte. Es kann hier offen bleiben, ob das Verhalten des Alleingesellschafters insoweit (sowohl betreffend Vorsatz als auch grobe Fahrlässigkeit) der Revisionswerberin zurechenbar wäre (vgl. auch § 333 Abs. 4 ASVG: gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmens oder Aufseher). Die Revisionswerberin gab im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht - erstmals - die Rechtsgrundlage für den Anspruch des Geschäftsführers an; demnach werde dieser Anspruch auf Schmerzengeld gestützt.

25 Abgesehen davon, dass der geltend gemachte Anspruch als Schmerzengeld deutlich überhöht erscheint (vgl. die Aufstellung bei Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 1325 Rz 90, wonach Schmerzengeld selbst bei schwersten Verletzungen im Allgemeinen mit 200.000 EUR begrenzt ist), ist zu bemerken, dass bezogen auf Schmerzengeld von den Trägern der Sozialversicherung als (zum Teil) kongruente Leistung die Integritätsabgeltung (§ 213a ASVG) erbracht wird (vgl. Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 332 ASVG Rz 51). Hiezu sieht aber § 334 Abs. 1 ASVG ausdrücklich vor, dass Leistungen nach § 213a ASVG nicht vom Dienstgeber zu ersetzen sind.

26 Demnach bestand aber die von der Revisionswerberin behauptete Verbindlichkeit gegenüber ihrem Geschäftsführer selbst bei Zutreffen ihres Vorbringens, die Erkrankung ihres Geschäftsführers sei auf den Winterdienst zurückzuführen, und selbst bei grober Fahrlässigkeit der Revisionswerberin weder unmittelbar gegenüber ihrem Geschäftsführer noch gegenüber einem Träger der Sozialversicherung. Damit ist der geltend gemachte Verfahrensmangel zur Nichtaufnahme von Zeugenbeweisen zum Nachweis der Kausalität zwischen Erkrankung und Winterdienst nicht entscheidungsrelevant.

27 Wenn die Revisionswerberin weiters auf den prätorischen Vergleich verweist, so kommt damit zwar eine Vereinbarung nach außen ausreichend zum Ausdruck; auch hat diese Vereinbarung einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt. Es ist aber dem Bundesfinanzgericht nicht entgegenzutreten, wenn es im Hinblick darauf, dass eine Verbindlichkeit der Revisionswerberin ihrem Geschäftsführer gegenüber nicht bestand, zum Ergebnis gelangte, eine derartige Vereinbarung wäre unter Fremden nicht unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden.

28 Durch den Abschluss eines Vergleichs vor Gericht kann die Fremdüblichkeit nicht hergestellt werden, ändert sich doch durch diese Form der Vereinbarung nichts am fremdunüblichen Inhalt.

29 Eine Bindung der Abgabenbehörde an den Inhalt des prätorischen Vergleichs besteht ebenfalls nicht. Gemäß § 116 Abs. 2 BAO besteht eine Bindung der Abgabenbehörde an Entscheidungen der Gerichte, durch die privatrechtliche Vorfragen als Hauptfragen entschieden werden, nur insoweit, als in dem gerichtlichen Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war. Daher besteht keine Bindung der Abgabenbehörden an gerichtliche Entscheidungen im Zivilprozess (Ritz, aaO, § 116 Tz 6). Umso weniger kann aber eine Bindung der Abgabenbehörde an eine vor Gericht erzielte (bloße) Vereinbarung (iSd § 433 Abs. 1 ZPO) der Parteien abgeleitet werden. Die Beurteilung, ob eine - vor Gericht vereinbarte oder allenfalls durch Zivilurteil zugesprochene - Leistung als Betriebsausgabe oder aber als (verdeckte) Ausschüttung zu berücksichtigen ist, obliegt alleine den Abgabenbehörden. Insoweit besteht - entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin - auch keine Belehrungspflicht des Zivilrichters im Rahmen eines Verfahrens nach § 433 Abs. 1 ZPO.

30 Dass eine verdeckte Ausschüttung auch dann vorliegen kann, wenn eine dem Gesellschafter nahestehende Person begünstigt wird, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. - mit Hinweisen auf diese Rechtsprechung - Raab/Renner in Renner/Strimitzer/Vock, KStG 1988, 25. Lfg, § 8 Tz 144). Geschwister sind insoweit als Nahestehende zu beurteilen (vgl. neuerlich Raab/Renner, aaO, Tz 145).

31 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

32 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 1. Juni 2017

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