Spruch:
gefasst:
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Sachverhalt
1 1. Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) wurde die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers in einer luftfahrtrechtlichen Angelegenheit als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde (wie aus den Akten des BVwG ersichtlich) dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers am 13. November 2015 im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) erfolgreich hinterlegt.
2 Die gegen den Beschluss erhobene, auf den 28. Dezember 2015 datierte außerordentliche Revision wurde dem BVwG am 11. Jänner 2016 übermittelt.
3 Das BVwG legte dem Verwaltungsgerichtshof die gegenständliche Revision mit Vorlagebericht vom 14. Jänner 2016 zur Entscheidung vor; am 10. Februar 2016 erfolgte eine ergänzende Mitteilung des BVwG.
4 Mit einer verfahrensleitenden Anordnung vom 2. Februar 2016 wurde der Rechtsvertreter des Revisionswerbers darauf hingewiesen, dass ihm der angefochtene Beschluss im Wege des ERV am 13. November 2015, einem Freitag, elektronisch hinterlegt worden sei. Gemäß § 21 Abs 8 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes, BGBl I Nr 10/2013 (BVwGG), würde der Beschluss daher am 16. November 2016, einem Montag, als zugestellt gelten. Die sechswöchige Frist zur Erhebung der Revision gegen den angefochtenen Beschluss sei daher am 28. Dezember 2015 (ebenfalls ein Montag) abgelaufen. Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers wurde unter einem aufgefordert, zur Frage der Rechtzeitigkeit der Revisionserhebung Stellung zu nehmen.
Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2016 stellte der Revisionswerber den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen den Beschluss des BVwG vom 10. November 2015. Unter einem wurde die versäumte Prozesshandlung nachgeholt. Begründend wurde in diesem Antrag zunächst festgehalten, dass die verfahrensleitende Anordnung dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers am 9. Februar 2016 zugestellt worden sei. Damit sei dem Rechtsvertreter zur Kenntnis gelangt, dass bei der Fristberechnung zur Erhebung der gegenständlichen Revision ein Fehler unterlaufen sei. Die Kanzlei des Revisionswerbervertreters sei eine Einzelkanzlei mit nur einer ganztägig angestellten Kanzleikraft, D S. Diese verfüge über eine 30-jährige Berufserfahrung und sei mit den in der Kanzlei verwendeten Softwareprogrammen vertraut. Bis Mitte Oktober 2015 sei dem Revisionswerbervertreter für den Fall einer Erkrankung von D S P M, die bereits früher für den Revisionswerbervertreter tätig gewesen sei, zur Verfügung gestanden. Da P M jedoch mit Mitte Oktober 2015 eine Stelle in einer anderen Rechtsanwaltskanzlei angetreten habe, habe sie nicht mehr in der Kanzlei des Revisionswerbervertreters aushelfen können. Der Revisionswerbervertreter habe sich daher nach einer anderen Aushilfskraft umsehen müssen und diese in Person von S B auch gefunden. Allerdings sei noch vor Beginn der Einarbeitungszeit von S B die ganztägig tätige Mitarbeiterin D S unvorhersehbar und plötzlich durch einen Bandscheibenvorfall zu einem mehr als siebenwöchigen Krankenstand gezwungen worden, wodurch der Revisionswerbervertreter neben seiner eigentlichen anwaltlichen Tätigkeit auch etliche andere Kanzleitätigkeiten selbst habe erledigen müssen. Der Krankenstand von D S sei in einen Zeitraum mit hoher Arbeitsbelastung gefallen, da in diesem Zeitraum infolge der Steuerreform eine Vielzahl von Schenkungs-, Übergabs- und Kaufverträgen zu bearbeiten gewesen seien. Am Freitag, den 13. November 2015, sei um 12:09:24 infolge der Übermittlung eines anderen Schriftsatzes eine Abfrage des ERV durchgeführt worden, der Beschluss des BVwG sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfügbar gewesen. Infolge einer Störung des ERV habe der Beschluss auch am Montag, den 16. November 2015, nicht abgerufen