Normen
BAO §311 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
GdO Bgld 1965 §86 Abs3;
LAO Bgld 1963 §232 Abs1;
LAO Bgld 1963 §48;
StGG Art2;
VwRallg;
BAO §311 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
GdO Bgld 1965 §86 Abs3;
LAO Bgld 1963 §232 Abs1;
LAO Bgld 1963 §48;
StGG Art2;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 7. November 1989 setzte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber den Mitbeteiligten für ihre Liegenschaften in G Nr. nn1 mit dem Grundstück Nr. nn2 den endgültigen Kanalanschlußbeitrag mit S 145.838,88 abzüglich einer Acontozahlung von S 44.277,--, Restbetrag daher S 105.561,88, fest.
Dagegen erhob der Erst-Mitbeteiligte Berufung.
Mit dem an beide Mitbeteiligte gerichteten Bescheid des - mit Erlaß der Burgenländischen Landesregierung vom 13. Dezember 1989 zur Fortführung der Verwaltung in der Gemeinde G bestellten - Regierungskommissärs vom 18. Jänner 1990 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 5. April 1990 wurde "über die Vorstellung der Ehegatten AS und JS" der Bescheid des Regierungskommissärs der beschwerdeführenden Gemeinde vom 18. Jänner 1990 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung, der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde habe kurz vor der Gemeindetrennung G - N Bescheide nach dem Burgenländischen Kanalabgabegesetz erlassen. Gegen diese Bescheide seien 22 Berufungen erhoben worden. Der für beide Gemeinden bestellte Regierungskommissär habe in der Folge die beiden Berufungen hinsichtlich G einer Erledigung zugeführt, die Entscheidung über die 20 Berufungen, die den damaligen Ortsteil N beträfen, jedoch dem neugewählten Gemeinderat dieser Gemeinde überantwortet. Dies bedeute, daß für diese Berufungen die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates maßgebend sein werde. Abgesehen davon, daß sich die Tätigkeit des Regierungskommissärs auf die laufenden oder unaufschiebbaren Angelegenheiten zu beschränken habe, sei durch diese Vorgangsweise der Gleichheitsgrundsatz verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachtet sich die beschwerdeführende Gemeinde in ihrem Recht verletzt, daß der Bescheid des Regierungskommissärs nicht aufgehoben werde. Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde sowie die Mitbeteiligten erstatteten jeweils eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 86 Abs. 1 der Burgenländischen Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965 idF VOR der Novelle LGBl. Nr. 55/1992, kann die Landesregierung, wenn der Gemeinderat andauernd arbeits- oder beschlußunfähig ist oder wenn aus sonstigen Gründen eine geordnete Führung der Geschäfte der Gemeinde nicht mehr gewährleistet ist oder die gesetzlich obliegenden Aufgaben in angemessener Frist nicht erfüllt werden, den Gemeinderat auflösen. Mit der Auflösung erlöschen alle Mandate. Die Auflösung ist im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat die Aufsichtsbehörde zur Fortführung der Verwaltung der Gemeinde bis zur Angelobung des vom neuen Gemeinderat gewählten Bürgermeisters einen Regierungskommissär einzusetzen. Zu seiner Beratung ist von der Aufsichtsbehörde über Vorschlag der im Gemeindevorstand vertreten gewesenen Wahlparteien ein Beirat zu bestellen, der in seiner Mitgliederzahl und mit seiner parteimäßigen Zusammensetzung dem vor der Auflösung bestandenen Gemeindevorstand zu entsprechen hat. Werden Vorschläge nicht oder nur teilweise erstattet, entscheidet die Aufsichtsbehörde über die Zusammensetzung des Beirates. Die Tätigkeit des Regierungskommissärs hat sich auf die laufenden oder unaufschiebbaren Angelegenheiten zu beschränken.
Nach Abs. 4 erster Satz dieser Gesetzesstelle ist nach der Auflösung innerhalb von sechs Monaten die Neuwahl des Gemeinderates von der Landesregierung auszuschreiben.
