Normen
32004L0018 Vergabe-RL öffentliche Bauaufträge Art1 Abs9;
61999CJ0223 Agora und Excelsior VORAB;
62000CJ0373 Adolf Truley VORAB;
62006CJ0337 Bayerischer Rundfunk VORAB;
62006CJ0393 Ing. Aigner VORAB;
62007CJ0300 Hans und Christophorus Oymanns VORAB;
62011CJ0526 IVD VORAB;
AVG §49 Abs2;
BVergG 2006 §129 Abs1 Z7;
BVergG 2006 §129;
BVergG 2006 §2 Z16 lita;
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2 lita;
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2 litb;
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2 litc;
BVergG 2006 §3 Abs1 Z2;
BVergG 2006 §313 Abs1;
BVergG 2006 §313 Abs2;
BVergG 2006 §313;
BVergG 2006 §320;
BVergG 2006 §78;
BVergG 2006 §79;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
ORF-G 2001 §1 Abs1;
ORF-G 2001 §1 Abs2;
ORF-G 2001 §1 Abs4;
ORF-G 2001 §1;
ORF-G 2001 §2;
ORF-G 2001 §20 Abs1 Z4;
ORF-G 2001 §3 Abs1;
ORF-G 2001 §3;
ORF-G 2001 §31 Abs9;
ORF-G 2001 §31;
ORF-G 2001 §31a;
ORF-G 2001 §37 Abs2;
ORF-G 2001 §38a;
ORF-G 2001 §4;
ORF-G 2001 §5;
ORF-G 2001 §8a Abs1;
VerfGG 1953 §20 Abs2;
VwGG §41;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016040021.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Angefochtenes Erkenntnis
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Entscheidung des mitbeteiligten Auftraggebers vom 3. November 2015, dieser vertreten durch die vergebende Stelle Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG, das Angebot der Revisionswerberin im Vergabeverfahren "M Projekt M K" gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG 2006) auszuscheiden, abgewiesen
(A.I.).
Der Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühren wurde gemäß § 319 Abs. 1 und 2 BVergG 2006 abgewiesen (A.II.) und die Revision für nicht zulässig erklärt (B.)
2 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) im Wesentlichen aus, es gehe davon aus, dass es sich beim Österreichischen Rundfunk um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des BVergG 2006 handle und daher die Zuständigkeit zur Überprüfung der gegenständlichen Beschaffung gegeben sei. Der mitbeteiligte Auftraggeber führe ein nicht offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich zur Vergabe eines Lieferauftrages.
3 Das Angebot der Revisionswerberin habe der bestandsfesten Ausschreibung widersprochen, weil drei Musterprodukte nicht entsprechend den Spezifikationen des Leistungsverzeichnisses für die Bemusterung zur Verfügung gestellt worden seien.
In der Ausschreibung sei festgelegt worden, dass im Angebot "Musterprodukte" anzubieten seien (Punkt 4.1. Teil A1), wobei auf das Leistungsverzeichnis (LV) verwiesen worden sei (Punkt 4.1.2. Teil A1). Im LV sei gefordert worden, dass diese Musterprodukte durch Musterstücke, die der in der Ausschreibung beschriebenen Spezifikation entsprächen, für eine Bemusterung bereitzuhalten seien (Punkt B1). Die bereitzustellenden Musterprodukte seien im LV mit konkreten Spezifikationen angeführt (Punkt B.1.1.1.). Sei es einem Bieter nicht möglich, die Musterprodukte für eine Bemusterung zur Verfügung zu stellen, behalte sich der Auftraggeber vor, dessen Angebot auszuscheiden (Punkt 4.1.2.).
Zwar handle es sich bei dieser Festlegung nicht um einen zwingenden Ausscheidensgrund, jedoch komme dem Auftraggeber ein Ermessensspielraum zu. Diese Ermessensausübung sei an den Grundsätzen des Vergabeverfahrens zu messen.
Dieser Ausscheidenstatbestand sei auch erfüllt, wenn Musterprodukte zur Verfügung gestellt würden, welche nicht die Spezifikationen des LV erfüllten. Dies ergebe sich bereits aus den vergaberechtlichen Grundsätzen der Bietergleichbehandlung und Nichtdiskriminierung. Würde der Auftraggeber Musterprodukte zulassen, welche die Spezifikationen des LV nicht erfüllten, so wäre eine ausschreibungskonforme Qualitätsbewertung aber auch eine Vergleichbarkeit mit Musterprodukten anderer Bieter, welche die Spezifikationen erfüllten, nicht möglich.
4 Das Angebot der Revisionswerberin sei auch deshalb unvollständig, da aus dem Produktnachweis der Revisionswerberin für drei näher bezeichnete Positionen des LV nicht objektiv erkennbar sei, welche der drei bei der Revisionswerberin vorhandenen Produktlinien angeboten worden seien.
5 Das Angebot sei daher zu Recht gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 ausgeschieden worden, auf weitere Gründe sei nicht mehr einzugehen gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
7 Der mitbeteiligte Auftraggeber erstattete unaufgefordert eine "Stellungnahme zur Unzulässigkeit der Revision" sowie nach Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung.
8 Den Parteien wurde zur Frage, ob der Mitbeteiligte öffentlicher Auftraggeber gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 sei, Gelegenheit zur Stellungnahme gemäß § 41 zweiter Satz VwGG gegeben, worauf sowohl der mitbeteiligte Auftraggeber als auch die Revisionswerberin eine Stellungnahme erstattete.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Zulässigkeit
9 Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung vor, der mitbeteiligte Auftraggeber habe sich in den Angebotsbestimmungen (betreffend die Bemusterung) vorbehalten, das Angebot bei Nichterfüllung dieser Anforderung auszuscheiden und damit ein fakultatives Ausscheidensrecht geschaffen. Dabei stelle sich die Frage, welche Faktoren bei der Überprüfung von derartigen Ermessensentscheidungen, vor allem im Hinblick auf die vergaberechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, zu berücksichtigen seien. Zu dieser Frage gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Vorliegend sei der Gleichbehandlungsgrundsatz "krass" verletzt worden, weil die Vertreterin der vergebenden Stelle vor dem Verwaltungsgericht ausgesagt habe, man habe Bieter aus dem Vergabeverfahren "hinausprüfen" wollen. Dennoch habe das Verwaltungsgericht die angefochtene Ausscheidensentscheidung lediglich nach dem Maßstab des Ausschreibungstextes beurteilt.
10 Des Weiteren stelle sich die grundsätzliche Rechtsfrage, ob der Auftraggeber berechtigt sei, durch die Einschaltung von Rechtsanwälten als vergebende Stelle eine effektive Nachprüfung zu verhindern. Die Revision bringt hiezu vor, die Vertreterin der vergebenden Stelle habe bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von ihrem Entschlagungsrecht nach § 17 VwGVG iVm § 49 Abs. 2 AVG Gebrauch gemacht. Dies habe das Verwaltungsgericht hingenommen. Die Berufung auf die anwaltliche Verschwiegenheit dürfe die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Auftraggeberentscheidungen jedoch nicht wesentlich behindern bzw. verhindern. Dies widerspreche dem Grundsatz der Effektivität des Vergaberechtsschutzes.
