Normen
AVG §73 Abs1;
AVG §73;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
GdO Stmk 1967 §103 Abs3;
GdO Stmk 1967 §11 Abs1;
GdO Stmk 1967 §8 Abs5;
AVG §73 Abs1;
AVG §73;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
GdO Stmk 1967 §103 Abs3;
GdO Stmk 1967 §11 Abs1;
GdO Stmk 1967 §8 Abs5;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde B vom 13. November 2014 wurde dem Revisionswerber gemäß § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk. BauG) aufgetragen, ein näher bezeichnetes landwirtschaftliches Gebäude (Hütte) binnen einer Frist von zwei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.
2 Die dagegen erhobene Berufung des Revisionswerbers wurde mit Bescheid des Regierungskommissärs der Marktgemeinde B vom 6. März 2015 als unbegründet abgewiesen.
3 In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde machte der Revisionswerber u.a. die Unzuständigkeit des Regierungskommissärs im Wesentlichen mit der Begründung geltend, dass sich die Zuständigkeit eines Regierungskommissärs auf laufende und (nicht: oder) unaufschiebbare Geschäfte beschränke.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) vom 2. Februar 2016 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das LVwG nahm die Zuständigkeit des Regierungskommissärs zur Erlassung des Berufungsbescheides an und hielt dazu in seinen Erwägungen fest, mit der Bestellung eines Regierungskommissärs nach § 11 Abs. 1 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115/1967 idF LGBl. Nr. 131/2014 (im Folgenden: GemO), solle zumindest sichergestellt werden, dass dieser unter Aufsicht des Landes bis zur Schaffung neuer Gemeindeorgane die laufenden und unaufschiebbaren Geschäfte erledige. Anhängige Verwaltungsverfahren zählten zu den laufenden Verfahren im Sinne des § 11 Abs. 1 GemO, sie seien daher vom Regierungskommissär fortzuführen und bei Entscheidungsreife abzuschließen, auch wenn sie nicht zu den unaufschiebbaren Geschäften gehörten. Vom Sinn und Zweck der Regelung könne das "und" nur als "oder" verstanden werden, schlössen sich doch "laufende" und "unaufschiebbare" Geschäfte in der Regel schon begrifflich aus. Damit sei dem Regierungskommissär die Zuständigkeit zur Erlassung des mit Beschwerde bekämpften Bescheides zugekommen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber vor, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Umfang der Zuständigkeiten eines Regierungskommissärs, insbesondere der Abgrenzung von bzw. der Unterscheidung zwischen "laufenden" und "unaufschiebbaren" Geschäften, abgewichen (Verweis auf die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 1979, VwSlg. 9989A/1979, zur Kärntner Allgemeinen Gemeindeordnung, vom 23. April 1993, 90/17/0229, und vom 17. Mai 1999, 96/17/0430, jeweils zur Burgenländischen Gemeindeordnung, sowie vom 26. Jänner 1995, 94/16/0150, zur Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967). Nach dieser Rechtsprechung bestehe eine Kompetenz des Regierungskommissärs gemäß § 103 Abs. 3 GemO nur dann, wenn das zu besorgende Geschäft sowohl "laufend" als auch "unaufschiebbar" sei.
10 Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 (GemO), LGBl. Nr. 115/1967 idF LGBl. Nr. 131/2014, lauten:
"§ 8
Vereinigung
(1) Zwei oder mehrere angrenzende Gemeinden können sich auf Grund übereinstimmender Gemeinderatsbeschlüsse mit Genehmigung der Landesregierung zu einer neuen Gemeinde vereinigen.
(...)
(5) Im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vereinigung in den bisherigen Gemeinden anhängige Verwaltungsverfahren sind zunächst vom gemäß § 11 Abs. 1 eingesetzten Regierungskommissär und ab Angelobung des Bürgermeisters der neu geschaffenen Gemeinde von den ab diesem Zeitpunkt zuständigen Gemeindebehörden weiterzuführen.
(...)
§ 11
Gemeinsame Bestimmungen
(1) Für die gemäß §§ 8, 9 und 10 Abs. 1 neu geschaffenen Gemeinden hat die Landesregierung binnen sechs Monaten nach den Bestimmungen der Gemeindewahlordnung Neuwahlen des Gemeinderates auszuschreiben. Bis zur Angelobung des neugewählten Bürgermeisters führt ein von der Landesregierung nach § 103 einzusetzender Regierungskommissär die laufenden und unaufschiebbaren Geschäfte. (...)
(...)"
Auch § 103 GemO, auf den in § 11 Abs. 1 GemO verwiesen wird und der die Auflösung des Gemeinderates unter den dort genannten Voraussetzungen behandelt, normiert in seinem Abs. 3, dass sich die Tätigkeit des Regierungskommissärs auf die laufenden und unaufschiebbaren Geschäfte zu beschränken hat.