Die beschwerdeführende Gemeinde bringt im wesentlichen vor, im gegenständlichen Fall habe sich der Gemeinderat am 25. März 1990 konstituiert; mit der Angelobung des neuen Bürgermeisters "per" 2. April 1990 sei der Regierungskommissär seiner Funktion enthoben worden. Durch die Kürze der dem Regierungskommissär für die Behandlung der Rechtsmittel zur Verfügung stehenden Zeit sei es diesem unmöglich gewesen, sämtliche Rechtsmittel zu erledigen. Hiezu komme, daß die dem Regierungskommissär beigestellten Beiräte der Gemeinde in G und N jeweils einstimmig zu verschiedenen Standpunkten gelangt seien. Während nämlich der Beirat in der Gemeinde G dringend darum ersucht habe, auch die beiden anhängig gewordenen Berufungsverfahren nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht abzuführen, sei man im Gegensatz dazu in N angesichts von 20 Rechtsmitteln zu dem Ergebnis gekommen, daß deren Behandlung durch die neuen hiefür zuständigen Organe der Gemeinde N erfolgen solle, welchem Wunsch der Regierungskommissär auch nachgekommen sei. Im übrigen sei darauf verwiesen, daß die Behandlung von Rechtsmitteln im vorliegenden Fall sehr wohl unter die laufenden Angelegenheiten eines Regierungskommissärs falle und somit der Regierungskommissär nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen sei, die von der belangten Behörde aufgehobene Entscheidung zu fällen. Zusammenfassend sei nicht ersichtlich, inwiefern die Mitbeteiligten in ihrem subjektiven Recht auf gleiche Behandlung vor dem Gesetz verletzt worden seien.
Mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Gemeinde im Recht. Zuzugeben ist ihr bereits, daß von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes im Beschwerdefall nicht die Rede sein kann. Wäre nämlich der Regierungskommissär zur Fällung der Berufungsentscheidung berechtigt oder sogar verpflichtet gewesen, hätte sich also sein Bescheid unter diesem Gesichtspunkt als rechtmäßig erwiesen, und wäre daher auf der anderen Seite das Untätigbleiben des Regierungskommissärs in den übrigen Fällen - etwa wegen Verstoßes gegen § 232 Abs. 1 der Burgenländischen Landesabgabenordnung (LAO), wonach die Abgabenbehörden verpflichtet sind, über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen Anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden - rechtswidrig gewesen, dann könnten die Mitbeteiligten aus einem solchen Fehlverhalten in anderen Fällen kein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten ihnen gegenüber ableiten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. März 1981, Slg. Nr. 10 390/A, weiters VfSlg. Nr. 7836/1976, 9169/1981 und 9191/1981, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Ohne Bedeutung war in diesem Zusammenhang (entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Gemeinde) allerdings der Wunsch der Beiräte.
Durch ihren Hinweis auf die Bestimmung des § 86 Abs. 3 letzter Satz der Gemeindeordnung, wonach sich die Tätigkeit des Regierungskommissärs auf die laufenden oder unaufschiebbaren Angelegenheiten zu beschränken hat, hat die belangte Behörde weiters zu erkennen gegeben, daß sie auch die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle als nicht gegeben erachtete. Auch damit ist die belangte Behörde nicht im Recht.
Vorauszuschicken ist, daß der Regierungskommissär diese Geschäfte unabhängig davon, welchem Gemeindeorgan die Angelegenheit in der Regel zusteht, zu besorgen hat. Der Regierungskommissär vereinigt damit gewissermaßen die Kompetenzen aller Gemeindeorgane in sich; er war daher im Beschwerdefall grundsätzlich auch berechtigt, anstelle des zur Erledigung der Berufung gegen einen Bescheid des Bürgermeisters an sich zuständigen Gemeinderates (§ 48 LAO) über die Berufung zu entscheiden.