werden können, sondern erst am darauffolgenden Dienstag, den 17. November 2015. Die Aushilfskraft S B habe daraufhin mit dem elektronischen Fristrechner eine Fristberechnung durchgeführt. Dieser Fristrechner habe den 12. Jänner 2016 als letzten Tag der Frist ausgewiesen. Im Zuge der "Vier-Augen-Kontrolle" habe sodann auch der Revisionswerbervertreter selbst eine Berechnung der Frist vorgenommen, wobei er sich hierbei des elektronischen Fristenrechners "Lex Tools" bedient habe und zum selben Ergebnis gekommen sei. Weder dem Revisionswerbervertreter noch seiner Kanzleikraft sei - wie nachträglich rekonstruiert werden konnte - aufgefallen, dass irrtümlich, weil es sich vorliegend um keine Zivilrechtssache handle, die Option "Fristhemmung gemäß § 222 ZPO" aktiviert gewesen sei, weshalb das Rechenprogramm die Fristhemmung zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Jänner berücksichtigt habe. Infolge des großen Arbeitsanfalls Ende 2015 sei eine Plausibilitätsprüfung der vom Computer ausgegebenen Fristberechnung anhand eines herkömmlichen Kalenders unterblieben. Da der 12. Jänner 2016 als letzter Tag der Frist als gesichert erschien, habe der Revisionswerbervertreter den Revisionsschriftsatz in der ersten Jänner-Woche 2016 fertiggestellt und die Revision am 11. Jänner 2016 durch die mittlerweile wieder genesene D S an das BVwG übermitteln lassen. Die Möglichkeit, dass die Option "Fristhemmung gemäß § 222 ZPO" bei einer sechswöchigen Frist überhaupt aktiviert werden könne, könne man auch als Programmfehler ansehen, da die ZPO eine sechswöchige Frist überhaupt nicht kenne. In Anbetracht der Begleitumstände handle es sich bei dem Fehler der Fristberechnung um ein minderes Grad des Versehens, da das normalerweise in der Kanzlei etablierte Kontrollsystem zur Überwachung der Fristen durch den überraschenden und lange andauernden Krankenstand von D S gerade zu jenem Zeitpunkt schwer beeinträchtigt gewesen sei, als die neue Aushilfe erst mit der Einarbeitung begonnen hatte und dem Revisionswerbervertreter somit kein adäquater Ersatz zur Verfügung gestanden sei. Überdies habe zu diesem Zeitpunkt ein großer Arbeitsdruck geherrscht.
II. Rechtslage
5 1. § 46 VwGG in der Fassung BGBl I Nr 33/2013 lautet
auszugsweise:
"(1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
...
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat, beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
...
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung statt."
6 2. § 21 Abs 8 BVwGG, BGBl I Nr 10/2013, lautet:
"Elektronischer Rechtsverkehr
§ 21. (1) ...
...
(8) Als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter Ausfertigungen von Erledigungen des Bundesverwaltungsgerichtes und Eingaben (Abs. 1) gilt jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten."
III. Würdigung
A. Zu Spruchpunkt I.
7 1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein dem Rechtsvertreter unterlaufener Irrtum über das Ende einer Frist zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 Abs 1 VwGG darstellen, das grundsätzlich die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ermöglicht (vgl VwGH vom 23. Oktober 2006, 2006/12/0064; VwGH vom 25. Mai 2004, 2003/01/0644, 0214; zum Begriff des "Ereignisses" auch VwGH vom 17. Dezember 2009, 2008/22/0414).
8 Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt freilich voraus, dass der Partei kein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Last liegt, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, wobei der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen ist (vgl etwa VwGH vom 10. November 2015, Ra 2015/19/0222); bei einem rechtskundigen Parteienvertreter ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen (vgl etwa VwGH vom 18. September 2013, 2013/03/0094, 0095, mwH). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Rechtsvertreters dem Wiedereinsetzungswerber zuzurechnen.
