VwGH Ra 2016/05/0044

VwGHRa 2016/05/004429.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision 1. der Dr. B S und

2. des DDr. G S, beide in G, beide vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Rudolfsplatz 12, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. Februar 2016, Zl. VGW-111/084/1981+1982/2016-1, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer baurechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §8;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §7;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1 Mit Eingabe vom 20. November 2015 erstatteten die Revisionswerber an den Magistrat der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) eine Bauanzeige in Bezug auf einen Fenstertausch in einem Gebäude an einer näher bezeichneten Anschrift in Wien. In dieser Eingabe ist neben den Revisionswerbern als "Bauwerber/in (Antragsteller/in)" die M. GmbH als deren Vertreterin, die diese Eingabe auch unterfertigt hat, bezeichnet.

2 Mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 forderte der Magistrat die M. GmbH gemäß § 13 Abs. 3 AVG auf, "die Vollmacht für die Antragstellerin bzw. den Antragsteller oder die Unterfertigung des Antrages durch BauwerberInnen" sowie unterfertigte Baupläne und eine statische Vorbemessung einschließlich eines Fundierungskonzeptes oder ein Gutachten, dass auf Grund der Geringfügigkeit des Bauvorhabens aus statischen Belangen keine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit von Menschen oder des Eigentums gegeben sei, nachzureichen.

3 In der Folge wurde (u.a.) eine von den Revisionswerbern unterfertigte, auf die M. GmbH als Vollmachtnehmerin lautende, mit 5. Jänner 2016 datierte Vollmacht für die Vertretung im Bauverfahren vorgelegt.

4 Mit Bescheid des Magistrates vom 18. Jänner 2016 wurde gemäß § 13 Abs. 3 AVG die genannte Bauanzeige der Revisionswerber, "vertreten durch (M.) GmbH", mit der Begründung zurückgewiesen, dass der genannte Auftrag vom 22. Dezember 2015 insoweit unbeachtet geblieben sei, als die eingereichten Pläne nicht von einem/einer Planverfasser/in unterschrieben worden seien.

5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde weist im Kopf die Bezeichnung der M. GmbH auf und ist von dieser unterfertigt.

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wurde (unter Spruchpunkt I.) die vom Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der M. GmbH zugerechnete Beschwerde gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen und (unter Spruchpunkt II.) eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

7 Dazu führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass eine Eingabe - bis zum Nachweis der Bevollmächtigung - nicht dem Machtgeber, sondern dem einschreitenden Vertreter zuzurechnen sei. Der M. GmbH komme in Bezug auf den an die Revisionswerber gerichteten Bescheid keine Parteistellung zu, weshalb sie zur Erhebung einer Beschwerde dagegen nicht legitimiert sei. Das Einschreiten der M. GmbH als Beschwerdeführerin sei nicht im Namen einer von ihr vertretenen Person erfolgt. Im Beschwerdeschriftsatz habe die M. GmbH nämlich nicht einmal im Ansatz auf eine Bevollmächtigung durch die Revisionswerber hingewiesen, und es ergebe sich aus der Textierung (Briefkopf, "Wir-Form", firmenmäßige Zeichnung) sowie dem Inhalt der Beschwerde ("verfügen wir über die Berechtigung des Bauträgergewerbes") zweifelsfrei, dass diese von der M. GmbH im eigenen Namen erhoben worden sei.

8 Nach dem klaren Wortlaut der Beschwerde sei daher diese nicht den Revisionswerbern, sondern der M. GmbH zuzurechnen. Um nämlich das Handeln eines Vertreters dem Vertretenen zurechnen zu können, genüge hiefür nicht allein der Umstand, dass im Nachhinein eine entsprechende Vollmacht vorgelegt werde. Jemand, der bei Vornahme einer Handlung nicht zumindest schlüssig zum Ausdruck bringe, in Vertretung eines anderen aufzutreten, könne nicht als Vertreter behandelt werden. Der Einschreiterin habe daher zum Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde die Beschwerdelegitimation gefehlt.