11 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt. Rechtslage
12 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2006, BGBl. I Nr. 17 in der Fassung BGBl. II Nr. 292/2014 (BVergG 2006), lauten:
"Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:
...
42. Vergebende Stelle ist jene Organisationseinheit oder jener Bevollmächtigter des Auftraggebers, die bzw. der das Vergabeverfahren für den Auftraggeber durchführt.
...
Öffentliche Auftraggeber und sonstige zur Anwendung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes verpflichtete Auftraggeber
§ 3. (1) Dieses Bundesgesetz gilt mit Ausnahme seines
3. Teiles für die Vergabeverfahren von öffentlichen Auftraggebern (im Folgenden: Auftraggeber), das sind
...
2. Einrichtungen, die
a) zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, und
- b) zumindest teilrechtsfähig sind und
- c) überwiegend von Auftraggebern gemäß Z 1 oder anderen Einrichtungen im Sinne der Z 2 finanziert werden oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegen oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von Auftraggebern gemäß
Z 1 oder anderen Einrichtungen im Sinne der Z 2 ernannt worden sind,
...
Grundsätze des Vergabeverfahrens
§ 19. (1) Vergabeverfahren sind nach einem in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Verfahren, unter Beachtung der unionsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter durchzuführen. Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen.
...
Ausscheiden von Angeboten
§ 129. (1) Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung hat der Auftraggeber auf Grund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:
...
7. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, ...;
...
Auskunftspflicht
§ 313. (1) Die dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Auftraggeber bzw. vergebenden Stellen haben dem Bundesverwaltungsgericht alle für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Auskünfte zu erteilen und alle hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Gleiches gilt für die an einem Vergabeverfahren beteiligten Unternehmer.
(2) Hat ein Auftraggeber, eine vergebende Stelle oder ein Unternehmer Unterlagen nicht vorgelegt, Auskünfte nicht erteilt oder eine Auskunft zwar erteilt, die Unterlagen des Vergabeverfahrens aber nicht vorgelegt, so kann das Bundesverwaltungsgericht, wenn der Auftraggeber oder der Unternehmer auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen wurde, auf Grund der Behauptungen des nicht säumigen Beteiligten entscheiden."
13 Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk, BGBl. Nr. 379/1984 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2015 (ORF-G), lauten:
"Einrichtung und öffentlich-rechtlicher Auftrag des Österreichischen Rundfunks
Stiftung "Österreichischer Rundfunk"
§ 1. (1) Mit diesem Bundesgesetz wird eine Stiftung des öffentlichen Rechts mit der Bezeichnung "Österreichischer Rundfunk" eingerichtet. Die Stiftung hat ihren Sitz in Wien und besitzt Rechtspersönlichkeit.
(2) Zweck der Stiftung ist die Erfüllung des öffentlichrechtlichen Auftrages des Österreichischen Rundfunks im Rahmen des Unternehmensgegenstandes (§ 2). Der öffentlich-rechtliche Auftrag umfasst die Aufträge der §§ 3 bis 5.
(3) Der Österreichische Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrages auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungsordnung, insbesondere auf die bundesstaatliche Gliederung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Länder sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Kunst, Bedacht zu nehmen und die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichischen Rundfunks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten.
(4) Der Österreichische Rundfunk ist, soweit seine Tätigkeit im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags erfolgt, nicht auf Gewinn gerichtet; er ist im Firmenbuch beim Handelsgericht Wien zu protokollieren und gilt als Unternehmer im Sinne des Unternehmensgesetzbuches.
...
Unternehmensgegenstand und Finanzierung der Tätigkeiten
§ 2. (1) Der Unternehmensgegenstand des Österreichischen Rundfunks umfasst, soweit in diesem Bundesgesetz nicht Anderes bestimmt ist,
- 1. die Veranstaltung von Rundfunk,
- 2. die Veranstaltung von mit der Tätigkeit nach Z 1 in Zusammenhang stehendem Teletext und die Bereitstellung von mit der Tätigkeit nach Z 1 in Zusammenhang stehenden Online-Angeboten,
3. den Betrieb von technischen Einrichtungen, die für die Veranstaltung von Rundfunk und Teletext oder die Bereitstellung von Online-Angeboten notwendig sind,
4. alle Geschäfte und Maßnahmen, die für die Tätigkeiten nach
Z 1 bis 3 oder die Vermarktung dieser Tätigkeiten geboten sind.
...
Versorgungsauftrag
§ 3. (1) Der Österreichische Rundfunk hat unter Mitwirkung aller Studios
1. für drei österreichweit und neun bundeslandweit empfangbare Programme des Hörfunks und
2. für zwei österreichweit empfangbare Programme des Fernsehens zu sorgen.
Der Österreichische Rundfunk hat nach Maßgabe der technischen Entwicklung und der wirtschaftlichen Tragbarkeit dafür zu sorgen, dass in Bezug auf Programm- und Empfangsqualität alle zum Betrieb eines Rundfunkempfangsgerätes (Hörfunk und Fernsehen) berechtigten Bewohner des Bundesgebietes gleichmäßig und ständig mit jeweils einem bundeslandweit und zwei österreichweit empfangbaren Programmen des Hörfunks und zwei österreichweit empfangbaren Programmen des Fernsehens versorgt werden.
...
Öffentlich-rechtlicher Kernauftrag
§ 4. (1) Der Österreichische Rundfunk hat durch die Gesamtheit seiner gemäß § 3 verbreiteten Programme und Angebote zu sorgen für:
1. die umfassende Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen;
2. die Förderung des Verständnisses für alle Fragen des demokratischen Zusammenlebens;
3. die Förderung der österreichischen Identität im Blickwinkel der europäischen Geschichte und Integration;
4. die Förderung des Verständnisses für die europäische Integration;
5. die Vermittlung und Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft;
6. die angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion;
- 7. die Vermittlung eines vielfältigen kulturellen Angebots;
- 8. die Darbietung von Unterhaltung;
- 9. die angemessene Berücksichtigung aller Altersgruppen;
- 10. die angemessene Berücksichtigung der Anliegen behinderter Menschen;
11. die angemessene Berücksichtigung der Anliegen der Familien und der Kinder sowie der Gleichberechtigung von Frauen und Männern;
12. die angemessene Berücksichtigung der Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften;
13. die Verbreitung und Förderung von Volks- und Jugendbildung unter besonderer Beachtung der Schul- und Erwachsenenbildung;
14. die Information über Themen der Gesundheit und des Natur- , Umwelt- sowie Konsumentenschutzes unter Berücksichtigung der Förderung des Verständnisses über die Prinzipien der Nachhaltigkeit.
15. die Förderung des Interesses der Bevölkerung an aktiver sportlicher Betätigung;
16. die Information über die Bedeutung, Funktion und Aufgaben des Bundesstaates sowie die Förderung der regionalen Identitäten der Bundesländer;
17. die Förderung des Verständnisses für wirtschaftliche Zusammenhänge;
18. die Förderung des Verständnisses für Fragen der europäischen Sicherheitspolitik und der umfassenden Landesverteidigung;
19. die angemessene Berücksichtigung und Förderung sozialer und humanitärer Aktivitäten, einschließlich der Bewusstseinsbildung zur Integration behinderter Menschen in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt.
