VwGH Ra 2016/08/0132

VwGHRa 2016/08/013214.7.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision 1. der G Gesellschaft m.b.H. in M, vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Pierlstraße 33, und

2. des E T in G, vertreten durch Dr. Stephan Medwed, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Sterneckstraße 43, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2016, G305 2005285-1/19E und G305 2115895-1/15E, betreffend Pflichtversicherung und Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG und AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Kärntner Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Parteien:

1. Pensionsversicherungsanstalt, 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Normen

ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §539a;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Zweitrevisionswerber im Zeitraum vom 1. Jänner 2006 bis 31. Dezember 2013 auf Grund seiner Tätigkeit für die Erstrevisionswerberin als Dienstgeberin der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Arbeitslosenversicherung unterlegen sei. Weiters verpflichtete das Bundesverwaltungsgericht die Erstrevisionswerberin zur Nachentrichtung näher bezifferter Beiträge, Sonderbeiträge, Umlagen und Beiträge nach dem betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz sowie Nachtragszinsen auf Grund des festgestellten Dienstverhältnisses.

5 Die vom Zweitrevisionswerber ausgeübte Tätigkeit eines Managers des von der Erstrevisionswerberin betriebenen Golfplatzes sei aufgrund des Überwiegens der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit als Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzusehen.

6 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen einer "generellen Vertretungsbefugnis", die das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ausschließe, abgewichen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich bei Verneinung einer "generellen Vertretungsbefugnis" des Zweitrevisionswerbers nämlich darauf gestützt, dass zur Vertretung von vornherein nur ein fachlich versierter Vertreter in Frage käme. Darauf, dass nur geeignete Vertreter herangezogen werden dürften, komme es jedochnach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang nicht an.

7 Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG (und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses) ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG schon deshalb nicht vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2015, 2013/08/0175). Die persönliche Arbeitspflicht fehlt (unter anderem) dann, wenn dem zur Leistung Verpflichteten ein "generelles Vertretungsrecht" zukommt, wenn er also jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile seiner Verpflichtung auf Dritte überbinden kann. Damit wird vor allem die Situation eines selbständig Erwerbstätigen in den Blick genommen, der - anders als ein letztlich nur über seine eigene Arbeitskraft disponierender (abhängig) Beschäftigter - im Rahmen einer unternehmerischen Organisation (oft werkvertragliche) Leistungen zu erbringen hat und dabei Hilfspersonal zum Einsatz bringt und sich eines Vertreters (Subunternehmers) bedient. Die "generelle Vertretungsbefugnis" spielt insbesondere bei der Abgrenzung zwischen selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeiten eine Rolle. Von einer die persönliche Arbeitspflicht ausschließenden generellen Vertretungsbefugnis kann nur dann gesprochen werden, wenn der Erwerbstätige berechtigt ist, jederzeit und nach Gutdünken irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommen Arbeitspflicht heranzuziehen bzw. ohne weitere Verständigung des Vertragspartners eine Hilfskraft beizuziehen. Keine generelle Vertretungsbefugnis stellt die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen dar, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenden Arbeitspflicht vertreten zu lassen; ebenso wenig die bloß wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 2015, Ro 2015/08/0020, mwN).

8 Im vorliegenden Fall wurde nach dem Inhalt des schriftlichen "Managementvertrages" zwischen den revisionswerbenden Parteien vom 14. September 1993 dem Zweitrevisionswerber eine generelle Vertretungsbefugnis in diesem Sinn jedenfalls nicht eingeräumt, war doch die Heranziehung eines Vertreters durch den Zweitrevisionswerber ausdrücklich an die "vorherige schriftliche Zustimmung" der Erstrevisionswerberin gebunden. Im Übrigen sprach auch das vereinbarte Konkurrenzverbot gegen eine umfassende Vertretungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, 2007/08/0041, mwN).

9 Die revisionswerbenden Parteien stützten sich im Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes darauf, dass diese schriftliche Vereinbarung nicht gelebt worden sei, sondern der Zweitrevisionswerber - wie letztlich in einem schriftlichen Vertrag vom 20. Dezember 2013 festgehalten worden sei - berechtigt gewesen sei, seine Aufgaben einem frei gewählten Vertreter zu übertragen. Dem hielt das Bundesverwaltungsgericht (unter anderem) entgegen, dass der Zweitrevisionswerber von einer allfälligen Befugnis, sich vertreten zu lassen, tatsächlich auch nicht Gebrauch gemacht habe und es den Parteien bei Betrachtung der dem Zweitrevisionswerber übertragenen Aufgaben und ihrer Interessenlagen darauf ankam, dass der Zweitrevisionswerber aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten sowie seiner persönlichen Kontakte zu Kunden seine Aufgaben persönlich erbrachte.

10 Entgegen der Revision stehen diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich bereits wiederholt ausgesprochen hat, könnte selbst die Vereinbarung eines generellen Vertretungsrechtes - unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) - die persönliche Arbeitspflicht nur dann ausschließen, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt worden wäre oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit hätten rechnen können, dass von der generellen Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen im Widerspruch stünde (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 12. Oktober 2016, Ra 2016/08/0095, und das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 2015, Ro 2015/08/0020, jeweils mwN).

11 Die revisionswerbenden Parteien bringen weiters unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, das Bundesverwaltungsgericht habe seine Feststellungen nahezu ausschließlich auf schriftliche Urkunden (Managementvertrag, Aktenvermerke über Besprechungen) gestützt, dagegen aber "sämtliche Aussagen nicht einmal gewürdigt". Hätte das Bundesverwaltungsgericht seine Feststellungen anhand der "Aussagen des Zweitrevisionswerbers und der Zeugen" getroffen, so hätte sich ergeben, dass "eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit" des Zweitrevisionswerbers nicht bestanden habe.

12 Mit diesen Ausführungen wenden sich die revisionswerbenden Parteien gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Beweiswürdigung ist einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz aber nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluss vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/08/0091, mwN).

13 Derartige Mängel der Beweiswürdigung zeigen die revisionswerbenden Parteien nicht auf, zumal sich das Bundesverwaltungsgericht - entgegen den Ausführungen in der Revision - mit den Aussagen des Zweitrevisionswerbers und der in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen im Rahmen seiner umfassenden Erwägungen zur Beweiswürdigung auseinander gesetzt hat. Im Übrigen legen die revisionswerbenden Parteien nicht einmal dar, welche konkreten Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung beruhen sollen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Juli 2017

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