Normen
BArbSchV 1994 §61 Abs2;
StVO 1960 §3;
VStG §5 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz - Land betreffend eine Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes als unbegründet abgewiesen. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 19. November 2015, E 476/2015, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
3 In seiner Revision begehrt der Revisionswerber die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu dessen Abänderung und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.
4 Die Revision ist nicht zulässig:
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision zunächst aus, das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass ein offensichtlicher Mangel des Gerüsts im Sinne des § 61 Abs. 2 BauV vorgelegen sei. Die Frage, was als offensichtlicher Mangel im Sinne dieser Gesetzesstelle sei, gehe aus der normativen Regelung nicht hervor und sei vom Verwaltungsgerichtshof bisher auch keiner Entscheidung zugeführt worden, weshalb eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG vorliege.
8 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 2015, Zl. Ra 2015/02/0125, mit der hier angesprochenen Frage des offensichtlichen Mangels im Sinne des § 61 Abs. 2 BauV befasst hat. Das angefochtene Erkenntnis steht im Einklang mit dieser Rechtsprechung.
9 Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit vor, es mangle an gesicherter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, inwiefern der "aus der StVO ableitbare Vertrauensgrundsatz" bei der Aufgabendelegation bei betrieblichen Systemen "für eine strafbefreiende Wirkung fruchtbar gemacht werden kann". So ist der Revisionswerber im Wesentlichen der Ansicht, dass der in der Hierarchie jeweils Übergeordnete grundsätzlich darauf vertrauen könne, dass das jeweils untergeordnete Organ bzw. der jeweils untergeordnete Arbeitnehmer sich weisungskonform verhalte.
10 Hinsichtlich dieses Vorbringens ist der Revisionswerber auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es im Rahmen eines funktionierenden Kontrollsystems kein Vertrauen darauf geben kann, dass die eingewiesenen, laufend geschulten und ordnungsgemäß ausgerüsteten Arbeitnehmer die Arbeitnehmerschutzvorschriften einhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2013, Zl. 2012/02/0072, m.w.N.). Im Hinblick auf ein das Verschulden ausschließendes wirksames Kontrollsystem ist es weiters nicht ausreichend, dass auf einzelnen Baustellen (wie im vorliegenden Fall) Bauleiter mit der Überwachung der Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind; ferner ist auch die Erteilung von Anordnungen (Weisungen) und die Durchführung von Schulungen nicht ausreichend (vgl. das Erkenntnis vom 5. August 2009, Zl. 2008/02/0127, m.w.N.).
11 Vielmehr ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Darstellung eines wirksamen Kontrollsystems erforderlich, unter anderem aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in dieses Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. März 2012, Zl. 2010/02/0263, mwN).
12 Mit dieser Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof ausreichend klargestellt, dass schlichtes "Vertrauen" darauf, dass sich ein Arbeitnehmer weisungskonform verhalte, den Arbeitgeber nicht entlastet; eine dem § 3 StVO ("Vertrauensgrundsatz") vergleichbare Bestimmung besteht im Bereich der hier maßgeblichen Vorschriften zum Schutze von Arbeitnehmern nicht.
13 Schließlich sieht der Revisionswerber eine grundsätzliche Rechtsfrage auch darin, ob das Verwaltungsgericht "die Grundsätze des im Bereich des § 9 VStG exkulpierenden Regel- und Kontrollsystems so anwenden (dürfe), dass diesem Institut faktisch kein Anwendungsbereich mehr" verbleibe. Der Revisionswerber verweist dazu auf das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1999, Zl. 98/04/0099, und meint, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei uneinheitlich, weil die neuere Rechtsprechung dem ausreichenden Regel- und Kontrollsystem "jegliche rechtliche Existenz" nehme.
14 Dazu ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, unter Hinweis auf - näher zitierte - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgesprochen hat, dass der Revisionswerber das Bestehen eines ausreichenden Kontrollsystems nicht unter Beweis gestellt hat. Das Verwaltungsgericht führt dabei unter anderem aus, der Revisionswerber habe in der Verhandlung selbst zugegeben, die Baustelle nie kontrolliert zu haben und auch keine konkreten Anweisungen zur Kontrolle des Gerüsts gegeben zu haben. Auch der zuständige Bauleiter habe nur unregelmäßige Kontrollen durchgeführt und keine konkreten Kenntnisse der Verankerungen des Gerüsts gehabt.
15 Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Kontrollsystem im Bereich des Arbeitnehmerschutzes (vgl. dazu bereits die Ausführungen in RNr. 10 und 11) abgewichen wäre. Insbesondere ist auch nicht zu erkennen, dass das vom Revisionswerber zum Beleg einer Rechtsprechungsdivergenz angeführte Erkenntnis vom 2. Juni 1999, Zl. 98/04/0099, das seiner Ansicht nach der jüngeren, vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung widerspreche, in einem Spannungsverhältnis zum angefochtenen Erkenntnis oder der oben bereits beispielhaft angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Kontrollsystem stünde, zumal auch dieses Erkenntnis ausdrücklich vom Beschuldigten den Nachweis eines effizienten Kontrollsystems verlangt, wobei die Effizienz des Kontrollsystems nicht an der subjektiven Meinung des Beschuldigten oder der im Kontrollsystem eingebundenen Personen gemessen wird.
16 Da somit die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision angesprochenen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich ist und das Verwaltungsgericht nicht von den Leitlinien dieser Rechtsprechung abgewichen ist, vermochte die Revision insgesamt keine Rechtsfragen aufzuwerfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 13. April 2016
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