...
Kommerzielle Tätigkeiten
§ 8a. (1) "Kommerzielle Tätigkeiten" im Sinne dieses Gesetzes bezeichnen im Rahmen des Unternehmensgegenstandes liegende, über den öffentlich-rechtlichen Auftrag (§ 1 Abs. 2) hinausgehende Tätigkeiten.
(2) Kommerzielle Tätigkeiten sind organisatorisch und rechnerisch von den Tätigkeiten im Rahmen des öffentlichrechtlichen Auftrags zu trennen (§ 39 Abs. 4). Für sie dürfen keine Mittel aus dem Programmentgelt (§ 31) herangezogen werden. Sie können gewinnorientiert betrieben werden.
...
(5) Erlöse aus kommerziellen Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag sind bei der Ermittlung der Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrages (§ 31) zu berücksichtigen.
...
Organe des Österreichischen Rundfunks
§ 19. (1) Die Organe des Österreichischen Rundfunks sind:
- 1. der Stiftungsrat,
- 2. der Generaldirektor,
- 3. der Publikumsrat;
(2) Die Mitglieder der Kollegialorgane gemäß Abs. 1 sind bei der Ausübung ihrer Funktion im Österreichischen Rundfunk an keine Weisungen und Aufträge gebunden; sie haben ausschließlich die sich aus den Gesetzen und der Geschäftsordnung ergebenden Pflichten zu erfüllen.
...
Stiftungsrat
§ 20. (1) Die Mitglieder des Stiftungsrates werden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen bestellt:
1. Sechs Mitglieder, die von der Bundesregierung unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der politischen Parteien im Nationalrat unter Bedachtnahme auf deren Vorschläge bestellt werden, wobei jede im Hauptausschuss des Nationalrates vertretene Partei durch mindestens ein Mitglied im Stiftungsrat vertreten sein muss;
2. neun Mitglieder bestellen die Länder, wobei jedem Land das Recht auf Bestellung eines Mitgliedes zukommt;
- 3. neun Mitglieder bestellt die Bundesregierung;
- 4. sechs Mitglieder bestellt der Publikumsrat;
- 5. fünf Mitglieder werden unter Anwendung des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, vom Zentralbetriebsrat bestellt.
...
Aufgaben des Stiftungsrates
§ 21. (1) Dem Stiftungsrat obliegt, abgesehen von den sonstigen ihm durch dieses Bundesgesetz übertragenen Aufgaben,
- 1. die Überwachung der Geschäftsführung;
- 2. die Bestellung und Abberufung des Generaldirektors;
...
Programmentgelt
§ 31. (1) Jedermann ist zum Empfang der Hörfunkbzw. Fernsehsendungen des Österreichischen Rundfunks gegen ein fortlaufendes Programmentgelt (Radioentgelt, Fernsehentgelt) berechtigt. Die Höhe des Programmentgelts wird auf Antrag des Generaldirektors vom Stiftungsrat festgelegt. Der Generaldirektor hat einen Antrag auf Neufestlegung des Programmentgelts nach Maßgabe der wirtschaftlichen Erfordernisse zu stellen, spätestens jedoch nach Ablauf von fünf Jahren ab dem letzten Antrag.
(2) Die Höhe des Programmentgelts ist so festzulegen, dass unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung der öffentlich-rechtliche Auftrag erfüllt werden kann; hierbei ist auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Bedacht zu nehmen. Die Höhe des Programmentgelts ist mit jenem Betrag begrenzt, der erforderlich ist, um die voraussichtlichen Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags angesichts der zu erwartenden Zahl der zur Entrichtung des Programmentgelts Verpflichteten in einem Zeitraum von fünf Jahren ab Festlegung des Programmentgelts (Finanzierungsperiode) decken zu können. Der Berechnung der Höhe des Programmentgelts zu Grunde liegende Annahmen über zu erwartende Entwicklungen haben begründet und nachvollziehbar zu sein.
(3) Die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags entsprechen den Kosten, die zur Erbringung des öffentlichrechtlichen Auftrags anfallen, unter Abzug der erwirtschafteten Nettoerlöse aus kommerzieller Tätigkeit im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlicher Tätigkeit, sonstiger öffentlicher Zuwendungen, insbesondere der Zuwendung nach Abs. 11, sowie der in der Widmungsrücklage (§ 39 Abs. 2) gebundenen Mittel sowie unter Berücksichtigung allfälliger Konzernbewertungen. Verluste aus kommerziellen Tätigkeiten dürfen nicht eingerechnet werden.
(4) Zusätzlich neben den Nettokosten im Sinne von Abs. 3 kann bei der Festlegung des Programmentgelts ausnahmsweise ein allfälliger Finanzbedarf für Zuweisungen zum ungebundenen Eigenkapital unter den Voraussetzungen des § 39b berücksichtigt werden.
...
(6) Bei der Festlegung des Programmentgelts können die über die nächste Finanzierungsperiode zu erwartenden Preisbzw. Kostensteigerungen in die Kosten des öffentlichen Auftrags eingerechnet werden. Die dafür gebundenen Mittel sind vom Österreichischen Rundfunk gesondert dem Sperrkonto (§ 39c) zuzuführen und dürfen ausschließlich zur Abdeckung der für das jeweilige Jahr erwarteten Preis- und Kostensteigerungen herangezogen werden.
(7) Der Antrag des Generaldirektors hat alle Angaben zu beinhalten, die zur Festlegung des Programmentgelts gemäß den vorangehenden Absätzen erforderlich sind.
(8) Der Beschluss des Stiftungsrates, mit dem die Höhe des Programmentgelts festgesetzt wird, bedarf der Genehmigung des Publikumsrates. Wird innerhalb von acht Wochen nach der Beschlussfassung im Stiftungsrat vom Publikumsrat kein begründeter Einspruch erhoben, so gilt die Genehmigung als erteilt. Wird jedoch innerhalb dieser Frist vom Publikumsrat die Genehmigung ausdrücklich versagt, so wird der Beschluss des Stiftungsrates nur dann wirksam, wenn er einen Beharrungsbeschluss fasst.
(9) Nach Abschluss des Verfahrens gemäß Abs. 8 ist der Beschluss des Stiftungsrates der Regulierungsbehörde unter Anschluss des dem Beschluss zu Grunde liegenden Antrags zu übermitteln. Die Regulierungsbehörde hat binnen drei Monaten ab Übermittlung den Beschluss des Stiftungsrates gemäß § 37 Abs. 2 aufzuheben, wenn er mit den Bestimmungen der vorstehenden Absätze in Widerspruch steht. Diese Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Regulierungsbehörde alle Informationen vorgelegt wurden, die sie zu dieser Beurteilung benötigt. Die Neufestlegung des Programmentgelts wird nicht vor Ablauf dieser Frist wirksam. § 13 Abs. 3 AVG gilt mit Ausnahme seines letzten Satzes.
