VwGH Ra 2016/09/0006

VwGHRa 2016/09/000626.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die Revision der I Kft. in P, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 27. Oktober 2015, Zl. LVwG-410646/14/Zo/HUE, betreffend Beschlagnahmen nach dem Glücksspielgesetz, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Gmunden vom 6. März 2015 wurden sechs näher bezeichnete Glücksspielgeräte, die zumindest am 5. März 2015 in L aufgestellt gewesen seien, zur Sicherung der Einziehung in Beschlag genommen, weil die Revisionswerberin als Eigentümerin im Verdacht stehe, verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, dass mit diesen in ihrem Besitz stehenden Geräten, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen werde, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG verstoßen werde.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich abgewiesen.

Das Landesverwaltungsgericht sprach aus, dass keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.

In der Begründung führte das Landesverwaltungsgericht zunächst die von ihm vor und in der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweise aus und stellte den sich daraus für die Entscheidung ergebenden wesentlichen Sachverhalt fest. Es begründete des Weiteren die Abweisung von Beweisanträgen des Revisionswerbers.

In rechtlicher Beurteilung stützte sich das Landesverwaltungsgericht auf näher zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes und befasste sich eingehend mit dem Einwand des Revisionswerbers zur behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG und zu diesem Thema ergangener Rechtsprechung des EuGH. Dabei stellte es die in der Rechtsprechung entwickelten Zielsetzungen für die Zulässigkeit von Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch das GSpG dar und traf Feststellungen zu deren tatsächlichen Umsetzung (z.B. betreffend Spielerschutz, Kriminalitätsbekämpfung, Verhältnismäßigkeit, Kohärenz ...). Es kam zum Ergebnis, dass eine Unionsrechtswidrigkeit durch die Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten nicht vorliege.

Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG).

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision). Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl. in diesem Sinne die hg. Beschlüsse vom 23. Juni 2014, Ra 2014/12/0002, und vom 10. Oktober 2014, Ra 2014/02/0109).

In der Revision wird zur Zulässigkeit ausgeführt (Schreibfehler im Original):

"1.

Bei der Frage der Unvereinbarkeit der nationalen Glücksspielbestimmungen mit Unionsrecht handelt es sich per se um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

Die Frage der (Un)zulässigkeit der das Glücksspielmonopol normierenden und seine Umsetzung regelnden Bestimmungen des GSpG im Hinblick auf das unionsrechtlich begründete Anwendungsverbotes der §§ 52 bis 54 GSpG stellt auf der Hand liegend eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.

2.

Das Verwaltungsgericht ist durch das Unterlassen geeigneter Feststellungen seiner Pflicht, die Anwendbarkeit von Unionsrecht im gegenständlichen Fall einerseits und die anzuwendenden Bestimmungen des Glücksspielgesetzes hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrecht andererseits vom Amts wegen zu beurteilen, nicht in gesetzmäßiger Weise nachgekommen.

Die angefochtene Entscheidung steht insofern auch im Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 15.12.2014, Zl. Ro 2014/17/0121, und vom 24.04.2015, Zl. Ro 2014/17/0126), wonach im Sinne des Amtswegigkeitsprinzips ein entsprechendes Verfahren durchzuführen und konkrete Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, aus denen sich ableiten lässt, ob durch anzuwendende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes vorgenommene Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit(und der Niederlassungsgfreiheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (insb im Sinne der Rsp Pfleger ua C-390/12 ) gerechtfertigt sind oder nicht.

Nach der Rechtsprechung des VwGH hat die Behörde/ das Verwaltungsgericht Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen, wenn die Aufnahme des darin begehrten Beweises im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheint. Dementsprechend dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel an sich ungeeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern und damit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen (vgl. etwa VwGH 24.4.2014, 2012/08/0134, mwN).

Von der Revisionswerberin wurde eine umfangreiche Stellungnahme übermittelt, wonach das Glücksspielmonopol nicht dem Kohärenzgebot entspreche, der Spielerschutz nicht ausreichend wahrgenommen werde und das Ziel der Kriminalitätsbekämpfung nicht erreicht werden könne. Die Geschäftspolitik und Werbepraxis der konzessionierten Unternehmen führe dazu, dass das Glücksspielmonopol nicht mit Verbrauchs- und Spielerschutzüberlegungen gerechtfertigt werden könne. Das Vorbringen wurde mit einer Reihe von Beweisanträgen verbunden, welche jedoch alle abgewiesen wurden.