Unter "laufenden Geschäften" sind nun jene Geschäfte zu verstehen, die regelmäßig wiederkehrende Angelegenheiten (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1979, Slg. Nr. 9989/A, betreffend die Auslegung des Begriffes "laufende Verwaltung" im § 58 Abs. 3 dritter Satz der Allgemeinen Gemeindeordnung für Kärnten) ohne weittragende finanzielle, wirtschaftliche, politische oder ähnliche Bedeutung zum Gegenstand haben, die somit den gewöhnlichen Tätigkeitsbereich der Gemeindeverwaltung ausmachen. Von einem "unaufschiebbaren Geschäft" kann dann gesprochen werden, wenn ein Untätigbleiben einen Schaden für die Gemeinde bedeuten oder gegen gesetzliche Pflichten verstoßen würde. Sinn und Zweck dieser Kompetenzbeschränkungen sind darin zu erblicken, daß durch den Regierungskommissär möglichst wenig in die Geschäftsführung der Gemeinde eingegriffen werden soll, um die Entscheidungen der künftigen Gemeindeorgane nicht zu präjudizieren (vgl. Berchtold, Gemeindeaufsicht, 170 f).
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes gehört die Entscheidung über eine Berufung gegen einen erstinstanzlichen Abgabenbescheid des Bürgermeisters zu den regelmäßig wiederkehrenden, vom Gemeinderat zu behandelnden Angelegenheiten und damit zu den "laufenden Geschäften" im Sinne der anzuwendenden Gesetzesstelle; es sei denn, daß dieser Entscheidung weittragende, insbesondere finanzielle Bedeutung für die Gemeinde zukäme, was jedoch im vorliegenden Fall nicht gesagt werden kann.
Ob es sich hiebei im Hinblick auf die bereits zitierte Bestimmung des § 232 Abs. 1 LAO auf der einen, die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift behauptete Möglichkeit einer Entscheidung durch den neugewählten Gemeinderat innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist auf der anderen Seite auch um ein "unaufschiebbares Geschäft" handelte, braucht somit nicht mehr entschieden zu werden. Vielmehr war der Regierungskommissär schon auf Grund des Vorliegens des Tatbestandsmerkmales "laufendes Geschäft" zur Erlassung des Berufungsbescheides berechtigt; mit der Aufhebung dieses Bescheides durch die Vorstellungsbehörde aus den genannten Gründen hat sie die beschwerdeführende Gemeinde in ihren Rechten verletzt.
Zum Vorbringen der Mitbeteiligten in ihrer Gegenschrift bleibt zu bemerken, daß entgegen ihrer Auffassung der Inhalt einer zu erwartenden Novelle zum Kanalabgabengesetz für die hier zu entscheidende Rechtsfrage ohne jede Bedeutung ist bzw. war. Auch handelt es sich bei der Frage, ob eine bestimmte Angelegenheit zu den laufenden oder unaufschiebbaren Geschäften zählt, keineswegs um eine Ermessensfrage. Vielmehr liegen hier unbestimmte Gesetzesbegriffe vor.
Schließlich sei noch darauf verwiesen, daß nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - anders etwa als in dem mit Erkenntnis vom 29. Jänner 1993, Zl. 90/17/0200, entschiedenen Rechtsfall - hier kein Zweifel darüber obwalten kann, daß die Vorstellung namens beider Mitbeteiligten erhoben wurde. Dies - trotz des Umstandes, daß die Vorstellung nur vom Erstbeschwerdeführer unterfertigt ist - deshalb, weil im Kopf der Vorstellung beide Mitbeteiligte angeführt sind und die gesamte Vorstellung auch in "Wir"-Form gehalten ist. Die beschwerdeführende Gemeinde wurde also nicht etwa auch dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die belangte Behörde hätte zum Ergebnis kommen können, die Vorstellung dürfe der Zweitmitbeteiligten nicht zugerechnet werden, und es sei daher die Abgabenvorschreibung ihr gegenüber in Rechtskraft erwachsen (vgl. hiezu nochmals das zuletzt zitierte Erkenntnis vom 29. Jänner 1993).
Aus obigen Gründen war jedoch der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Stempelgebühren waren nicht zuzusprechen, weil Gebietskörperschaften im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungsbereiches auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gebührenbefreit sind (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 685).
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