(10) Das Programmentgelt ist unabhängig von der Häufigkeit und der Güte der Sendungen oder ihres Empfanges zu zahlen, jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§ 2 Abs. 1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß § 3 Abs. 1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften.
(11) Der durch die im vorstehenden Absatz genannten Befreiungen dem Österreichischen Rundfunk entstehende Entfall des Programmentgelts ist ihm durch den Bund durch eine jährlich zu gewährende finanzielle Zuwendung in den Jahren 2010 bis 2013 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen abzugelten:
...
§ 31a. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Gebarung des Österreichischen Rundfunks unterliegt der Kontrolle des Rechnungshofes.
(2) Bei der Ausübung der Kontrolle ist § 12 Abs. 1, 3 und 5 des Rechnungshofgesetzes, BGBl. Nr. 144/1948, sinngemäß anzuwenden; das Ergebnis seiner Prüfung hat der Rechnungshof dem Stiftungsrat mitzuteilen.
...
Wettbewerbsverhalten des Österreichischen Rundfunks
...
Marktkonformes Verhalten
§ 31c. (1) Dem Österreichischen Rundfunk aus Programmentgelt zufließende Mittel dürfen nicht in einer zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht erforderlichen wettbewerbsverzerrenden Weise verwendet werden. ..."
Zum Österreichischen Rundfunk als Auftraggeber
14 Zeigt die Revision - wie im vorliegenden Fall - eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf und erweist sie sich damit als zulässig, so ist eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG von Amts wegen aufzugreifen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2016, Ra 2016/03/0039, mwN).
15 Das Verwaltungsgericht geht im angefochtenen Erkenntnisses mit kurzer Begründung davon aus, dass es sich bei der mitbeteiligten Partei, dem Österreichischen Rundfunk (ORF), um einen öffentlichen Auftraggeber nach dem BVergG 2006 handle und es daher zur vergaberechtlichen Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zuständig sei.
16 Als die Auftraggebereigenschaft begründende Bestimmung ist § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 über Einrichtungen des öffentlichen Rechts in den Blick zu nehmen.
17 Die in den lit. a bis c des § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 enthaltenen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Einrichtung des öffentlichen Rechts müssen kumulativ erfüllt sein. Diese Regelung entspricht der sekundärrechtlichen Regelung in Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2015, Ro 2014/04/0065 mit Verweis auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 11. Juni 2009, Rs C-300/07 , Hans & Christophorus Oymanns, Randnr. 48, mwN).
18 Um eine "Einrichtung des öffentlichen Rechts" im Sinne von Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18 , die als solche den Vorschriften dieser Richtlinie unterliegt, handelt es sich, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind: Die Einrichtung wurde zu dem besonderen Zweck gegründet, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen (Buchst. a), sie besitzt Rechtspersönlichkeit (Buchst. b), und sie wird überwiegend durch öffentliche Stellen finanziert oder ihre Leitung unterliegt der Aufsicht durch Letztere oder ihr Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan besteht mehrheitlich aus Mitgliedern, die von öffentlichen Stellen ernannt worden sind (Buchst. c). In allen drei der in Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 genannten alternativen Kriterien kommt eine enge Verbindung mit den öffentlichen Stellen zum Ausdruck. Eine solche Verbindung kann es den öffentlichen Stellen nämlich ermöglichen, die Entscheidungen der betreffenden Einrichtung im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge zu beeinflussen, was die Möglichkeit mit sich bringt, dass andere als wirtschaftliche Überlegungen diese Entscheidungen leiten, und insbesondere die Gefahr, dass einheimische Bieter oder Bewerber bevorzugt werden, wodurch Hemmnisse für den freien Dienstleistungs- und Warenverkehr geschaffen würden, die durch die Anwendung der Vergaberichtlinien gerade verhindert werden sollen (vgl. das Urteil des EuGH vom 12. September 2013 in der Rechtssache C- 526/11 , IVD GmbH & Co. KG gegen Ärztekammer Westfalen-Lippe, ECLI:EU:C:2013:543, Rn. 19 und 20; vgl. auf diese Rechtsprechung verweisend das hg. Erkenntnis Ro 2014/04/0065).
19 Der EuGH hat auch betont, dass in Anbetracht der beiden Ziele - Öffnung für den Wettbewerb und Transparenz - der Begriff der Einrichtung des öffentlichen Rechts weit zu verstehen ist (vgl. das Urteil des EuGH vom 27. Februar 2003 in der Rechtssache C-373/00 , Adolf Truley GmbH gegen Bestattung Wien GmbH, ECLI:EU:C:2003:110, Rn. 43).
Rechtspersönlichkeit
20 Die mitbeteiligte Partei wurde mit dem Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk, BGBl. Nr. 379/1984 in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2015 (ORF-G) als Stiftung des öffentlichen Rechts eingerichtet und besitzt Rechtspersönlichkeit (§ 1 Abs. 1 ORF-G).
21 Somit ist lit. b des § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 erfüllt. "Beherrschungstatbestände"
22 Zu prüfen ist weiter, ob einer der drei alternativ in der lit. c des § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 genannten "Beherrschungstatbestände" erfüllt ist (vgl. das hg. Erkenntnis Ro 2014/04/0065, mwN).
23 Eine überwiegende Finanzierung kann durch eine dem Grundsatz und der Höhe nach gesetzlich vorgesehene und auferlegte Gebühr erfolgen, die keine Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme der von der betreffenden Einrichtung erbrachten Dienstleistungen durch die Gebührenschuldner darstellt und mittels hoheitlicher Befugnisse eingezogen wird (vgl. das Urteil des EuGH "IVD" mit Verweis auf das Urteil vom 13. Dezember 2007 in der Rechtssache C-337/06 , "Bayerischer Rundfunk" u. a.).
24 Im Urteil "Bayerischer Rundfunk" hat der EuGH festgehalten, "dass eine überwiegende Finanzierung durch den Staat vorliegt, wenn öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden überwiegend durch eine Gebühr finanziert werden, die von denjenigen zu zahlen ist, die ein Rundfunkgerät bereithalten, und die nach Regeln auferlegt, berechnet und erhoben wird, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen" (Tenor).
25 Das Ausgangsverfahren betraf die Frage, ob es sich bei den deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten um öffentliche Auftraggeber zum Zweck der Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge handelte. In diesem Zusammenhang hielt der EuGH fest, dass es sich bei diesen Einrichtungen um rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts mit einem im öffentlichen Interesse liegenden Auftrag handle. Die Existenz der fraglichen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sei selbst vom Staat abhängig. Das Kriterium der Verbundenheit dieser Einrichtungen mit dem Staat sei somit erfüllt, ohne dass zu verlangen sei, dass der Staat auf die verschiedenen Entscheidungen der betreffenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Auftragsvergabe konkreten Einfluss nehmen könne (vgl. Urteil "Bayerischer Rundfunk", Rn. 2, 14 und 55).