Die Revision hängt auch auf der Hand liegend von den oben dargestellten Fragen ab, da das Verwaltungsgericht bei einer amtswegigen Beweisaufnahme und/oder bei Aufnahme der beantragten Beweise zum Ergebnis der Unionsrechtswidrigkeit der österreichischen Monopolregelungen gelangt wäre und infolge der angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom Verwaltungsgericht zu beheben und die vorläufige Beschlagnahme aufzuheben gewesen wäre.

3.

Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts verkennt die Reichweite des unionsrechtlich begründeten Anwendungsverbotes und steht diesbezüglich auch im Widerspruch zur Judikatur des EuGH und des OGH: Da die gesamte Monopolregelung über die Ausspielungskonzession ALS SOLCHE nicht mit EU-Recht vereinbar ist, kann sie auch als Gesamtes (gegenüber Begünstigten aus der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit wie der Revisionswerberin (gegenständlich durch den Betrieb einer Betriebsstätte isd EuGH-Rsp. primär letztere einschlägig)) nicht mehr angewendet werden. Die Frage, ob die Revisionswerberin theoretisch eine Konzession hätte erhalten können (Frage nach Erfüllung der einzelnen Konzessions- bzw. Bewilligungskriterien usw.) bzw. Detailregelungen der Ausübung der Konzession/ Bewilligung (z.B. § 12a Abs. 2 und 3 GSpG bzw § 5 GSpG), ist damit ohne jede Bedeutung:

Vgl. auch BVerwG 20.06.2013, 8 C 10.12.

'die Monopolregelung (...) wegen ihres Verstoßes gegen Unionsrecht für unanwendbar gehalten (habe). Als primärrechtliche Gewährleistungen binden die Grundfreiheiten die Mitgliedstaaten der Union im jeweiligen Anwendungsbereich unmittelbar, und zwar auch außerhalb der bereits durch sekundäres Unionsrecht harmonisierten Regelungsbereiche. Ihr Anwendungsvorrang schließt eine Anwendung grundfreiheitswidriger Regelungen prinzipiell aus (...)' (Rz. 58).

Eine Monopol- oder Alleinkonzessionsregelung verstößt nicht per se gegen das Unionsrecht. Sie hat aber bestimmten Kriterien, insb. dem Kohärenzgebot zu genügen. Verstößt es gegen diese vom EuGH entwickelten präzisen Vorgaben - die wie das BVerwG weiter ausführt, von jedem Gericht überprüft werden können und müssen (Rz. 47) - so wird es als gesamtes unanwendbar.

Sehr klar wird dies von einer Äußerung im Schrifttum für die deutsche Rechtslage ausgedrückt:

'Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die derzeitige Regelung des Glücksspielwesens in Deutschland nicht den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht. Dies muss nach den oben dargestellten Grundsätzen zu einer Unanwendbarkeit sowohl der derzeitigen Monopolregelung als auch des Erlaubnisvorbehaltes führen. Folge hieraus ist eine faktische zeitweise Duldungspflicht privater Vermittler. Auch wenn dies aus ordnungspolitischen Gesichtspunkten nicht wünschenswert sein mag, bleibt den Gerichten aus Gründen des Gewaltenteilungsgrundsatzes eine Lückenfüllung verwehrt.' (Mellein, Das Spannungsfeld zwischen Europarecht und nationalem Recht im Bereich des Glücksspiels, in Schwarze (Hrsg), Das Verhältnis von nationalem Recht und Europarecht im Wandel der Zeit, Bd. I (2012) 100ff. (114)).

Die Rechtsansicht des EuGH von der Unanwendbarkeit des Glücksspielmonopols als solches wurde vom OGH in seinem Beschluss

v. 27.11.2013 (2 Ob 243/12t) eindeutig bestätigt:

'Werden diese (vom EuGH aufgestellten) Vorgaben nicht eingehalten, ist das Monopol gemeinschaftsrechtswidrig und sind die Monopol-Vorschriften aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar. Im Sinne einer effektiven Umsetzung des EU-Rechts ('effet utile') muss sich in einem solchen Fall die Unanwendbarkeit auf alle Bestimmungen des GSpG beziehen, die das Monopol normieren und seine Umsetzung regeln. Auch die Strafbestimmung des § 168 StGB ist in diesem Licht zu sehen.