9 2. Vorliegend kann die Versäumung der Revisionsfrist nicht auf einen bloß minderen Grad des Versehens durch den Rechtsvertreter des Revisionswerbers zurückgeführt werden. Ein Rechtsanwalt hat der Fristberechnung die gebührende Beachtung zu schenken (VwGH vom 20. September 2001, 2001/15/0079, 0119, 0120). Für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall ist in einer Rechtsanwaltskanzlei der Rechtsanwalt selbst verantwortlich. Der Rechtsanwalt selbst hat die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen (vgl nochmals VwGH vom 18. September 2013, 2013/03/0094, 0095; siehe ferner VwGH vom 29. Mai 2008, 2008/07/0085, 0086; VwGH vom 27. April 2004, 2003/05/0065). Hiervon entbindet auch nicht der vom Revisionswerbervertreter vorgebrachte große Arbeitsdruck zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Beschlusses des BVwG. Gleiches gilt für den Umstand, dass sich der Revisionswerbervertreter zur Berechnung der Frist eines Softwareprogramms bedient hat. In diesem Zusammenhang hätte dem rechtskundigen Vertreter jedenfalls bekannt sein müssen, dass § 222 ZPO im Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und damit bei der Berechnung der Revisionseinbringungsfrist nicht zur Anwendung gelangen kann. Zudem hätte dem Rechtsvertreter die große zeitliche Diskrepanz von zwei Wochen zwischen dem sich aus der sechswöchigen Revisionsfrist ergebenden Fristende und dem vom herangezogenen Softwareprogramm vorgeschlagenen Fristende auffallen müssen. Dennoch hat es der Rechtsvertreter des Revisionswerbers (wie er einräumt) unterlassen, das vorgeschlagene Fristende anhand eines herkömmlichen Kalenders zu prüfen. Der Rechtsvertreter musste aber um die geradezu regelmäßig auftretende Gefahr von Fehlleistungen beim Vorgang der Fristberechnung wissen (vgl VwGH vom 20. September 2001, 2001/15/0079), weshalb auch bei der Verwendung eines Softwareprogramms zur Fristberechnung eine kontrollierende Betrachtungsweise erforderlich gewesen wäre.
10 3. Da dem Rechtsvertreter selbst somit ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten ist, sind die Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag betreffend das in der Kanzlei etablierte Kontrollsystem nicht zielführend. Ungeachtet dessen dient das Kontrollsystem ohnehin im Wesentlichen der Überwachung und Kontrolle der Mitarbeiter eines Rechtsanwaltes zur Vermeidung von Fehlern, nicht jedoch der Überwachung des - die Kontrolle ausübenden - Rechtsanwalts selbst.
B. Zu Spruchpunkt II.
11 1. Nach § 21 Abs 8 BVwGG gilt als Zustellzeitpunkt elektronisch übermittelter Ausfertigungen von Erledigungen des BVwG der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag, wobei Samstage nicht als Werktage gelten.
12 2. Es kann dahinstehen, ob der angefochtene Beschluss am 16. November 2015 elektronisch zugestellt wurde, oder ob man mit dem Revisionswerbervertreter von einer Zustellung im ERV mit dem 17. November 2015 ausgeht. Selbst wenn man die zweite Variante zu Grunde legt, ist die gemäß § 26 VwGG sechswöchige Revisionsfrist dann am 29. Dezember 2015 abgelaufen gewesen. Die am 11. Jänner 2016 an das BVwG übermittelte Revision war daher jedenfalls verspätet.
IV. Ergebnis
13 1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand war somit nach § 46 VwGG abzuweisen.
14 2. Die vorliegende Revision war daher gemäß § 34
Abs 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 6. April 2016
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