26 § 31 ORF-G sieht ein fortlaufendes Programmentgelt (Radioentgelt, Fernsehentgelt) vor, dessen Höhe so festzulegen ist, dass unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung der öffentlich-rechtliche Auftrag des Österreichischen Rundfunks erfüllt werden kann. Die Höhe des Programmentgelts ist mit jenem Betrag begrenzt, der erforderlich ist, um die voraussichtlichen Nettokosten des öffentlichrechtlichen Auftrags decken zu können (Abs. 1 und 2).
27 Dass dieses Programmentgelt als überwiegende Finanzierung nach § 3 Abs. 1 Z 2 lit. c BVergG 2006 anzusehen ist, ergibt sich aus der oben dargestellten Rechtsprechung des EuGH im Urteil "Bayerischer Rundfunk".
28 So ist das Programmentgelt unabhängig von der Häufigkeit und der Güte der Sendungen oder ihres Empfanges zu zahlen, jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß § 3 Abs. 1 ORF-G terrestrisch (analog oder über DVB-T) versorgt wird (§ 31 Abs. 10 ORF-G). Nach dieser Bestimmung begründet bereits die Möglichkeit des Empfanges von ORF-Programmen (unter der weiteren Voraussetzung, dass sich die Empfangsmöglichkeit ohne größeren Aufwand herstellen lasse) die Pflicht zur Leistung des Programmentgelts (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 2015, Ro 2015/15/0007). Wie im Urteil des EuGH "Bayerischer Rundfunk" (vgl. Rn. 45) werden die zur Verfügung gestellten Mittel daher (im vergaberechtlichen Sinne) ohne spezifische Gegenleistung (gegenüber dem Verbraucher) ausgezahlt.
Wenn die mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme nach § 41 zweiter Satz VwGG auf die hg. Rechtsprechung im Erkenntnis vom 4. September 2008, 2008/17/0059, verweist und darauf aufbauend vorbringt, zwischen dem Empfang der Programme des ORF und der Leistung eines Programmentgelts bestehe eine Austauschbeziehung, ist auf das obzitierte Erkenntnis Ro 2015/15/0007 hinzuweisen, wonach sich die maßgebliche Rechtslage zwischenzeitlich geändert hat.
29 Zum Vorbringen der mitbeteiligten Partei in dieser Stellungnahme, das Programmentgelt, werde vom Stiftungsrat des ORF festgelegt, in dem auch Vertreter des Publikumsrates mitwirkten, sodass dies dem Sachverhalt im Urteil des EuGH "IVD" ähnle, genügt es darauf hinzuweisen, dass der Publikumsrat gemäß § 20 Abs. 1 Z 4 ORF-G nur sechs Mitglieder von insgesamt 35 Mitgliedern bestellt und bereits aus diesem Grund keine "erhebliche Autonomie" von öffentlichen Auftraggebern anzunehmen ist.
Eine derartige "erhebliche Autonomie" bei der Festsetzung der Finanzierungsbeiträge kann verneint werden, wenn die auszuübenden Tätigkeiten bzw. die zu erbringenden Leistungen gesetzlich in einer Weise determiniert sind, dass damit auch die Höhe des erforderlichen Haushaltes und der dafür notwendigen Einnahmen mittelbar vorgegeben wird (vgl. so das hg. Erkenntnis Ro 2014/04/0065, mit Verweis auf das Urteil des EuGH "IVD").
Solches trifft nach der Rechtslage des ORF-G zu:
§ 31 ORF-G regelt mittelbar die Höhe des Programmentgeltes mit der Vorgabe der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung und der Begrenzung mit den voraussichtlichen Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags.
Hinzu tritt, dass der Beschluss des Stiftungsrates, mit dem die Höhe des Programmentgelts festgesetzt wird, gemäß § 31 Abs. 9 ORF-G der Regulierungsbehörde zu übermitteln ist, und die Regulierungsbehörde den Beschluss binnen drei Monaten gemäß § 37 Abs. 2 ORF-G aufzuheben hat, wenn er mit den Bestimmungen der vorstehenden Absätze in Widerspruch steht. Dieser Umstand unterscheidet die Rechtslage nach dem ORF-G von jener, die der EuGH im Urteil "IVD" zu beurteilen hatte (vgl. Rn. 27 dieses Urteils, in welcher der EuGH den Umstand, dass "die Regelung, mit der diese Beiträge festgelegt werden, der Genehmigung einer Aufsichtsbehörde bedarf" für die Verneinung einer erheblichen Autonomie als nicht ausschlaggebend angesehen hat, "da diese Behörde lediglich prüft, ob der Haushalt der betreffenden Einrichtung ausgeglichen ist").
30 Was die "Beherrschungstatbestände" anlangt, tritt hinzu, dass der ORF gemäß der Verfassungsbestimmung des § 31a ORF-G hinsichtlich seiner Gebarung der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt (vgl. zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Aufsicht über die Leitung nach § 3 Abs. 1 Z 2 lit. c BVergG 2006 in diesem Fall das hg. Erkenntnis vom 17. September 2014, 2013/04/0144, mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 27. Februar 2003 in der Rechtssache C-373/00 ,"Truley") und dass der Stiftungsrat, dem die Überwachung der Geschäftsführung und damit die Funktion als Aufsichtsorgan zukommt, mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von öffentlichen Auftraggebern ernannt worden sind (vgl. die §§ 20 und 21 ORF-G) .
Im Allgemeininteresse liegende Aufgaben
31 Zweck der Stiftung ist die Erfüllung des öffentlichrechtlichen Auftrages des ORF im Rahmen des Unternehmensgegenstandes (§ 2 ORF-G). Der öffentlich-rechtliche Auftrag umfasst die Aufträge der §§ 3 bis 5 ORF-G. Der ORF hat bei Erfüllung seines Auftrages auf die Grundsätze der österreichischen Verfassungsordnung, insbesondere auf die bundesstaatliche Gliederung nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Länder sowie auf den Grundsatz der Freiheit der Kunst, Bedacht zu nehmen und die Sicherung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit von Personen und Organen des Österreichischen Rundfunks, die mit der Besorgung der Aufgaben des Österreichischen Rundfunks beauftragt sind, gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu gewährleisten. Er ist, soweit seine Tätigkeit im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags erfolgt, nicht auf Gewinn gerichtet (§ 1 Abs. 2 bis 4 ORF-G).
32 Es bestehen somit keine Zweifel, dass die mitbeteiligte Partei damit zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, nämlich den ihm übertragenen öffentlich-rechtlichen Auftrag, zu erfüllen (§ 3 Abs. 1 Z 2 lit. a BVergG 2006).
Aufgaben nicht gewerblicher Art
33 Die mitbeteiligte Partei wendet sich in seiner Stellungnahme nach § 41 zweiter Satz VwGG gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, er würde Aufgaben "nicht gewerblicher Art" iSd § 3 Abs. 1 Z 2 lit. a BVergG 2006 erfüllen.
34 Die mitbeteiligte Partei bringt vor, sie übe die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben entgegen früheren Feststellungen des Bundesvergabeamtes bzw. des Verwaltungsgerichtes gewerblich aus. Der EuGH habe durch sein jüngeres Urteil "IVD" eine Neubeurteilung des Begriffes der Einrichtung öffentlichen Rechts vorgenommen. Diese "eingeschlagene Judikatur" des EuGH könne gänzlich auf die mitbeteiligte Partei umgelegt werden.