(...) Da das ABGB selbst nicht Glücksspiele verbietet, sondern diesbezüglich auf die 'politischen Gesetze' verweist und dieses konkrete Verbot sich aus dem GSpG und seiner Monopolregelung ergibt, bestünde im Fall der Unanwendbarkeit dieser Bestimmungen wegen Verstoßes gegen das EU-Recht kein innerstaatliches Verbot von Glücksspielen in 'politischen Gesetzen' mehr (...)' (VI.2., VI.3.).

Die Revision hängt auch auf der Hand liegend von der Frage der Reichweite der unionsrechtlich begründeten Unanwendbarkeit ab, da das LVwG bei richtiger Beurteilung dieser Frage eine vollinhaltliche Prüfung der Unionsrechtskonformität auch vornehmen hätte müssen und sich nicht auf den Verweis der angeblich mangelnden Kapitalausstattung beschränken hätte dürfen. Es wäre diesfalls unter Vornahme einer mängelfreien Prüfung zum Ergebnis der Unionsrechtswidrigkeit der Monopolvorschriften gelangt und hätte sodann den angefochtenen Bescheid ersatzlos behoben.

4.

Auch stellt die Frage des Vorliegens eines vom Verwaltungsgerichtshof (ua) in seinen Erkenntnissen vom 15.12.2014, Zl. Ro 2014/17/0121, und vom 24.04.2015, Zl. Ro 2014/17/0126, bejahten Amtswegigkeitsprinzips im Verwaltungs(straf)verfahren eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar.

Die Manifestierung eines Amtswegigkeitsprinzips scheint insbesondere mit Art. 6 EMRK nicht vereinbar zu sein."

Die abstrakte Behauptung, bei der Frage der Unvereinbarkeit nationaler Bestimmungen mit Unionsrecht handle es sich "per se" um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in den Beschlüssen vom 1. Juli 2015, Ro 2014/12/0055 ("..., dass es nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist, die abstrakte Vereinbarkeit einer innerstaatlichen Rechtsnorm mit Bestimmungen des Unionsrechtes zu prüfen") und vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0022 ("allgemeines Vorbringen" zur Verletzung des Unionsrechtes reicht nicht), jeweils mwN, verworfen.

Die Frage der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit der hier anzuwendenden Bestimmungen des GSpG hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022 (auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird), geklärt. Der dort zu Grunde liegende Sachverhalt und dessen rechtliche Beurteilung stimmt in den entscheidungswesentlichen Gesichtspunkten mit demjenigen des gegenständlichen Falles überein. Die vom Revisionswerber aufgeworfene Rechtsfrage ist demnach im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG beantwortet.

Die bloße Behauptung, dass "die gesamte Monopolregelung über die Ausspielungskonzession ALS SOLCHE nicht mit EU-Recht vereinbar sei", ist deshalb angesichts der gegenteiligen, auf dem festgestellten Sachverhalt beruhenden Begründung des Landesverwaltungsgerichts ohne weitere Konkretisierung in Auseinandersetzung mit den getroffenen Feststellungen nicht geeignet, eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen.

Entgegen den Behauptungen des Revisionswerbers folgt die Vorgangsweise des Landesverwaltungsgerichtes betreffend notwendige Sachverhaltsermittlungen den in den (auch vom Revisionswerber zitierten) hg. Erkenntnissen vom 15. Dezember 2014, Ro 2014/17/0121, und vom 24. April 2015, Ro 2014/17/0126, genannten Kriterien.

Darüber hinaus enthält das oben zur Gänze wörtlich wiedergegebene Zulassungsvorbringen weitere bloß allgemein gehaltene Ausführungen. Es wird etwa nicht konkret dargetan, welcher abgewiesene Beweisantrag aus welchen Gründen zu einer anderen Sachverhaltsfeststellung geführt hätte.

Mit diesem unkonkreten Vorbringen zeigt die Revisionswerberin nicht auf, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorlägen. Denn es reicht nicht aus, allgemeines Vorbringen zu erstatten und weiters ohne jede Konkretisierung dazu, aus welchen Gründen das angefochtene Erkenntnis allenfalls von der im Erkenntnis detailliert angeführten Rechtsprechung abweiche, abstrakte Behauptungen aufzustellen (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 10. September 2015, Ra 2015/09/0073, vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0022, und vom 24. September 2014, Ra 2014/03/0012, mwN).

Ausführungen zur Rechtslage und Rechtsprechung in Deutschland sind für die unterschiedliche österreichische Rechtslage nicht entscheidend.

Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2016

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