VwGH Ra 2016/02/0239

VwGHRa 2016/02/02397.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision 1. des F, und 2. des K, beide in W, beide vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberggasse 1a/3, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien vom 2. September 2016, zu 1.) Zl. VGW- 042/014/11287/2015-15 (prot. zu hg. Zl. Ra 2016/02/0239) und

2.) Zl. VGW-042/014/11289/2015- 2 (prot. zu hg. Zl. Ra 2016/02/0240), betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VStG §45 Abs1 Z3;
VStG §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §45 Abs1 Z3;
VStG §9 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit nahezu gleichlautenden Straferkenntnissen des Magistrates der Stadt Wien wurden die Revisionswerber als handelsrechtliche Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufene einer näher bezeichneten Gesellschaft mehrerer arbeitnehmerschutzrechtlicher Verstöße schuldig erkannt.

Das Verwaltungsgericht gab den dagegen gerichteten Beschwerden der Revisionswerber mit Erkenntnissen vom 2. September 2016 zu Spruchpunkt 1. der Straferkenntnisse Folge, hob sie in diesem Punkt auf und stellte die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein. Im Übrigen wurden die Beschwerden zu den Spruchpunkten 2. und 3. (verhängte Geldstrafe je EUR 560,--; Ersatzfreiheitsstrafe je 1 Tag, 9 Stunden) mit Spruchänderungen abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde jeweils für unzulässig erklärt.

2 Gegen diese Entscheidungen des Verwaltungsgerichts richten sich die im Wesentlichen gleichlautenden Revisionen im Umfang des jeweiligen Spruchpunktes 2. der Straferkenntnisse.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Die Revisionen bringen zur Zulässigkeit im Wesentlichen mit näheren Ausführungen vor, das Kontrollsystem der beiden Revisionswerber habe vollinhaltlich funktioniert. Eine "völlig abstrakte Haftung der Geschäftsleitung" für Arbeitsunfälle, obwohl im Kontrollsystem nicht der geringste Fehler vorhanden gewesen sei, habe es bisher in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht gegeben, weshalb die angefochtenen Erkenntnisse ein "völliges Abgehen von der bisherigen Judikatur" darstellten.

5 Mit der bloßen Behauptung, eine bestimmte Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird die Begründung für die Zulässigkeit der Revisionen nicht gesetzmäßig ausgeführt, schon weil nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben wird, von welcher Rechtsprechung nach Ansicht der Revisionswerber abgewichen worden sein soll (vgl. u.a. VwGH vom 5. April 2016, Ra 2016/02/0056, m.w.H.).

6 Darüber hinaus besteht entgegen den Revisionsausführungen zur Frage der Ausgestaltung des Kontrollsystems gesicherte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. So hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgesprochen, dass betriebliche Kontrollsysteme einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgte und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führte (vgl. etwa VwGH vom 7. März 2016, Ra 2016/02/0030).

Nach der ständigen Rechtsprechung ist es für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (vgl. VwGH vom 13. April 2016, Ra 2016/02/0051, m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat in seinen angefochtenen Erkenntnissen ausreichend nachvollziehbar dargelegt, dass die Revisionswerber im Verfahren kein den genannten Anforderungen entsprechendes wirksames Kontrollsystem dargetan haben. Die Revisionen zeigen auch nicht auf, dass das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des Kontrollsystems von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

7 In den Revisionen werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Dezember 2016

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