Der mitbeteiligten Partei sei eine besondere Autonomie gegenüber staatlichen Einrichtungen eingeräumt (Verweis auf das BVG über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. 396/1974). Die mitbeteiligte Partei sei auch einem liberalisierten Markt ausgesetzt und stehe tagtäglich in Konkurrenz mit zahlreichen Wettbewerbern. Diese Konkurrenzsituation verpflichte sie zu einer ausschließlich auf marktwirtschaftliche Überlegungen beruhenden Beschaffungspolitik. Anders als im Urteil des EuGH "Bayerischer Rundfunk" sei für die mitbeteiligte Partei keine staatliche Ausfallsgarantie abgegeben worden. Die mitbeteiligte Partei führe daher Beschaffungsvorhaben wie das vorliegende (zur Sanierung des Medienstandortes) auf eigenes wirtschaftliches Risiko. Selbst eine überwiegende Finanzierung durch öffentliche Auftraggeber begründe noch keine Aufgabe "nicht gewerblicher Art". Die mitbeteiligte Partei sei zu einem erheblichen Anteil "privat" finanziert, da "deutlich über" 40% der Erlöse aus kommerzieller Tätigkeit erzielt werden müssten, um das Budget der mitbeteiligten Partei decken zu können. Das Programmentgelt, welches "etwas mehr" als 50% der Finanzierung der mitbeteiligten Partei ausmache, werde vom Stiftungsrat festgelegt, in dem auch Vertreter des Publikumsrates mitwirkten. Dies ähnle dem Sachverhalt im Urteil des EuGH "IVD". Wie in diesem Urteil angesprochen, bringe der (nach einer umfangreichen gesetzlichen Liberalisierung) intensive Wettbewerb, dem die mitbeteiligte Partei sowohl im Hörfunk- als auch im Fernsehmarkt ausgesetzt sei, mit sich, dass sie sich nicht von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lasse. Würde die mitbeteiligte Partei nicht marktkonform agieren, drohe ihr eine "Abschöpfung" aus dem Programmentgelt. Dies sei bei der Frage der gewerblichen Aufgabenerfüllung zu berücksichtigen. Im Anschluss an dieses Vorbringen, regt die mitbeteiligte Partei an, dem EuGH zwei näher bezeichnete Fragen zu dieser gewerblichen Aufgabenerfüllung gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen.
35 Die Revisionswerberin bringt zu dieser Frage in seiner Stellungnahme vor, das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht sei ein wesentliches Indiz für das Vorliegen eines öffentlichen Auftraggebers. Auch wenn die mitbeteiligte Partei auf einem liberalisierten Markt tätig sei, sei sie deshalb noch nicht in einem vollständig wettbewerblich geprägten Umfeld tätig, da ihr gewisse staatliche oder ausschließliche Rechte zuteil würden. Ausschließlich der mitbeteiligten Partei und keinem anderen privaten Anbieter werde ex lege die Finanzierung seines Auftrags über Programmentgelt zugestanden. Was die Gebührenhöhe anlange, komme dem Stiftungsrat keine erhebliche Autonomie vergleichbar dem Urteil des EuGH "IVD" zu, da der Stiftungsrat überwiegend von öffentlichen Auftraggebern bestellt werde und daher ein staatlicher Einfluss auf die Gebührenhöhe immanent sei. Auch erachte der EuGH (im Urteil "Truley") bereits eine mögliche finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Mitteln als Anhaltspunkt für eine nicht gewerbliche Tätigkeit. Vorliegend sei es überaus wahrscheinlich, dass die Republik Österreich "als einziger Anteilseigner" der mitbeteiligte Partei Maßnahmen ergreifen würde, um einen Konkurs der mitbeteiligten Partei zu verhindern. Somit liege die wirtschaftliche Risikotragung bei der öffentlichen Hand.
36 Zu diesen Vorbringen ist Folgendes festzuhalten:
37 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Urteil des EuGH "IVD" nicht zum Tatbestandsmerkmal Aufgaben "nicht gewerblicher Art", sondern zur Frage der überwiegenden Finanzierung durch die öffentlichen Stellen ergangen ist (vgl. so ausdrücklich Rn. 16 mit der Darstellung der Vorlagefrage). Dagegen verneint die mitbeteiligte Partei vorliegend das Vorliegen von Aufgaben "nicht gewerblicher Art". Zwar stellt die "überwiegende Finanzierung" (im Zusammenhang mit der Risikotragung) einen von mehreren Aspekten dar, der für die Beurteilung des Vorliegens einer Aufgabe nicht gewerblicher Art heranzuziehen ist, allerdings sind die beiden Fragen nicht gleichzusetzen.
38 Zur Klärung der Frage, ob Aufgaben "nicht gewerblicher Art" sind, sind "alle erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte wie etwa die Umstände, die zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und die Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu berücksichtigen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die fragliche Einrichtung ihre Tätigkeit unter Wettbewerbsbedingungen ausübt" (vgl. das Urteil des EuGH vom 10. April 2008 in der Rechtssache C-393/06 , Ing. Aigner, Wasser-Wärme-Umwelt GmbH gegen Fernwärme Wien GmbH, ECLI:EU:C:2008:213, Rn. 41, mwN).
39 Bei dieser Prüfung ist zu berücksichtigen, ob "die Gründung dieser Einrichtung nicht vorrangig zur Erzielung von Gewinnen erfolgte" (Urteil "Ing. Aigner", Rn. 42) In diesem Zusammenhang ist - wie von der Revisionswerberin auch hervorgehoben - von Bedeutung, dass die Tätigkeit der mitbeteiligte Partei im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrages nicht auf Gewinn gerichtet ist (§ 1 Abs. 4 erster Satz ORF-G).
40 Weiter ist "das relevante wirtschaftliche Umfeld oder, anders ausgedrückt" der "Referenzmarkt" zu berücksichtigen, "um festzustellen, ob die fragliche Einrichtung ihre Tätigkeiten unter Wettbewerbsbedingungen ausübt" (vgl. Urteil Ing. Aigner Rn. 43).
41 Im Urteil "Truley" hat der EuGH festgehalten, "dass das Vorliegen eines entwickelten Wettbewerbs allein nicht auf das Nichtvorliegen einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nicht gewerblicher Art schließen lässt, jedoch für diese Frage nicht völlig unerheblich ist" (Rn. 61) und "es Sache des vorlegenden Gerichts" ist, "sämtliche rechtlichen und tatsächlichen Umstände zu untersuchen, auf denen die Tätigkeit der Antragsgegnerin beruht" (Rn. 65).
