VwGH Ra 2015/15/0034

VwGHRa 2015/15/003429.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der W GmbH (vormals W GmbH), des Dr. H A und des Dr. E P, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. Dezember 2014, Zl. RV/6100398/2010, betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für das Wirtschaftsjahr November bis Dezember 1999, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §24 Abs2;
EStG §6 Z14 litb;
UmgrStG 1991 §12 Abs2 Z2;
UmgrStG 1991 §12 Abs2;
UmgrStG 1991 Art3;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die W GmbH & Co KG wurde - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts - mit Gesellschaftsvertrag vom 24. März 1990 gegründet. Komplementär war die W GmbH, die Gesellschaft hatte ursprünglich sieben, später sechs Kommanditisten. Im April 1990 erwarb die W GmbH & Co KG Liegenschaften samt darauf errichteten Seilbahn- und Liftanlagen inklusive aller Baulichkeiten und der Betriebsausstattung unter Übernahme aller aushaftenden Bankschulden. Für diesen Kauf erhielt sie von der Verkäuferin einen Betrag von 12 Mio S.

2 Im Jahr 1994 wurden von der Mitunternehmerschaft (W GmbH & Co KG, Bilanzstichtag 31.10.) zwei atypisch stille Gesellschafter aufgenommen. In den Jahren 1995 und 1996 traten dieser Mitunternehmerschaft insgesamt weitere 50 atypisch stille Gesellschafter bei.

3 Die W GmbH & Co KG brachte auf Basis eines notariellen Einbringungsvertrages vom 19. September 2000 ihren "ganzen Betrieb" gemäß Artikel III UmgrStG zum Umgründungsstichtag 31. Dezember 1999 in die Komplementärgesellschaft, die W GmbH, ein. In steuerlicher Hinsicht brachten die Kommanditisten ihren Mitunternehmeranteil in die Komplementär-GmbH ein. Die Kommanditgesellschaft wurde im Firmenbuch gelöscht. Im Firmenbuch verblieb die W GmbH. Als Gewinnermittlungssubjekt verblieb nach dieser Umgründung die W GmbH & atypisch stille Gesellschafter.

4 Am 7. Dezember 2001 wurde über das Vermögen der W GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Gerichtsbeschluss vom 3. November 2003 wurde der Konkurs nach Durchführung eines Zwangsausgleichsverfahrens aufgehoben.

5 Im Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 1999 erwirtschaftete die W GmbH & Co KG einen Verlust von 2,681.711,88 S. Zum Bilanzstichtag 31. Oktober 1999 wies die W GmbH & Co KG eine buchmäßige Überschuldung vom 9,151.938,00 S auf. 6 Anlässlich der Umgründung erhöhte die W GmbH gemäß § 19 UmgrStG ihr Eigenkapital um 16,900.000 S. Im Einbringungsvertrag wurde dies damit begründet, dass der Verkehrswert der Seilbahn- und Liftanlagen einschließlich der Betriebsausstattung, Maschinen und Einrichtungen 60 Mio S betrage. Dem stehe ein Buchwert von 12,832.675 S gegenüber. In Höhe der Differenz erfolge eine handelsrechtliche Aufwertung. Unter Berücksichtigung der buchmäßigen Überschuldung zum 31. Dezember 1999 ergab sich eine Aufwertung von ca. 16,9 Mio S, die zur Gänze den Kommanditisten zugewiesen wurde.

7 Nach Durchführung einer Außenprüfung, im Zuge derer das Vorliegen eines positiven Verkehrswertes im Rahmen der Einbringung der W GmbH & Co KG in die W GmbH verneint wurde, erließ das Finanzamt u.a. den revisionsgegenständlichen Feststellungsbescheid betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Rumpfwirtschaftsjahr 11 und 12/1999, in dem den Kommanditisten und der Komplementär GmbH anteilige Veräußerungsgewinne zugewiesen wurden.

8 Gegen diesen Bescheid brachten u.a. die Revisionswerber Berufung ein.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde abgewiesen. Begründend ist das Bundesfinanzgericht zunächst in ausführlicher Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen zu dem Ergebnis gelangt, dass der vom Einbringenden zu erbringende Nachweis eines positiven Verkehrswertes nicht gelungen sei. Bei buchmäßiger Überschuldung sei weder zum Einbringungsstichtag 31. Dezember 1999 noch am Tag der Erstellung des Einbringungsvertrages 19. September 2000 ein positiver Verkehrswert des eingebrachten Vermögens vorgelegen. Damit fehle jedoch eine wesentliche gesetzliche Voraussetzung für eine begünstigte Einbringung nach Art. III UmgrStG, womit die im Verfahren zu beurteilende Einbringung nicht unter Art. III UmgrStG falle.

10 Nach § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 gelte die Einlage oder die Einbringung von Wirtschaftsgütern und sonstigem Vermögen in eine Körperschaft im Sinne des § 1 KStG 1988 als Tausch im Sinne des § 6 Z 14 lit. a EStG 1988, wenn diese Einbringung nicht unter das UmgrStG falle.

