VwGH 2006/12/0064

VwGH2006/12/006423.10.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über den Antrag des Dr. L in V, vertreten durch Clementschitsch - Flucher - Köffler, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Moritschstraße 11/2, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 4. November 2002, Zl. 2338/7- III 5/2002, betreffend Versagung von Karenzurlaub, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

Begründung

Unbestritten ist, dass eine Ausfertigung des Bescheides des Bundesministers für Justiz vom 4. November 2002 im Wege der Telekopie an jenes Gericht, an dem der Antragsteller ernannt ist, übermittelt und ihm am 7. d.M. ausgefolgt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller die am 20. Dezember 2002 im Postweg eingebrachte, zur Zl. 2002/12/0341 protokollierte Beschwerde. Der Bescheid vom 4. November 2002 sei - so das Beschwerdevorbringen - am 8. November 2002 zugestellt worden.

In ihrer Gegenschrift vom 26. März 2003 beantragte die belangte Behörde, die Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Der im Telefaxweg übermittelte Bescheid vom 4. November 2002 sei dem Antragsteller nachweislich am 7. d.M. zugestellt worden. Demnach habe die Beschwerdefrist mit Ablauf des 19. Dezember 2002 geendet.

Die am 20. d.M. zur Post gegebene Beschwerde sei verspätet eingebracht worden. Diese Gegenschrift wurde dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers am 2. April 2003 zugestellt.

Mit der am 13. April 2006 zugestellten Verfügung vom 11. d.M. hielt der Verwaltungsgerichtshof dem Antragsteller unter Hinweis auf das wiedergegebene Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde, weiters auf § 24 Z. 2 ZustG und unter Vorhalt einer Kopie des in den vorgelegten Verwaltungsakten einliegenden Zustellscheines vom 7. November 2002 die Versäumung der Beschwerdefrist vor.

In seinem am 26. April 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid vom 4. November 2002, weil er das Datum der Zustellung in seinem Vormerkkalender irrtümlich mit 8. November anstelle des 7. November 2002 vermerkt habe. Der Irrtum sei auf einen - näher dargelegten - psychischen Ausnahmezustand des Antragstellers zurückzuführen und stelle ein unvorhergesehenes Ereignis im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG dar.

Nachdem der Antragsteller mit Verfügung vom 12. Juli 2006 ersucht wurde, bekannt zu geben, wann ihm die Gegenschrift der belangten Behörde vom 26. März 2003 im eingangs genannten Beschwerdeverfahren zugestellt worden sei, brachte er in seinem Schriftsatz vom 25. Juli 2006 - unter Bekanntgabe des Datums der Zustellung der Gegenschrift - ergänzend vor, da der Gegenschrift der belangten Behörde der Zustellnachweis zum angefochtenen Bescheid nicht beigelegt gewesen sei, sei er "trotz gegenteiliger Behauptungen der belangten Behörde auf Grund seiner persönlichen Aufzeichnungen über den Erhalt des Bescheides nach wie vor davon" ausgegangen, "dass die Beschwerde rechtzeitig eingebracht war und dass sich aus den Verwaltungsakten selbst die Zustellung des Bescheides am 7.11.2002 ergeben werde". Er habe die bloße Behauptung der Verspätung durch die belangte Behörde dem gemäß auch nicht mehr zum Anlass genommen, weitere Äußerungen zu beauftragen oder Nachforschungen bei den ohnehin bereits dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakten anzustellen, zumal er gemäß § 36 Abs. 8 VwGG auch von sich aus nicht dazu verpflichtet gewesen sei, eine unaufgeforderte schriftliche Äußerung zu erstatten. Die Säumnis sei ihm erst zur Kenntnis gelangt, als seinen Vertretern am 13. April 2006 der urkundliche, von ihm selbst unterfertigte Zustellnachweis zugegangen sei. Eine (grob) schuldhafte Unkenntnis von der Versäumung der Beschwerdefrist durch bloßen Erhalt der Gegenschrift und damit eine Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist könne ihm nicht entgegengehalten werden.

Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 46 Abs. 3 erster Satz VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen.

Die Frist des § 46 Abs. 3 VwGG beginnt mit dem "Aufhören des Hindernisses". Als Hindernis ist dabei jenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Dem Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages zufolge wurzelte das Hindernis in einem Irrtum des Antragstellers über den Tag (das Datum) der Zustellung des Bescheides vom 4. November 2002 und damit über den Beginn und das Ende der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen diesen Bescheid. In dem Zeitpunkt, zu welchem dieser Tatsachenirrtum als solcher erkannt werden konnte und musste, hörte auch das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG auf (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 9. Februar 2005, Zl. 2004/13/0094, mwN). Der Irrtum über den Beginn und den Ablauf der Beschwerdefrist verlor jedenfalls mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Gegenschrift, in welcher ausdrücklich auf die Verspätung der Beschwerde hingewiesen worden war, seine Eigenschaft als Ereignis, welches die Wahrung der Beschwerdefrist verhindern konnte (vgl. den zitierten hg. Beschluss vom 9. Februar 2005). Dem tat der Umstand, dass der Gegenschrift keine Ablichtung des Zustellnachweises beigelegt war, keinen Abbruch, zumal der Antragsteller selbst behauptet, dass "sich aus den Verwaltungsakten selbst die Zustellung des Bescheides am 7.11.2002 ergeben werde" und ihm die Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten innerhalb der Frist des § 46 Abs. 3 erster Satz VwGG offen stand.

Für den Wegfall (das "Aufhören des Hindernisses" im Sinn des § 46 Abs. 3 erster Satz VwGG) kommt es auch dann nur auf objektive Sachverhaltselemente an, wenn das "Hindernis" in einem Tatsachenirrtum des Beschwerdeführers und seines Rechtsvertreters besteht. Objektiv musste die Fehleinschätzung über die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung schon mit der Lektüre der diese Fehleinschätzung aufzeigenden Ausführungen der Gegenschrift als beseitigt gelten (vgl. den zitierten hg. Beschluss vom 9. Februar 2005).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 3 und 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als verspätet zurückzuweisen.

Wien, am 23. Oktober 2006

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