9 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, ihn aufzuheben, in eventu ihn dahin abzuändern, dass entweder die Beschwerde "aufgrund des aufrechten Vertretungsverhältnisses zugelassen bzw. allenfalls ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG eingeräumt" werde.

10 Der Magistrat erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt hat.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist in Ansehung der von ihr aufgeworfenen Frage der Zurechnung der Beschwerde unter dem Blickwinkel des § 17 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 und 2 AVG zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu:

12 Nach ständiger hg. Judikatur ist die Behörde dann, wenn nicht eindeutig klar ist, wem ein Rechtsmittel zuzurechnen ist, verpflichtet, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/07/0062, mwN). Nur wenn die Behörde auf Grund des objektiven Erklärungswertes der Eingabe keinen Zweifel daran hat, dass diese einer nicht Parteistellung genießenden Person zuzurechnen ist, darf sie mit einer sofortigen Zurückweisung dieser Eingabe vorgehen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 2010, Zl. 2010/02/0112, mwN).

13 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die im vorliegenden Fall erhobene Beschwerde sei allein bereits deshalb der M. GmbH zuzurechnen und es könnten Zweifel an der Zurechenbarkeit der Beschwerde nicht auftreten, weil sich aus dem Kopf der Beschwerde, der Verwendung der "Wir-Form", der firmenmäßigen Zeichnung durch die M. GmbH und dem Vorbringen, dass sie über die Berechtigung des Bauträgergewerbes verfüge, ergebe, dass die Beschwerde von der M. GmbH im eigenen Namen erhoben worden sei, steht mit der genannten Rechtsprechung nicht im Einklang.

14 Zwar ist dem Verwaltungsgericht darin beizupflichten, dass die Beschwerde das äußere Erscheinungsbild eines Schreibens der M. GmbH aufweist. Darauf allein kommt es jedoch nicht an. Es darf hiebei nämlich nicht übersehen werden, dass sich die Beschwerde auf den gegenüber den Revisionswerbern als Bauwerbern erlassenen Bescheid vom 18. Jänner 2016 bezieht, aus dem hervorgeht, dass die M. GmbH in diesem Verwaltungsverfahren als Vertreterin der Revisionswerber aufgetreten ist. Zu bedenken ist auch, dass in der Beschwerde auf das genannte Aufforderungsschreiben vom 22. Dezember 2015 Bezug genommen und darauf hingewiesen wird, dass sie (die M. GmbH) als Vertreterin der Hauseigentümer und Planverfasserin den Plan zur Bauanzeige gezeichnet habe. Ferner ergibt sich aus der Bauanzeige vom 20. November 2015 und der im Bauakt erliegenden Vollmachtsurkunde vom 5. Jänner 2016, dass es sich bei der M. GmbH um die Vertreterin der Revisionswerber handelt.

15 Bei dieser Konstellation durfte das Verwaltungsgericht nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Beschwerde der M. GmbH zuzurechnen sei, und hätte zumindest daran Zweifel haben müssen, war doch die Annahme naheliegend, dass die Beschwerde für die beiden Revisionswerber erhoben worden sei. Überdies ist einem Rechtsmittel im Zweifel eine Deutung zu geben, die dem darin zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzbedürfnis soweit wie möglich entgegenkommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/11/0153).

16 In Anbetracht all der genannten Umstände durfte somit das Verwaltungsgericht nicht ohne Weiteres annehmen, dass die Erhebung der Beschwerde durch eine Rechtsperson beabsichtigt sei, der in diesem Bauverfahren keine Parteistellung zukam, und die Beschwerde nicht sofort zurückweisen. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht durch eine diesbezügliche Anfrage bei der einschreitenden M. GmbH klären müssen, wer in der Beschwerde mit der Verwendung der "Wir-Form" als Beschwerdeführer gemeint ist (vgl. zum Ganzen nochmals die hg. Erkenntnisse, Zl. 93/11/0153 und Zl. 95/07/0062).

17 Im Hinblick darauf war der angefochtene Beschluss - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

18 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

19 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 29. September 2016

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