11 Nach § 6 Z 14 lit. a EStG 1988 liege beim Tausch von Wirtschaftsgütern jeweils eine Anschaffung und eine Veräußerung vor. Als Veräußerungspreis des hingegebenen Wirtschaftsgutes sei jeweils der gemeine Wert des hingegebenen Gutes anzusetzen. Der im gegenständlichen Verfahren in Frage stehende Einbringungsvorgang (die Hingabe der Mitunternehmeranteile gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten) stelle ertragsteuerlich einen Tausch im Sinne des § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 dar.

12 Aus dem Umstand, dass der Nachweis eines positiven Verkehrswertes nicht gelungen sei, ergebe sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts auch, dass der Anteil eines Mitunternehmers, der bis zur Einbringung gemäß seinem Anteil an der Mitunternehmerschaft an den Erfolgen teilgenommen und aufgrund der nachhaltigen Verlustsituation trotz wiederholt vorgenommener Einlagen ein buchmäßig überschuldetes Kapitalkonto besitze, keinen positiven Verkehrswert aufweise. Der Wert des Kommanditanteiles sei damit mit 0,00 anzusetzen. Dies stelle den Veräußerungspreis für die Kommanditanteile und gleichzeitig auch die Anschaffungskosten der GmbH Anteile dar. Da den Kommanditisten aber die Auffüllung ihres negativen Kapitalkontos erspart geblieben sei, liege in der Differenz zwischen dem negativen Buchwert des Kapitalkontos und des Veräußerungspreises von 0,00 der Veräußerungsgewinn des Kommanditisten, der für diese Einbringung der Kommanditanteile anzusetzen sei.

13 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision. Zu deren Zulässigkeit bringen die Revisionswerber vor, der Revisionsfall werfe mehrere Auslegungsfragen zu § 6 Z 14 EStG 1988 sowie zu § 24 Abs. 2 EStG 1988 auf, zu denen es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gebe.

14 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 Die Revision ist zulässig, sie ist auch begründet. 17 Im Revisionsverfahren gehen die Verfahrensparteien vom

Fehlen eines positiven Verkehrswertes des Einbringungsgegenstandes aus, weshalb eine Anwendbarkeit von Art. III UmgrStG ausscheidet (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 UmgrStG).

18 Kommt Art. III UmgrStG nicht zur Anwendung, richtet sich die Beurteilung des Einbringungsvorgangs nach dem allgemeinen Steuerrecht. Nach § 6 Z 14 lit. b letzter Satz EStG 1988 ist die (missglückte) Einbringung von (Teil)Betrieben, Mitunternehmer- und Kapitalanteilen im Sinne des § 12 Abs. 2 UmgrStG auf den nach dem UmgrStG maßgeblichen Einbringungsstichtag zu beziehen (vgl. VwGH vom 25. Juni 2014, 2009/13/0154).

19 Die Revision argumentiert nun, die Rückwirkungsfiktion des § 6 Z 14 lit. b letzter Satz EStG 1988 komme im Revisionsfall nicht zur Anwendung, weil dies "eine Einbringung von (Teil)Betrieben, Mitunternehmer- und Kapitalanteilen im Sinne des § 12 Abs. 2 des Umgründungssteuergesetzes" voraussetze. Gegenständlich sei von der W KG ein Mitunternehmeranteil in die W GmbH eingebracht worden. Es sei daher nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 Z 2 UmgrStG eine Schlussbilanz der atypisch stillen Gesellschaft aufzustellen gewesen, an der der eingebrachte Mitunternehmeranteil bestanden habe. Tatsächlich sei jedoch nicht eine Schlussbilanz der atypisch stillen Gesellschaft, sondern jene der einbringenden W KG erstellt und als Bestandteil des Einbringungsvertrages an das Finanzamt übermittelt worden. Der Einbringung sei somit eine Schlussbilanz des Einbringenden selbst zugrunde gelegt worden statt jene Bilanz, an der der eingebrachte Mitunternehmeranteil bestanden habe.

20 § 12 Abs. 2 UmgrStG nennt als einbringungsfähiges Vermögen u. a. in Z 2 "Mitunternehmeranteile" und definiert diese als "Anteile an Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn sie zu einem Stichtag eingebracht werden, zu dem eine Bilanz (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988) der Mitunternehmerschaft vorliegt, an der die Beteiligung besteht".

21 Die Revision irrt, wenn sie aus dieser Bestimmung für den Revisionsfall ableitet, dass eine Stichtagsbilanz der atypisch stillen Gesellschaft vorliegen müsse. Im Revisionsfall wurden die Mitunternehmeranteile der Kommanditisten in die Komplementär-GmbH eingebracht. Dem Erfordernis des § 12 Abs. 2 Z 2 UmgrStG, dass zum Einbringungsstichtag eine Bilanz der Mitunternehmerschaft vorliegt, wird durch die Bilanz der KG entsprochen, auch wenn an der Mitunternehmerschaft auch atypisch stille Gesellschafter beteiligt waren.