11 Dass es sich bei dem gegenständlichen Verfahren betreffend einen Beseitigungsauftrag nach dem Stmk. BauG um ein "laufendes" Geschäft, somit um eine "regelmäßig wiederkehrende Angelegenheit ohne weittragende finanzielle, wirtschaftliche, politische oder ähnliche Bedeutung" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, 94/16/0150, mwN) handelt, wird vom Revisionswerber in seinen Zulässigkeitsausführungen nicht in Abrede gestellt.
12 In dem zitierten, zur Stmk. GemO ergangenen Erkenntnis 94/16/0150 hat der Verwaltungsgerichtshof (vor dem Hintergrund des § 103 GemO) neben dem Kriterium "laufende Geschäfte" auch darauf abgestellt, dass die Fällung der Berufungsentscheidung durch den Regierungskommissär "angesichts des Datums der Antragstellung jedenfalls nicht mehr aufschiebbar" gewesen sei.
13 Ob sich vor diesem Hintergrund die vom LVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses vertretene Rechtsansicht, anhängige Verwaltungsverfahren zählten zu den laufenden Verfahren im Sinne des § 11 Abs. 1 GemO und seien daher vom Regierungskommissär fortzuführen und abzuschließen, "auch wenn sie nicht zu den unaufschiebbaren Geschäften gehören", für sich allein betrachtet als zutreffend erweist, erscheint zweifelhaft. Selbst wenn man jedoch mit dem Revisionswerber in dieser Hinsicht ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung annähme, käme dieser Frage aus nachstehenden Gründen keine Relevanz für das gegenständliche Verfahren zu.
14 Von einem "unaufschiebbaren Geschäft" kann dann gesprochen werden, wenn ein Untätigbleiben einen Schaden für die Gemeinde bedeuten oder gegen gesetzliche Pflichten verstoßen würde. Sinn und Zweck dieser Kompetenzbeschränkungen sind darin zu erblicken, dass durch den Regierungskommissär möglichst wenig in die Geschäftsführung der Gemeinde eingegriffen werden soll, um die Entscheidungen der künftigen Gemeindeorgane nicht zu präjudizieren (vgl. das zur Burgenländischen Gemeindeordnung ergangene hg. Erkenntnis vom 23. April 1993, 90/17/0229).
15 Aus § 73 Abs. 1 AVG ergibt sich nun die gesetzliche Verpflichtung (hier) der Berufungsbehörde, über Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. "Ohne unnötigen Aufschub" bedeutet, dass die Behörde objektiv-rechtlich verpflichtet ist, ehestmöglich zu entscheiden. Sie darf also nicht grundlos zuwarten oder überflüssige Verwaltungshandlungen setzen, um die Entscheidung zu verzögern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2001, 2001/12/0168, mwN). Die Behörde ist somit objektiv verpflichtet, ohne unnötigen Aufschub - und damit allenfalls bereits vor Ablauf von sechs Monaten - zu entscheiden, wenngleich diese Verpflichtung für die Partei auf prozessualem Wege erst nach Ablauf dieser Frist durchsetzbar ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1999, 98/20/0239, 0240). Bei Eintritt eines Schadens wäre darüber hinaus allenfalls die Geltendmachung der objektiven Rechtswidrigkeit im Wege der Amtshaftung gegeben, selbst wenn die vom öffentlichen Recht gegen die Säumnis einer Verwaltungsbehörde zur Verfügung gestellten Mittel erst nach dem Ablauf von sechs Monaten Abhilfe schaffen können (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. September 1997, 97/20/0241).
16 Einem Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG steht es - wie dies in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommt und bereits im Bescheid des Regierungskommissärs vom 6. März 2015 dargelegt wurde - auch nicht entgegen, wenn noch vor seiner Erlassung ein Antrag auf nachträgliche Bewilligung gestellt oder eine Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 Stmk. BauG erstattet wurde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2012, 2010/06/0150). Darin wird auch der gesetzgeberische Wille offenkundig, dass ein Beseitigungsauftrag bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ehestmöglich erlassen bzw. über eine diesbezügliche Berufung ehestmöglich entschieden werden soll, wie dies zutreffend auch bereits vom Gemeinderat der Marktgemeinde B im Zuge der Vorlage der vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde an das LVwG vorgebracht wurde.
17 Aus den genannten Erwägungen war es nicht geboten, dass der Regierungskommissär - wie der Revisionswerber offenbar meint - die sechsmonatige Entscheidungsfrist gemäß § 73 Abs. 1 AVG abwartet bzw. erst unmittelbar vor deren Ablauf über die Berufung entscheidet. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles gegebenenfalls auch eine andere Entscheidung - hier bezüglich der Frage, ob es sich um ein unaufschiebbares Geschäft handelte - gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. den hg. Beschluss vom 26. Februar 2014, Ro 2014/04/0022).
18 Gegen die Beurteilung des LVwG, das die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Regierungskommissärs als gegeben erachtete, bestehen somit - im Ergebnis - keine Bedenken. Das LVwG ist insoweit nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 8. September 2016
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