42 Im Urteil "Ing. Aigner" war für den EuGH entscheidend, "dass Fernwärme Wien in diesem Sektor quasi ein Monopol hat, da die beiden anderen Gesellschaften, die dort tätig sind, sehr klein sind und daher keine echte Konkurrenz darstellen können. Außerdem verfügt dieser Sektor über beträchtliche Autonomie, denn das Fernwärmesystem ließe sich nur schlecht durch andere Energien ersetzen, weil dies umfangreiche Umwandlungsarbeiten voraussetzen würde. Schließlich misst die Stadt Wien diesem Heizsystem auch aus Umwelterwägungen erhebliche Bedeutung bei. In Anbetracht des Drucks der öffentlichen Meinung würde sie deshalb die Abschaffung dieses Systems selbst dann nicht zulassen, wenn es mit Verlust arbeiten sollte" (Rn. 44). Unter diesen Umständen des Ausgangsverfahrens ging für den EuGH klar hervor, dass das Vorliegen eines entwickelten Wettbewerbs, das darauf hinweisen kann, dass es sich nicht um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht gewerblicher Art handelt, keineswegs erfüllt ist (Rn. 46).
43 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang festgehalten, dass eine Einrichtung, die zwar keine Gewinnerzielungsabsicht hat, aber dennoch nach Leistungs-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitskriterien arbeitet sowie mangels Mechanismus zum Ausgleich finanzieller Verluste selbst das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trägt, "gewerblicher Art" und daher nicht als Einrichtung öffentlichen Rechts anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, 2006/04/0179, mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 10. Mai 2001 in den Rechtssachen C-223/99 und C-260/99 , Agora und Excelsior, Slg. 2001, I-03605, Randnr. 40).
44 Ausgehend von dieser Rechtsprechung und dem von den Parteien vorgebrachten Sachverhalt ist für die mitbeteiligte Partei festzuhalten:
45 Wie die Revisionswerberin hervorhebt, verfügt keiner der im österreichischen Markt tätigen Konkurrenten über die Möglichkeit der Finanzierung seiner Tätigkeit durch ein Programmentgelt wie in § 31 ORF-G geregelt.
46 Vielmehr hat die mitbeteiligte Partei, was die ihr alleine übertragene Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages anbelangt, mit den Worten des EuGH "quasi ein Monopol". Dass diesem öffentlichen-rechtlichen Auftrag aus Sicht des Bundesgesetzgebers erhebliche Bedeutung eingeräumt wird, ergibt sich schon daraus, dass die mitbeteiligte Partei zu diesem Zweck vom Bundesgesetzgeber eingerichtet wurde (§ 1 Abs. 1 und 2 ORF-G). Daher ist auch die Annahme berechtigt, dass (mit den Worten des EuGH) "die Abschaffung dieses Systems" selbst dann nicht zugelassen wird, wenn es mit Verlust arbeiten sollte. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die mitbeteiligte Partei das wirtschaftliche Risiko ihrer unternehmerischen Tätigkeit selbst zu tragen hat (vgl. Holoubek/Fuchs in:
Schramm/Aicher/Fruhmann, Bundesvergabegesetz 2006 (2009), Rz. 67 zu § 3, wonach eine Einrichtung insbesondere dann nicht vollständig in einem "wettbewerblich geprägten Umfeld", das ein Handeln nach rein wirtschaftlichen Effizienzkriterien erfordern würde, tätig ist, wenn ihr gewisse staatliche besondere oder ausschließliche Rechte zuteil werden, die - wenn auch nur in Teilbereichen - den freien Wirtschaftswettbewerb verhindern oder einschränken).
47 Das Programmentgelt ist in § 31 ORF-G mit dem öffentlichrechtlichen Auftrag der mitbeteiligten Partei verknüpft: Dessen Höhe ist so festzulegen, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung erfüllt werden kann. Die Höhe ist mit jenem Betrag begrenzt, der erforderlich ist, um die voraussichtlichen Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags decken zu können.
48 Nichts anderes ergibt sich aus § 38a ORF-G: Die in § 38a Abs 1 Z 1 ORF-G normierte Abschöpfung von Einnahmen aus Programmentgelt durch die Regulierungsbehörde dient dazu, eine unions- und nationalgesetzlich nicht gewünschte Verwendung von Programmentgelten für Aufgaben, die außerhalb des öffentlichrechtlichen Auftrags des ORF liegen, rückgängig zu machen (vgl. zu alledem das hg. Erkenntnis vom 6. April 2016, Ro 2015/03/0014). Mit dieser Regelung wird im Umkehrschluss deutlich, dass die Verwendung von Programmentgelten (alleine) für Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Auftrags der mitbeteiligten Partei vorgesehen sind. Das Programmentgelt ist (mit anderen Worten) finanzielles Mittel zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages und somit der im Allgemeininteresse liegende Aufgaben der mitbeteiligten Partei.
49 Wenn die mitbeteiligte Partei vorbringt, die Programmentgelte würden nur "etwas mehr" als 50% ihrer Finanzierung ausmachen und im Übrigen trage sie selbst das wirtschaftliche Risiko für ihre Tätigkeit, so können damit nur die in § 8a Abs. 1 ORF-G definierten kommerziellen Tätigkeiten der mitbeteiligten Partei (im Rahmen des Unternehmensgegenstandes liegende, über den öffentlich-rechtlichen Auftrag hinausgehende Tätigkeiten) gemeint sein.
Zu diesen Tätigkeiten ist auf die Rechtsprechung des EuGH hinzuweisen, wonach es "unbeachtlich ist, dass die betreffende Einrichtung nicht nur ihre im Allgemeininteresse liegende Aufgabe hat, sondern - in Gewinnerzielungsabsicht - auch andere Tätigkeiten ausübt, solange sie weiterhin die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben wahrnimmt, die sie als besondere Pflicht zu erfüllen hat. Welchen Anteil die in Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Tätigkeiten an den Gesamttätigkeiten dieser Einrichtung ausmachen, ist für die Frage, ob sie als Einrichtung des öffentlichen Rechts zu qualifizieren ist, ebenfalls unerheblich" (vgl. das Urteil des EuGH "Ing. Aigner", Rn. 47, mwN).
50 Damit kann der öffentlich-rechtliche Auftrag, welcher der mitbeteiligten Partei nach ORF-G übertragen wurde, als Aufgabe nicht gewerblicher Art nach § 3 Abs. 1 Z 2 lit. a BVergG 2006 angesprochen werden.
51 Die mitbeteiligte Partei ist aus diesen Erwägungen eine Einrichtung öffentlichen Rechts nach § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006.
52 Ausgehend von der dargestellten Rechtsprechung des EuGH (insbesondere den Urteilen "IVD", Ing. Aigner und "Truley") ist der Anregung der mitbeteiligten Partei auf Vorabentscheidung nicht näher zu treten.
Zum Ausscheiden eines Angebots bei "Kann"-Bestimmungen
53 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Ausscheiden eines Angebotes nach § 2 Z 16 lit. a sublit. aa BVergG 2006 eine gesondert anfechtbare Entscheidung des Auftraggebers und somit eigens durch den tatsächlich ausgeschiedenen Bieter zu bekämpfen. In einem solchen Fall ist daher Hauptfrage des Nachprüfungsverfahrens betreffend diese Entscheidung alleine die Frage, ob der Antragsteller vom Auftraggeber zu Recht ausgeschieden worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2011, 2009/04/0302, mwN). Die Frage, ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Widerspruch aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen (vgl. den hg. Beschluss vom 8. September 2015, Ra 2015/04/0058, mwN).