22 Das Bundesfinanzgericht ist somit zutreffend von der Anwendbarkeit der Rückwirkungsfiktion des § 6 Z 14 lit. b letzter Satz EStG 1988 ausgegangen.

23 Gemäß § 24 Abs. 1 EStG 1988 gehören zum Veräußerungsgewinn auch Gewinne, die bei der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils erzielt werden. Scheidet ein Mitunternehmer mit negativem Kapitalkonto aus einer Mitunternehmerschaft aus, ist gemäß § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muss. Dies gilt auch für den Fall der Beendigung der Mitunternehmerschaft durch Betriebsaufgabe. Für den Eintritt der Rechtsfolge des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 kommt es nicht darauf an, ob das negative Kapitalkonto auf Verluste früherer Perioden oder auf Entnahmen oder auf beides zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 21. September 2016, 2013/13/0018, mwN).

24 Der Bestimmung des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 liegt der Gedanke zu Grunde, dass ein negatives Kapitalkonto eines Mitunternehmers grundsätzlich eine Verpflichtung des Mitunternehmers der Mitunternehmerschaft gegenüber zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos zum Ausdruck bringt. In jenen Fällen, in denen bei einem Kommanditisten durch Verlustzuweisungen ein negatives Kapitalkonto entsteht, zu dessen Auffüllung er nicht verpflichtet ist, sodass sein Ausscheiden ohne vorherige Auffüllung des Kapitalkontos keine schuldbefreiende und damit gewinnwirksame Rechtsfolge nach sich zieht, normiert die genannte Bestimmung eine derartige Rechtsfolge für steuerliche Zwecke. Andernfalls wären Verluste eines Kommanditisten, denen im steuerlichen System der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich der Gedanke einer Vermögenseinbuße zu Grunde liegt, in unbeschränktem Ausmaß steuerlich zu berücksichtigen (insbesondere im Wege des Verlustausgleiches), ohne dass der nachträgliche Wegfall der unterstellten Vermögenseinbuße bei seinem Ausscheiden aus der Kommanditgesellschaft steuerlich als Wegfall einer Verbindlichkeit gewinnerhöhend erfasst werden könnte (vgl. VwGH vom 28. Oktober 2009, 2006/15/0126 sowie vom 27. Mai 1998, 94/13/0084).

25 Die W GmbH als ehemalige Komplementärin hat durch den in Rede stehenden Vorgang jedoch keinen Veräußerungstatbestand erfüllt. Schon deshalb erweist sich eine Erfassung ihres negativen Kapitalkontos als Veräußerungsgewinn im Sinn des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 als rechtswidrig. Im Übrigen wurde die W GmbH durch den in Rede stehenden Vorgang auch nicht von ihrer nach wie vor bestehenden Haftung entbunden.

26 Soweit die den Kommanditisten im angefochtenen Erkenntnis zugewiesenen Gewinnanteile betroffen sind, vermögen die Revisionseinwände gegen die Anwendung von § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 allerdings nicht zu verfangen. Mit der Einbringung ihrer Mitunternehmeranteile haben die Kommanditisten ihre bisherige Rechtsstellung als Mitunternehmer aufgegeben und sind zu Gesellschaftern der W GmbH geworden, sodass zweifelsfrei von einem "Ausscheiden" der Kommanditisten im Sinne des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 auszugehen war.

27 Wenn die Revision gegen eine Anwendbarkeit von § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 eine Wahrung der Steuerhängigkeit bei Übernahme der Buchwerte ins Treffen führt, genügt es, darauf zu verweisen, dass im Revisionsfall - mangels Anwendbarkeit von Art. III UmgrStG - gerade keine Buchwertfortführung gegeben ist, sondern die Tauschgrundsätze des § 6 Z 14 EStG 1988 anzuwenden sind.

28 Auch der Verweis auf die Argumentation der - ohnedies keine verbindliche Rechtsquelle darstellenden - UmgrStR 2002 Rz 1025, wonach eine Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit als Mitunternehmer erst mit dem auf den Einbringungsstichtag folgenden Tag erfolge (und damit nicht mehr im Streitzeitraum), geht fehl, weil die dortigen Aussagen für die Einbringung eines Betriebs unter Aufrechterhaltung der Mitunternehmerschaft (und deren darauf folgende allfällige Wandlung von einer betrieblichen zu einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft) gemacht wurden und daher schon deswegen auf die Einbringung von Mitunternehmeranteilen selbst nicht übertragbar sind.

29 Soweit die Revision sich schließlich gegen die Berechnung des Veräußerungsgewinns der Kommanditisten wendet, übersieht sie, dass der Sinn der Spezialregelung des § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 gerade in der Erfassung des gesamten negativen Kapitalkontostandes (beschränkt haftender) Mitunternehmer ohne Auffüllungsverpflichtung zur Neutralisierung einer in den Vorjahren möglichen steuerlichen Verlustberücksichtigung liegt.

30 Das angefochtene Erkenntnis war daher nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. März 2017

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