VwGH Ra 2016/08/0095

VwGHRa 2016/08/009512.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der D OG in Wien, vertreten durch die Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH in 1070 Wien, Mariahilferstraße 88a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. April 2016, W229 2009543-1/8E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz; mitbeteiligte Parteien: 1. K W in Wien; 2. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien;

3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1151;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §539a;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
ABGB §1151;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §539a;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 15. Mai 2014, mit dem diese festgestellt hatte, dass die Erstmitbeteiligte auf Grund ihrer Beschäftigung bei der Revisionswerberin 1.) in näher bezeichneten Zeiträumen in den Jahren 2009, 2010 und 2011 gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei und 2.) in näher genannten Zeiträumen im Jahr 2010 von der Vollversicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 iVm § 5 Abs. 2 ASVG ausgenommen und der Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 7 Z 3 lit. a ASVG unterlegen sei. Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht sei bei seiner Beurteilung des Vorliegens eines Dienstverhältnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge indes nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG im Einzelfall erforderliche Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. die hg. Beschlüsse vom 18. Februar 2015, Ra 2015/08/0003, und 3. Juli 2015, Ra 2015/08/0055). Eine solche Unvertretbarkeit zeigt die Revision nicht auf.

6 Soweit die Revisionswerberin zur Zulässigkeit der Revision vorbringt, die von der Erstmitbeteiligten übernommene Verpflichtung zur Erteilung von Sprachkursen sei nach der Rechtsprechung als Werkvertrag zu qualifizieren, ist festzuhalten, dass ein Werkvertrag in der Regel ein Zielschuldverhältnis begründet. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2011, 2008/08/0222, mwN).

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt damit auseinandergesetzt, ob eine Vereinbarung zur Abhaltung von Kursen (Vorträgen, Seminaren) als Werkvertrag anzusehen ist, und hat ausgeführt, dass eine vertragsmäßige Konkretisierung des Werkes schon daran scheitert, dass es sich bei der Erteilung von Unterricht nicht um ein Endprodukt im genannten Sinn handelt. Außerdem ist kein Maßstab ersichtlich, nach welchem für den Werkvertrag typische Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werkes beurteilt werden sollten. Ein der für den Werkvertrag essenziellen Gewährleistungsverpflichtung entsprechender Erfolg der Tätigkeit ist nicht messbar, weshalb von einem individualisierbaren "Werk" nicht die Rede sein kann. Es liegt vielmehr eine Vereinbarung über Dienstleistungen vor (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. September 2015, Ra 2015/08/0045, und vom 19. Februar 2014, 2013/08/0160, je mwN).

8 Auch der Hinweis darauf, dass die Erstmitbeteiligte sich habe vertreten lassen können und es ihr offen gestanden sei, angebotene Kurse abzulehnen, führt die Revision nicht zum Erfolg.

9 Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG (und damit für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis) ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG schon deshalb nicht vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2015, 2013/08/0175, mwN).

10 Die persönliche Arbeitspflicht fehlt einerseits dann, wenn dem zur Leistung Verpflichteten ein "generelles Vertretungsrecht" zukommt, wenn er also jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile seiner Verpflichtung auf Dritte überbinden kann. Damit wird vor allem die Situation eines selbständig Erwerbstätigen in den Blick genommen, der - anders als ein letztlich nur über seine eigene Arbeitskraft disponierender (abhängig) Beschäftigter - im Rahmen einer unternehmerischen Organisation (oft werkvertragliche) Leistungen zu erbringen hat und dabei Hilfspersonal zum Einsatz bringt oder sich eines Vertreters (Subunternehmers) bedient. Die "generelle Vertretungsbefugnis" spielt insbesondere bei der Abgrenzung zwischen selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeiten eine Rolle. Von einer die persönliche Arbeitspflicht ausschließenden generellen Vertretungsbefugnis kann nur dann gesprochen werden, wenn der Erwerbstätige berechtigt ist, jederzeit und nach Gutdünken irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen bzw. ohne weitere Verständigung des Vertragspartners eine Hilfskraft beizuziehen. Keine generelle Vertretungsberechtigung stellt die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen dar, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen; ebenso wenig die bloß wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 1. Oktober 2015, Ro 2015/08/0020, und nochmals vom 15. Oktober 2015, 2013/08/0175).

11 Selbst wenn, wie von der Revisionswerberin vorgebracht, ein generelles Vertretungsrecht vereinbart worden wäre, kann dies - unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 539a ASVG) - die persönliche Arbeitspflicht nur dann ausschließen, wenn diese Befugnis entweder in der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich gelebt worden wäre oder wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit hätten rechnen können, dass von der generellen Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen im Widerspruch stünde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Juni 2013, 2013/08/0093, und vom 19. Oktober 2015, 2013/08/0185, mwN).

12 Die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, ein generelles Vertretungsrecht sei weder gelebt worden, noch sei damit bei Vertragsabschluss zu rechnen gewesen, erweist sich fallbezogen als jedenfalls vertretbar, wurde die Erstmitbeteiligte doch unstrittig lediglich von den Geschäftsführerinnen der Revisionswerberin - und auch dies nur zweimal - vertreten.

13 Die persönliche Arbeitspflicht fehlt andererseits auch dann, wenn einem Beschäftigten ein "sanktionsloses Ablehnungsrecht" zukommt, wenn er also die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann. Der Empfänger der Dienstleistungen kann unter solchen Umständen nicht darauf bauen und entsprechend disponieren, dass dieser Beschäftigte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit für Dienstleistungen vereinbarungsgemäß zur Verfügung steht. Die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen, ihm angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten auszuschlagen, berührt die persönliche Arbeitspflicht in keiner Weise, mag diese Befugnis auch als "sanktionsloses Ablehnungsrecht" (in einem weiteren Sinn) bezeichnet werden. Zwischen der sanktionslosen Ablehnung der Erbringung einzelner Leistungen, etwa bei deren Abruf im Zuge einer Rahmenvereinbarung bei verpflichtender Tätigkeit im Fall der Zusage, und einem generellen sanktionslosen Ablehnungsrecht, das die persönliche Abhängigkeit ausschließt, ist ein deutlicher Unterschied zu machen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis 2013/08/0175, mwN).

14 Das Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall auf Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2016, Ro 2014/08/0045, mwN) davon ausgegangen, dass kein durchgehendes (vollversicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis vorlag, sondern ein Dienstverhältnis lediglich in den Zeiten, in denen sich die Erstmitbeteiligte nach Anfrage der Revisionswerberin zur Abhaltung von Kursen verpflichtet hatte, bestand. Daraus, dass die Erstmitbeteiligte einzelne Beschäftigungsmöglichkeiten (Kurse) ablehnen konnte, lässt sich für den Standpunkt der Revisionswerberin daher nichts gewinnen, war die Erstmitbeteiligte doch nach den Feststellungen verpflichtet, die von ihr übernommenen Sprachkurse abzuhalten.

15 Auch im Übrigen hat sich das Bundesverwaltungsgericht eingehend mit den vom Verwaltungsgerichtshof zu § 4 Abs. 2 erster Satz ASVG entwickelten Beurteilungskriterien (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2012, 2010/08/0204, mwN) auseinander gesetzt. Das Ergebnis dieser Gesamtbetrachtung, wonach die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwogen haben und - insbesondere unter Beachtung der organisatorischen Einbindung der Erstmitbeteiligten in den Betrieb der Revisionswerberin - kein freier Dienstvertrag im Sinn des § 4 Abs. 4 ASVG vorlag, ist nicht zu beanstanden.

16 Die Revision, in der somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2016

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