54 Im vorliegenden Fall hat der mitbeteiligte Auftraggeber das Angebot der Revisionswerberin ausgeschieden, weil drei Musterprodukte nicht entsprechend den Spezifikationen des Leistungsverzeichnisses für die Bemusterung zur Verfügung gestellt worden seien. In der Ausschreibung wird für den Fall, dass es einem Bieter nicht möglich sei, die Musterprodukte für eine Bemusterung zur Verfügung zu stellen, festgelegt, dass sich der Auftraggeber vorbehält, dessen Angebot auszuscheiden. Damit handelt es sich nicht um eine zwingend zum Ausscheiden des Angebots führende Bestimmung, sondern um eine "Kann"-Bestimmung der Ausschreibung.
55 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, wird mit einer solchen "Kann"-Bestimmung dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ("Ermessen") eingeräumt, ob er Angebote von Bietern ausscheidet oder nicht. Auch wenn dieser Beurteilungsspielraum durch die Grundsätze des Vergabeverfahrens, insbesondere den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, begrenzt wird, ändert dies nichts daran, dass dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2011, 2011/04/0011, mwN).
56 Nach dem sich bereits aus dem Unionsrecht ergebenden Grundsatz der Gleichbehandlung müssen alle Bieter etwa bei der Aufforderung zur Klarstellung von mehrdeutigen Angeboten gleichbehandelt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2011, 2008/04/0083, mwN auf die Rechtsprechung des EuGH und des Gerichts der Europäischen Union).
57 Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet der Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter, dass die "Kann"-Bestimmung bei allen Bietern gleichermaßen angewendet werden muss, mit anderen Worten, dass der Auftraggeber einen Widerspruch zu dieser "Kann"- Bestimmung bei allen (dieser Bestimmung widersprechenden) Angeboten oder bei keinem Angebot anwendet.
58 Damit stellt ein Ausscheiden eines einer "Kann"-Bestimmung der Ausschreibung widersprechenden Angebotes einen Sonderfall dar, in dem die Frage, ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Widerspruch aufweist, von der Nachprüfungsbehörde nicht alleine am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen, sondern auch am Verhalten des Auftraggebers bei Anwendung dieser Ausschreibungsbestimmung zu messen ist.
59 Das Verwaltungsgericht hätte daher Feststellungen treffen müssen, welche die rechtliche Beurteilung erlauben, ob die zum Ausscheiden des Angebotes der Revisionswerberin führende "Kann"- Bestimmung bei allen Bieter gleichermaßen angewendet wurde. Zur Betrauung von Rechtsanwälten als vergebende Stelle
60 Wie die dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Aktenlage zeigt, trifft das Revisionsvorbringen zu, wonach die Vertreterin der vergebenden Stelle bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht hat und das Verwaltungsgericht dem nicht entgegen getreten ist. Davon betroffen war insbesondere die von der Revisionswerberin gestellte Frage, wie es dazu gekommen sei, "dass der schlussendliche Prüfbericht auf grün gestellt wurde". Im Zusammenhang mit der Aussage (laut Protokoll der mündlichen Verhandlung), die vergebende Stelle habe sich, nachdem die Zuschlagsentscheidung angefochten worden sei, veranlasst gesehen "den ursprünglichen Prüfbericht mit den roten Anmerkungen wiederum aufzunehmen und zu vertiefen", um "die ‚Querulanten', welche auf Platz 3 und 4 gelegen waren, genau zu prüfen und allfällig auszuscheiden", ist diese Frage im Hinblick auf die oben dargestellten Ausführungen zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter nicht als unmaßgeblich anzusehen.
61 Gemäß § 49 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG können die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Personen die Zeugenaussage auch darüber verweigern, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Vertreter einer Partei von dieser anvertraut wurde.
62 Ist ein Rechtsanwalt als vergebende Stelle tätig, so unterliegt er als vergebende Stelle der Auskunftspflicht nach § 313 BVergG 2006.
63 § 313 Abs. 1 BVergG 2006 enthält eine spezielle Mitwirkungspflicht der Parteien, die eine effektive und rasche Durchführung des Vergabenachprüfungsverfahrens sicherstellen soll. Die Erläuterungen (RV 323 BlgNR 20. GP , 99) halten dazu fest, auf Grund praktischer Erfahrungen sei es erforderlich, eine dem § 20 Abs. 2 VfGG entsprechende Bestimmung einzuführen, um dem Nachprüfungsverfahren die erforderliche Effizienz zu sichern.
§ 313 Abs. 2 BVergG 2006 ermöglicht es der Behörde, im Fall der unterlassenen Vorlage der Unterlagen des Vergabeverfahrens oder der Nichterteilung von Auskünften auf Grund der Behauptungen des nicht säumigen Beteiligten zu entscheiden (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 17. September 2014, 2013/04/0061, 0062, mwN).
64 Ausgehend von dieser Zielsetzung des § 313 BVergG 2006 kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe es in Kauf genommen, durch die Einschaltung von Rechtsanwälten als vergebende Stelle eine effektive Nachprüfung zu verhindern.
65 Vielmehr ist davon auszugehen, dass als vergebenden Stellen auftretende Rechtsanwälte ebenso wie alle anderen vergebende Stellen der Auskunftspflicht und auch den Säumnisfolgen nach § 313 Abs. 2 BVergG 2006 unterliegen. Die speziellere Regelung des § 313 BVergG 2006 geht fallbezogen § 49 Abs. 2 AVG insoweit vor. Begrenzt wird diese Auskunftspflicht durch die in § 313 Abs. 1 BVergG 2006 angeführte Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit der Auskünfte bzw. Unterlagen für die Erfüllung der Aufgaben des Bundesverwaltungsgerichtes. Ergebnis
66 Das Verwaltungsgericht hätte daher Feststellungen treffen müssen, welche die rechtliche Beurteilung erlauben, ob die zum Ausscheiden des Angebotes der Revisionswerberin führende "Kann"- Bestimmung bei allen Bieter gleichermaßen angewendet wurde.
Zudem hätte es weiter zu prüfen gehabt, ob die Aussage, der sich die Vertreterin der vergebenden Stelle unter Berufung auf ihre rechtsanwaltliche Verschwiegenheit entschlagen hatte, gemäß § 313 Abs. 1 BVergG 2006 notwendig war und bejahendenfalls auf die Säumnisfolge des Abs. 2 hinweisen müssen.
67 Zum Argument des Verwaltungsgerichts, das Angebot der Revisionswerberin sei auch wegen eines mangelhaften Produktnachweises unvollständig gewesen, ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Erkenntnis in dieser Hinsicht eine hinreichende Begründung nicht zu entnehmen ist, was die nachprüfende Kontrolle maßgeblich beeinträchtigt (vgl. zur Begründungspflicht der Verwaltungsgerichte etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2016, Ra 2016/11/0038, mwN).
68 Aus diesen Erwägungen erweist sich das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Aufwandersatz
69 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. November 2016
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